Aus 19 Nationen Geballte Artillerie übt in Grafenwöhr

Elmar Schatz

Streitkräfte der Nato führen in Grafenwöhr ihre konzentrierte Kraft vor. Der Schatten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine liegt über dem gemeinsamen Manöver.

 
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Aus fast der ganzen westlichen Welt sind Artilleristen für vier Tage auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr/Hohenfels gekommen, um unter US-Führung gemeinsam zu trainieren und das Niveau ihres militärischen Könnens zu demonstrieren. Exakt 2379 Soldatinnen und Soldaten aus 19 Nationen – Nato-Partner und ihre Verbündeten – sind dabei. 55 Artillerie-Systeme mit 1186 Projektilen sowie 244 Raketensysteme werden erprobt. Auf kaum einem anderen Platz sei eine derart umfangreiche Übung möglich, sagt ein hoher britischer Offizier.

Dumm, Dumm-Dumm, Dumm – dumpf dröhnen die schweren Einschläge im angenommenen Zielgebiet unterhalb der Aussichtsplattform „Schwarzer Berg“ in Grafenwöhr, vor dem sich eine weite Landschaft ausbreitet. Gerade noch lag die wunderschöne Gegend mit dunkelgrünen Wäldern und hellgrünen Grasflächen friedlich da. So kling der Krieg, denkt sich der Betrachter, selbst wenn es hier nur ein Verteidigungstraining ist. Gelblicher Qualm breitet sich aus und steigt zum Himmel empor, dazwischen bilden sich tiefschwarze Rauchsäulen; darunter ist verbrannte Erde zu erkennen. Hier wäre im echten Kampf wohl alles total zerstört. Zwei Düsenjets rasen im Tiefflug über das Geschehen.

Das Gelände am „Schwarzen Berg“ hat bereits die Königlich Bayerische Artillerie seit dem Jahr 1908 als Übungsplatz genutzt. Reichswehr und Wehrmacht folgten, bis die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg das Manövergebiet Grafenwöhr übernahmen. Heute ist es der größte amerikanische Truppenübungsplatz außerhalb der Vereinigten Staaten, wie der US-Chef in Grafenwöhr, Brigadegeneral Joseph E. Hilbert, sagt: „Jeder amerikanische Artillerist kennt Grafenwöhr“ – war also schon mal hier. „Wir machen diese Übung jedes Jahr“, erklärt Hilbert. Das Zusammenwirken von Artilleristen aus vielen Nato-Ländern und deren Alliierten wird trainiert; die Verteidigung des Bündnisgebietes geübt. Dieses Jahr mit erschreckender Aktualität. Nur tausend Kilometer weiter östlich, in der Ukraine, tobt der grausame russische Angriffskrieg mit jetzt schon vielen Tausend gefallenen Soldaten und toten Frauen und Kindern.

Am Mittwoch haben die Amerikaner in Grafenwöhr ihre Tore für Journalisten geöffnet. Etwa vierzig Medienleute fahren im Bus fast einen Tag lang über das riesige Gelände, auf dem, wie ein Pressesprecher erklärt, immer noch mehr als 800 gefährdete Arten existieren. Tatsächlich wirkt der Truppenübungsplatz an diesem heißen Sommertag bei 36 Grad Celsius weithin geradezu idyllisch. In flirrender Hitze läuft allen, Soldaten wie Zivilisten, der Schweiß herunter. Der Medien-Truppe werden zunächst stramm angetretene Artilleristen der Bundeswehr, der Amerikaner, der Briten und der Tschechen präsentiert. Nach einer Erläuterung der Manöverziele fährt der Bus weiter. „Viele Waffensysteme – eine Mission“, heißt das Motto des Manövers namens „Dynamic Front 22“. Bulgaren sind da, Tschechen, Deutsche, Griechen – insgesamt Einheiten aus 19 Nationen.

„We are stronger together“, wird proklamiert – gemeinsam sind wir stärker. Die Briten zeigen ihren Mehrfach-Raketenwerfer gleichen Typs wie M.A.R.S., den auch die Bundeswehr hat. Den Journalisten wird etwas mulmig, während sie beobachten, wie die schlanken Raketen in die Kassette geschoben werden. Hier werden sie nicht abgefeuert; es ist lediglich eine Vorführung.

„Tak, Tak, Tak“, ohrenbetäubend feuert die Bundeswehr ihre berühmte Panzerhaubitze 2000 ab, von der nun einige Exemplare an die Ukraine geliefert worden sind. Das Waffensystem sieht aus der Nähe kompakt und eher klein aus, die Kanone ist auf einem Leopard-Fahrgestell aufgebaut. Jetzt ist die Haubitze komplett von Qualm eingehüllt. Es dauert eine Weile, bis der Abschuss-Rauch sich wieder gelegt hat. Die Panzerhaubitze 2000, die auch von anderen Nato-Partnern verwendet wird, „ist eines der modernsten Artillerie-Geschütze der Welt“, sagt ein Bundeswehrsoldat.

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