Aus dem Nest gefallen – und was nun? Darf man Vogelbabys anfassen?

Markus Brauer/
Wenige Tage alte Kohlmeisen-Küken warten mit geöffneten Schnäbeln auf Nahrung von den Eltern. Foto: dpa/Patrick Pleul

Fällt ein Küken aus dem Nest, möchten viele Menschen es gerne zurücksetzen. Aber manche denken: Die Vogeleltern stören sich am menschlichen Geruch. Doch das stimmt nicht.

 
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Sitzt ein Rehkitz im Gras, sollen Menschen es auf keinen Fall direkt anfassen. Denn haftet der fremde Geruch daran, kann das Kitz von der Mutter verstoßen werden. Viele Menschen glauben, dass so etwas auch bei Vögeln gilt. Deswegen solle man aus dem Nest gefallene Küken nicht mit bloßer Hand zurücksetzen. Aber stimmt das?

Eine junge Blaumeise (Cyanistes caeruleus) sitzt am Montag (21.05.2012) auf einem Ast in Egeln (Salzlandkreis). Foto: dpa/Jens Wolf

Jungvögel notfalls anfassen: Kein Problem

Die Antwort: Nein. Die Vogeleltern stört der Geruch nicht. Es ist manchmal sogar möglich, das Vogelbaby in ein anderes Nest zu setzen. Natürlich geht das nur, wenn es sich um die gleiche Vogelart handelt und wenn die anderen Küken ungefähr gleich alt sind.

Die Vogelexpertin Agnes Türk hat schon Hunderte Vogelbabys aus Nestern geholt und wieder reingesetzt. Als Wissenschaftlerin untersuchte sie bei Blaumeisen, welche Küken von welchen Vätern sind. „Dazu haben wir die jungen Meisen angefasst, das ist überhaupt kein Problem.“

Mit geöffnetem Schnabel wartet ein Vogelbaby auf die Fütterung. Foto: dpa/Boris Roessler
Silvio Herold vom Arbeitskreis Wanderfalkenschutz e.V. nimmt einen jungen Wanderfalken (Falco peregrinus) im Sauener Forst in seine Hand. Foto: dpa/Patrick Pleul

Tipp: „Erst einmal Abstand halten und beobachten“

Einige Vogelarten wie Amseln, verschiedene Meisen und Ringeltauben haben jetzt im Mai schon Küken. Frau Türk erklärt, wie man sich am besten verhält, wenn man ein Vogeljunges am Boden sieht. „Erst einmal Abstand halten und beobachten.“ Vielleicht seien die Jungvögel mit Absicht aus dem Nest gehüpft, weil es dort zu eng oder zu heiß war. „Diese Vögel werden von den Eltern am Boden weiter gefüttert. Da brauchen wir Menschen meist gar nichts machen.“

Nur wenn diesen Jungvögeln Gefahr drohe, könne man helfen. Zum Beispiel, wenn Katzen in der Nähe seien oder sie an einer Straße sitzen. „Dann am besten auf einen Ast setzen, damit sie geschützt sind.“ Auf jeden Fall solle man diese Jungvögel nicht mit nach Hause nehmen. Denn eine Aufzucht ist extrem schwierig.

Jungvögel am Boden brauchen meistens keine Hilfe

Tierschutz-Organisationen weisen darauf hin, dass die allermeisten Jungvögel am Boden keine Hilfe brauchen. Man sollte sie deshalb auch nicht unnötig anfassen. Falls es aber noch ein ganz kleines Küken ohne viel Federn ist: Dann kann man es ins Nest zurücksetzen, falls man dran kommt. Oder man kann das Küken zu Fachleuten in einer Auffangstation oder Vogelpflegestation geben.

Info: Warum zwitschern Vögel?

Gezwitscher
Frühmorgens vom Vogelgezwitscher geweckt zu werden, finden manche schön. Doch warum singen Vögel schon vor dem Sonnenaufgang? „Das Mitteilungsbedürfnis ist zu dieser Zeit einfach groß. Die Vögel teilen die Erlebnisse der Nacht, Begegnungen mit Gefahren, neue Nachbarn oder schöne Weibchen in der Nähe“, erklärt der Vogelkundler Wolfgang Forstmeier vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz.

Uhrzeit
Doch warum singen Vögel frühmorgens? Zu dieser Zeit sind die Bedingungen besonders gut. Ornithologen (Vogelkundler) vermuten, dass der morgendliche Gesang vor allem mit dem Schall zu tun hat. Schall breitet sich in den Morgenstunden besser aus, weil es in der Regel windstiller ist. Vögel könnten also die Gunst der Stunde nutzen, damit ihre Töne weiter getragen werden. Zum anderen steuert das Hormon Melatonin bei Vögeln – genauso wie beim Menschen und anderen Tieren – den Tag-Nacht-Rhythmus und damit die innere Vogel-Uhr. Der Körper bildet es in der Nacht und schüttet es aus, sobald das Tageslicht anbricht. Die Tiere werden aktiv und beginnen zu zwitschern. Ein dritter Grund könnte sein, dass sich in der Morgendämmerung schlechter Insekten jagen lassen Wer also früh singt, kann den restlichen Tag entspannt nach Nahrung suchen.

Kommunikation
Vogelstimmen sind eine Form der Kommunikation. Der Gesang kann variieren zwischen einer melodischen Strophe und Rufen, die meist nur aus kurzen Lauten bestehen. Das Gezwitscher ist vor allem zur Brutzeit zu hören. Bei den meisten Vögeln singen nur die Männchen, die ihr Revier gegenüber Artgenossen abgrenzen und ein Weibchen anlocken wollen. Die Art der Rufe ist breit gefächert: So gibt es Kontaktrufe, mit denen sich verwandte Vögel gegenseitig erkennen können. Mit Bettelrufen wollen Jungtiere von ihren Eltern Nahrung ergattern. Warnrufe werden bei Gefahr ausgestoßen.

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