Angst vor Einsamkeit Eckersdorf: So leben Senioren im betreuten Wohnen miteinander

Von Heike Hampl
Elfriede Hauenstein, Brigitte Natzi und Renate Will (von links) beim gemeinsamen Frühstück. Ein Vorfall wie der in Pegnitz, bei dem eine Frau vier Tage lang tot in ihrer Wohnung lag, macht sie nachdenklich. Aber sie sagen: „Wir fühlen uns sicher“. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Eine Frau stirbt in ihrer Wohnung im betreuten Wohnen in Pegnitz. Vier Tage dauert es, bis man ihre Leiche findet. Es ist der Alptraum vieler Senioren. Zu sterben, einsam und unbemerkt. Drei Frauen, die in Eckersdorf im betreuten Wohnen leben, erzählen von ihren Ängsten und ihren Hoffnungen. Und davon, was sich nach dem Vorfall in Pegnitz für sie verändert hat.

 
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Eines Nachts ist da dieses Klopfen. Eine Nachbarin ist aus dem Bett gefallen. Verzweifelt hämmert sie mit dem Rollator gegen die Wand. Der Notruf-Knopf, der Hilfe brächte, hängt an der Wand. Doch die Frau kann nicht aufstehen. Es sind die aufmerksamen Nachbarn im betreuten Wohnen der Diakonie in Eckerdorf, die der Frau am Ende helfen.

Eine Frau, die weiß, wie man anpackt

Brigitte Natzi hat in dieser Nacht mit angepackt, hat die Nachbarin aufgehoben. Die 77-Jährige ist fit, hat Kraft. In ihrer Wohnung schlägt sie Nägel in die Wand, bohrt Löcher für Schrauben vor. Natzi weiß, wie man anpackt. Früher hatte sie mit ihrem Mann eine Bäckerei in Eckersdorf. Das große Haus samt Laden hat sie vor sieben Jahren aufgegeben. „Es war mir zu groß und gruselig geworden.“

Was ist, wenn was passiert?

Obwohl es ihr körperlich gutgeht, war auch Brigitte Natzi lange unsicher. Was ist, wenn mir etwas passiert? Vor drei Wochen hat sich das geändert. Die Diakonie hat ein neues Notruf-System eingerichtet. Die Senioren, die im betreuten Wohnen leben, haben nun alle eine Kette oder ein Armband mit einem Druckknopf. Damit können sie im Notfall direkt beim Roten Kreuz anrufen und Hilfe holen. Der Knopf ist in den 60 Euro Betreuungspauschale im Monat inbegriffen. Jeder kann einen solchen Knopf beantragen, auch, wenn er noch zu Hause wohnt. Rund 600 solcher Notruf-Knöpfe gibt es in der Region. Auch im Pegnitzer Brigittenpark denken die Verantwortlichen nun über dieses System nach.

Nach Pegnitz: vorsichtiger

„Seit der Sache in Pegnitz hänge ich meinen Knopf beim Duschen um. Und jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe“, sagt Elfriede Hauenstein. Sie hat aus der Zeitung von dem Vorfall erfahren. Die Geschichte war schnell Gesprächsthema im Haus. Die 84-Jährige lebt seit fünf Jahren im betreuten Wohnen in Eckersdorf. Auch andere Bewohner sind seit dem Vorfall in Pegnitz vorsichtiger, tragen den Knopf öfter.

Sie fühlen sich sicher

Geschichten wie die aus Pegnitz stimmen die Senioren nachdenklich. „Die Kinder sind erwachsen, haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Sorgen. Die rufen nicht täglich an“, sagt Hauenstein. In Eckerdorf fühlt sie sich aber sicher. „Wir merken hier, wenn mit jemandem was nicht stimmt.“

Jeden Morgen tritt Elfriede Hauenstein auf den Balkon. Guckt, ob die Nachbarn die Rollläden hochgezogen haben. Brigitte Natzi übernimmt die vordere Hausseite. Was für Außenstehende nach der Neugierde älterer Damen aussieht, ist Fürsorge. Denn für alle hier ist die Vorstellung, tagelang tot oder verletzt in der eigenen Wohnung zu liegen, ein Alptraum. „Hier in unserem Haus fühle ich mich sicher“, sagt Brigitte Natzi.

Gutes soziales Netz

Die Senioren sind gut vernetzt. Es gibt Spielenachmittage, einen Freundeskreis, der regelmäßig Veranstaltungen organisiert. „Freilich gibt es auch Bewohner, die mit all dem nichts zu tun haben wollen“, sagt Renate Will vom Freundeskreis. Die 76-Jährige lebt schon seit 15 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann im betreuten Wohnen in Eckersdorf. Nur, weil man älter ist, heißt das nicht, dass man dauernd Menschen um sich haben will. „Viele wollen einfach ihre Ruhe“, sagt Will. Dabei geht es den drei umtriebigen Frauen manchmal nicht anders. „Ab sechs Uhr abends brauche ich keinen mehr, da will ich mich in meinen Sessel setzen“, sagt Elfriede Hauenstein.

Regeln, wie in jeder Gemeinschaft

Im betreuten Wohnen in Eckersdorf leben 46 Menschen, davon drei Ehepaare. Die meisten, die alleine hier sind, sind Frauen. Der Zweite Weltkrieg und die Tatsache, dass Frauen älter werden, wirken sich aus. Integration müssen neue Bewohner oft lernen. „Wenn eine neue Nachbarin kommt und sich erst mal nicht anpasst, ist es schwierig“, sagt Will. Es dauert, bis Neue ankommen. Bis sie die Regeln lernen – wie in jeder Gemeinschaft.

Vielen fällt das am Anfang schwer. „Ich habe eine große Wohnung in Nürnberg aufgegeben, lebe hier auf 40 Quadratmetern. Das war am Anfang manchmal schlimm“, sagt Elfriede Hauenstein. Auch sie musste die neue Umgebung erst einschätzen, sich einfügen. Bereut hat sie den Schritt keine Sekunde.

Das lohnt sich, sagen die drei Frauen. Weil es die Angst vertreibt, irgendwann vier Tage lang da zu liegen – einsam und tot.

Info: Beim betreuten Wohnen können Menschen Leistungen buchen, zum Beispiel, wenn sie sich nicht mehr waschen können. Jede Leistung kostet extra Geld. In der Betreuungspauschale sind aber einige Dinge enthalten, bei der Diakonie in Eckersdorf etwa der Notruf-Knopf.