Architektur-Serie Im Schatten Wahnfrieds: Franz-Liszt-Museum und Wohnhaus Richard Wagners im Vergleich

Von Gordian Beck

Wie das Jean-Paul-Museum ist auch das Franz-Liszt-Museum in einem von Carl Wölfel errichteten Gebäude untergebracht. Ein einfaches Bauwerk aus der Gründerzeit, das in günstigem roten Ziegel gehalten ist. Fast schon unscheinbar: das Franz-Liszt-Museum im Vergleich zum benachbarten Wohnhaus Richard Wagners. In der Reihe "Architektur" nimmt der Kurier beide Gebäude unter die Lupe.

 
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Die Straße eint sie. Der Architekt und Baumeister ebenfalls. Darüber hinaus gibt es wenig, was das Haus in der Wahnfriedstraße 9 – hier ist heute das Franz-Liszt-Museum Bayreuth untergebracht – mit der mondänen Villa, dem weltbekannten Haus Wahnfried gemeinsam hat. Genau genommen nur noch die Zweigeschossigkeit der beiden Gebäude sowie das in der Gründerzeit weit verbreitete Walmdach.

Erstaunlich ist, wie problemlos sich das problembehaftete Verhältnis Liszt – Wagner sowie der Umgang mit den beiden Musiktitanen an diesen zwei Gebäuden festmachen lässt. Das beginnt schon bei Äußerlichkeiten: Das Haus Wahnfried, errichtet in den Jahren 1873 und 1874, ist ein Sandsteinbau, das Haus in der Wahnfriedstraße 9 – Johann Carl Wölfel erbaute es 1877 – besteht aus roten Ziegeln oder anders ausgedrückt, aus Bayreuther „Backstaa“. Ein konventionelles, besseres Mietshaus. Ein einfacher Risalit gibt der Fassade zur Lisztstraße hin ein Gesicht. Haus Wahnfried hingegen schmückt ein Sgraffito.

Ähnlich verhält es sich mit den dazugehörigen Gärten: Hier die Parkanlage des Hauses Wahnfried, dort der liebevoll ausgestaltete Westentaschenpark des Franz-Liszt-Hauses, dessen Prunkstück ein prachtvoller Apfelbaum ist. Oder der Zugang zu den beiden Bauten: Hier eine Zufahrtsallee mit Rondell, dort eine zehnstufige Treppe ins Hochparterre.

Das Franz-Liszt-Museum besteht aus der umfunktionierten Wohnung Franz Liszts, wenngleich nicht im Originalzustand. Einige Modifikationen, wie einige Mauerdurchbrüche etwa, geben ihr heute ein anderes Aussehen. Ausgangspunkt einer jeden Besichtigung ist der Tresen im Flur, von dort geht es in einem Rundgang durch die verschiedenen Räumlichkeiten, sagt Sven Friedrich, der Direktor des Franz-Liszt-Museums. 1993 wurde es eröffnet und harrt nun ebenfalls einer Neugestaltung: „Dieses Museum gibt es so seit mehr als zwanzig Jahren und damit ist eine Museumsgeneration definitiv durch.“ Nach der Umgestaltung des Jean-Paul-Museums und dem Neubau des Richard-Wagner-Museums sei das Franz-Liszt-Museum als nächstes dran, sagt Friedrich.

Manches sei dringend renovierungsbedürftig, etwa das stark abgenutzte Schiffsbodenparkett. Das Abschleifen und anschließende Einlassen des Bodens sei aber nur das eine. Das andere sei, dass dafür das ganze Museum ausgeräumt werden müsse. Und dann stelle sich die Frage, „ob man es dann nicht gleich neu aufstellt, neu konzipiert“. Vielleicht sogar über zwei Etagen, wenngleich dies laut Friedrich mit Sicherheit erst mittel- bis langfristig möglich sei. „Momentan sind die Räumlichkeiten dort vermietet und das wird auch noch eine Zeit lang so bleiben.“

