Asyl-Demonstration in der Innenstadt: 80 Teilnehmer fordern Gerechtigkeit – Verwaltungsgericht weist Vorwürfe zurück Flüchtlinge kritisieren Richter

Von Frank Schmälzle
Knapp 80 Flüchtlinge, vorwiegend aus Äthiopien, haben bei einer Demonstration in der Bayreuther Innenstadt auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Foto: Gröger Foto: red

„Kein Mensch ist illegal.“ Und: „Wir wollen Gerechtigkeit.“ Lautstark machen knapp 80 Flüchtlinge aus Äthiopien am Mittwochvormittag bei einem Demonstrationszug durch die Innenstadt auf ihre Situation aufmerksam. Ihr Ziel: das Bayreuther Verwaltungsgericht. Den Richtern dort machen die Flüchtlinge schwere Vorwürfe.

 
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Selam Fikre ist eine von ihnen. Eine, die wie die allermeisten bei der Demonstration, aus Äthiopien stammt. Die einen Asylantrag gestellt hat. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurde. Und die auch mit ihrer Klage vor dem Bayreuther Verwaltungsgericht abgeblitzt ist. So, sagt die 31-Jährige, die den Protestmarsch und das Protestzelt auf dem Bayreuther Marktplatz mitorganisiert hat, geht es hier vielen. Warum das Verwaltungsgericht ihrer Klage abgewiesen hat? Warum sie also nicht bleiben darf? Das weiß sie nicht. Sie weiß nur, dass sie Deutschland irgendwann wieder verlassen muss. „Ich kann nicht zurück nach Äthiopien“, sagt sie. Ihr Vater ist tot, ihre Familie in alle Wind zerstreut, ihr Land liegt danieder. „Mein Leben ist kaputt“, sagt die 31-Jährige. Und lächelt trotzdem.

Die Vorwürfe, die die Flüchtlinge bei ihrer Demonstration erheben, wiegen schwer: So gut wie alle Klagen gegen die Ablehnung von Asylgesuchen habe das Bayreuther Verwaltungsgericht abgewiesen. Und dabei Tatsachen außer Acht gelassen, Entscheidungen auf der Grundlage von Mutmaßungen getroffen. Auf einem Transparent, das Selam Fikre mit anderen Frauen durch die Innenstadt trägt, steht es in roter Schrift: „Wir fordern die Überprüfung unserer Akten am Verwaltungsgericht Bayreuth.“ Und mehr noch: Anerkannt wollen sie werden und integriert. Weg mit der Residenzpflicht. Asylrecht ist Menschenrecht. „Wir wollen Gerechtigkeit. Bleiberecht ist überall.“

Diesmal sind sie nicht zu überhören und nicht zu übersehen. Mit ihrer Demonstration machen die Flüchtlinge Eindruck. Nicht alle am Straßenrand finden gut, was sie da sehen. „Sollen sie doch zurückgehen in ihr Land“, sagt einer.

Ankunft vor dem Verwaltungsgericht. Die Flüchtlinge rufen immer lauter. Etwas abseits steht Gerd Lederer, der Vizepräsident des Verwaltungsgerichtes. „Ich bin da, falls jemand eine Resolution oder etwas Ähnliches übergeben will“, sagt er. Ob das stimmt, was die Flüchtlinge sagen? Ob das Verwaltungsgericht Fakten außer Acht gelassen hat? „Das kann man so wirklich nicht sagen“, sagt Lederer. „Im Gegenteil.“ Die Richter hätten die Klagen der Flüchtlinge sehr genau geprüft – „vielleicht zu genau für den Geschmack der Menschen, die hier demonstrieren.“ Will heißen: Das Verwaltungsgericht weist die Vorwürfe der Flüchtlinge zurück.

Viel mehr als auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren und mit einem Protestzelt auf dem Marktplatz auf sich aufmerksam zu machen, bleibt den Flüchtlingen eignen Worten nach nicht. Viele von ihnen dürfen nicht arbeiten, auch so ein Hindernis, vor dem Asylbewerber stehen. Sie können kein Geld verdienen. Doch genau das würden sie jetzt gerade dringend brauchen. Die Entscheidungen des Bayreuther Verwaltungsgerichtes vor der nächsthöheren juristischen Instanz prüfen zu lassen, das geht nun mal ohne Geld nicht. Prozesskostenhilfe wird ihnen nicht gewährt.

So rufen sie also an diesem heißen Vormittag laut hinaus, dass sie sich integrieren wollen. Dass sie immer noch auf Asyl hoffen. Dass sie sich nach dem, was für sie Gerechtigkeit ist, sehnen. Seit Anfang Juni schon läuft ihr Protest. Jeden Tag und jede Nacht stehen sie an ihrem Protestzelt gleich neben dem Finanzamt. Selam Fikre weiß ganz genau, wie viele Bayreuther die Flüchtlinge mit ihren Unterschriften bereits unterstützt haben. Es sind 1405. Auf Facebook hat die Aktion Flüchtlingsstreik Oberfranken noch einmal über 400 Unterstützer.

Vielleicht aber verschwindet der Flüchtlingsprotest ganz leise wieder aus dem Stadtbild. Die Fußball-Weltmeisterschaft steht bevor und das Public Viewing am Ehrenhof. Nur ein paar Meter vom Protestzelt entfernt. Die Flüchtlinge haben Angst, dass es zu Auseinandersetzungen kommen könnte. „Dass man unsere Unterschriftenlisten zerstört“, sagt Selam Fikre. Ihr größtes und einzig Kapital. Also werden die Flüchtlinge während der WM, die doch eigentlich die Welt verbinden soll, leise treten. Ob sie danach wieder kommen, das sei noch nicht entschieden.

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