Auch Bauern werden mal krank Betriebshelfer werden dringend gesucht

Von Thorsten Gütling
Arbeiten im fremden Stall, Respekt vor fremden Tieren: Landwirt Marco Riedelbauch hat sich als Betriebshelfer ein zweites Standbein geschaffen. Foto: red

Während Harald Galster sich vor Schmerzen im Krankenhaus krümmte, fasste ein völlig Fremder seinen Kühen ans Euter. Sechs Wochen ist das her, und Galster, ein Landwirt mit Milchvieh aus Stein bei Gefrees, litt unter Nierensteinen. Der Fremde, das ist Marco Riedelbauch, seines Zeichens Betriebshelfer. Und Helfer wie ihn gibt es viel zu selten.

 
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Eine halbe Stunde nachdem der leidende Galster mit dem Krankenwagen abtransportiert wurde, war Riedelbauch zur Stelle. Riedelbauch, der Betriebshelfer aus Bärnreuth bei Bad Berneck. Der Maschinenring hat ihn vermittelt. Und Leute wie Riedelbauch gibt es viel zu wenig, heißt es dort.

Galster erinnert sich: an „ein komisches Gefühl“, das sich einstellt, wenn man den Betrieb in fremde Hände gibt. Schließlich hängt die eigene Existenzan den Ställen, an den Feldern. Noch dazu wurde er in der Erntezeit krank.

An ein Gefühl erinnert sich auch Marco Riedelbauch: Respekt. „Milchkühe sind schließlich äußert sensible Wesen“, sagt er. Groß – und schwer dazu. Das Euter ist eine empfindliche Stelle, die Kühe reagieren sensibel, wenn ein Fremder sie dort anfasst. Dazu lagen vor ihm 80 Hektar Land Mitten in der Erntezeit – viel mehr als der 38-Jährige vom eigenen Betrieb gewohnt ist.

Betriebshilfe als Nebenwerwerb

Schließlich hat sich Riedelbauch ganz bewusst für weniger Fläche und gegen Milchvieh entschieden. 20 Jahre ist das her, da stand er vor der Wahl: Land kaufen und Stall bauen oder ein anderes Standbein finden. Seitdem lebt er davon, dass andere Landwirte Hilfe brauchen. Weil sie krank sind, in den Urlaub wollen oder ihren Betrieb ganz einfach so sehr vergrößert haben, dass sie ohne fremde Hilfe nicht mehr zurecht kommen. 200 Tage im Jahr ist er auf fremden Höfen und Feldern im Einsatz, 1100 Stunden waren es im vergangenen Jahr. Er könnte noch mehr arbeiten, die Nachfrage ist da. Aber zu Hause wartet noch der eigene Hof. Und Riedelbauchs Eltern, 62 und 72 Jahre alt, können sich nur noch um das Nötigste kümmern.

Warum die Nachfrage immer größer wird, kann Johannes Scherm erklären. Er ist der Geschäftsführer des Maschinenrings Bayreuth-Pegnitz: Weil es zwar weniger landwirtschaftliche Betriebe gibt, die verbliebenen dafür aber immer größer werden, sagt er. Und weil das viele Landwirte an die Grenze treibt – vor allem psychisch. Das merke er auch an der durchschnittlichen Einsatzdauer, die immer länger werde. Betriebe, in denen der Chef wegen Alkoholsucht oder Selbstmord fehlt, brauchen eben länger Unterstützung, als wenn er nur mit Nierensteinen oder gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegt. Manchmal sogar bis zu einem Jahr lang.

Der Landwirtschaft fehlt das Personal

Es ist ein Teufelskreis. Weil gleichzeitig diejenigen weniger werden, die als Betriebshelfer infrage kommen. Händeringend würden mittlerweile selbst Städter gesucht, die das Handwerk Landwirtschaft als Ausbildungsberuf lernen wollen, sagt Scherm. Weil die Bauern mit den großen Höfen für Betriebshilfe keine Zeit mehr haben. Und weil der Nachwuchs fehlt, der sich auf fremden Höfen und Feldern erste Sporen verdienen könnte. „Wir haben extreme Probleme, die Nachfrage abzudecken“, sagt Scherm. Die Lücke versucht er mit hauptamtlichen Kräften zu schließen. Drei davon beschäftigt der Maschinenring seit kurzem selbst. Über andere, die vom evangelischen Betriebshelferdienst Bayern kommen, führt er Aufsicht. Auch sie sind immer häufiger im Einsatz.

Dabei gibt es zahlreiche Gründe, warum Landwirte auch im Nebenerwerb als Betriebshelfer arbeiten sollten, sagt Galster. Bevor er selbst Hilfe brauchte, bot er seine Hilfe jahrelang an und sagt: „Diese Zeit war besser als jede Lehrzeit.“ Viel für die eigene Betriebsführung habe er dabei gelernt. Über Tierfutter und verschiedene Typen von Landmaschinen. Und Betriebshelfer Riedelbauch sagt: „Früher kannte ich Pferde nur aus dem Fernsehen und von der Koppel. Dann musste ich das erste Mal in einem Pferdebetrieb ran.“

Vertrauter als der Betriebsleiter

Weil Galster wegen der Niere noch immer eine Schiene trägt, rückte diese Woche der nächste Betriebshelfer an. Die Einarbeitung im Stall übernahm Riedelbauch. Sechs Wochen, nachdem er den fremden Kühen an die Euter fasste, sei der Helfer den Tieren vertrauter als der Chef selbst, sagt Galster.

Betriebshilfe in Zahlen

Der Maschinenring Bayreuth-Pegnitz hat 1340 Mitglieder. Darunter nur 70 potenzielle Betriebshelfer. 25 bis 30 sind meist gleichzeitig im Einsatz. 20 000 Stunden der sogenannten sozialen Betriebshilfe kamen so im vergangenen Jahr zusammen. 5000 weniger als noch vor zwei Jahren. Nicht weil die Nachfrage gesunken sei, sondern weil Helfer fehlen um jeder Nachfrage zeitnah nachzukommen. Von sozialer Betriebshilfe spricht man bei Krankheit, Unfall oder Suizid. Bis zu 50 Stunden in der Woche zahlt die Landwirtschaftliche Krankenkasse. Wieviel genau, hängt von Jahreszeit, zu bewirtschaftende Fläche, Viehbestand und Zahl der Mitarbeiter ab.

16 Euro bekommt ein nebenberuflicher Betriebshelfer pro Stunde, rund 13 Euro ein hauptamtlicher, die Sozialabgaben sind da aber schonabgezogen. Soziale Betriebshelfer werden aber auch nur von der Kasse bezahlt, solange sie unaufschiebbare Arbeiten erledigen. Den Stall neu streichen oder Brennholz für den Winter machen gehört nicht dazu. Wenn ein gesunder Bauer Hilfe braucht, weil er mit der Arbeit nicht hinterher kommt, spricht man von wirtschaftlicher Betriebshilfe. Die muss der Landwirt selbst bezahlen.

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