Dennoch, ein Franz-Liszt-Museum sollte es in Bayreuth weiterhin geben, findet Museumsdirektor Friedrich: „Franz Liszt ist der berühmteste und bekannteste Künstler des 19. Jahrhunderts überhaupt gewesen und in Bayreuth gestorben. Allein das würde ein Museum in Bayreuth legitimieren. Auch wenn Liszt hier zugegebenermaßen vergleichsweise wenige Tage zugebracht hat. Andererseits wäre Wagner ohne Liszts Unterstützung nie nach Bayreuth gekommen.“ Gründe für ein Museum gebe es also genug, wenngleich Liszt in Weimar oder Budapest natürlich einen anderen Stellenwert als in Bayreuth habe.

Eine Tatsache, die sich eben kurioserweise auch an der Architektur der beiden Gebäude ablesen lässt, die Wagner, beziehungsweise Liszt, unabhängig von der heutigen Sichtweise einst bewohnten. Hier der stolze Hausbesitzer Richard Wagner, dort der eingemietete Franz Liszt. Dass Wagner „in ewiger Bringschuld“ – so drückte dies Nike Wagner unlängst in einem Interview aus – seinem Förderer und Unterstützer Liszt verbunden ist, lässt sich an den beiden Gebäuden indes nicht festmachen.


Das sagt der Experte, Hans-Dieter Striedl, Bauingenieur und seit Juni 2011 Baureferent der Stadt Bayreuth:

Ein großer Tisch ist für das Studium von Bauplänen nicht unbedingt erforderlich, jedoch von Vorteil. Speziell dann, wenn der Bauplan aufgrund seines Alters nur noch in Einzelteilen vorhanden ist. So wie der Konstruktionszeichnung für das Haus in der Wahnfriedstraße 9. „Fast schon wie ein Puzzle“, sagt Hans-Dieter Striedl, während er den auf starken Karton gezeichneten Bauplan zusammensetzt. Aus der dazu gehörigen Bauakte geht hervor, dass der Antrag auf Baugenehmigung am 4. Dezember 1876 einging und angesichts der Tatsache, dass das Grundstück „im Miedelschen Peunt am Rennweg, einer Seitenstraße gegen den königlichen Hofgarten“ dem Antragsteller selbst gehörte, ohne Einwand durchgewunken wurde. Augenfällige Besonderheiten hat dieses „Doppelwohnhaus“ nicht, wenn man einmal davon absieht, dass das Dach – ein so genanntes Walmdach – sehr flach gehalten ist.

1933 wurde dann, so weist es die Bauakte aus, auf dem Grundstück noch eine einfache Holzlege, also eine Art Schuppen für Brennholz, errichtet. 1945 bekam das Haus einen Bombentreffer ab – der damalige Besitzer, Freiherr Gottlieb Wilhelm Ebner von Eschenbach, berichtet von beträchtlichen Schäden, verbunden mit dem Gesuch, das Haus wieder „bewohnbar und winterfest“ machen zu dürfen. Der Antrag hierfür sei deshalb interessant, weil von Eschenbach zusätzlich „abgefragt wurde, ob er Mitglied der NSDAP, der SS gewesen sei und welche Auszeichnungen er im dritten Reich erhalten habe“, sagt Striedl, Offenbar gab es hier keine größeren Beanstandungen. Doch komplikationsfrei verlief der Wiederaufbau des Hauses offensichtlich nicht, denn von Eschenbach musste – auch das geht aus der Bauakte hervor – mehrmals intervenieren, um das beantragte und zugewiesene Baumaterial zu erhalten. Anfang der 90er Jahre, sagt Striedl, sei das Haus dann in den Besitz der Stadt übergegangen. Seit 1993 dienen die Räumlichkeiten des Hochparterres der Präsentation der 1988 von der Stadt Bayreuth erworbenen Liszt-Sammlung des Münchner Pianisten Ernst Burger.

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