Altersarmut in Bayreuth steigt stark

Von Peter Rauscher
Mit Plakaten macht der Sozialverband VdK gegen die von ihm befürchtete Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich mobil (von links): Kreisgeschäftsführer Christian Hartmann, stellvertretender Kreisvorsitzender Hans-Dieter Friedrich, Bundesvorstandsmitglied Michaela Ziegler und Kreisvorsitzender Christoph Rabenstein. Foto: Peter Rauscher Foto: red

In Bayreuth nimmt die Altersarmut stark zu. Die Zahl der Frauen, die Grundsicherung im Alter beziehen, ist in der Stadt in den vergangenen zehn Jahren um rund 50 Prozent gestiegen, die Zahl der Männer mit Grundsicherung hat sich sogar verdoppelt. „Der Wirtschaftsaufschwung geht an den Schwächsten vorbei“, sagte der Vorsitzende des VdK-Kreisverbandes, Christoph Rabenstein, bei einem Pressegespräch in Bayreuth.

 
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Eine der Frauen, die Grundsicherung beziehen, ist eine 70-jährige Bayreutherin, die ihren Namen nicht veröffentlicht haben will. Sie habe immer gearbeitet, sagt sie: Bei Grundig und früher bei Hertie, einige Jahre sei sie in den USA verheiratet gewesen, habe zwei Kinder erzogen. Nun müsse sie mit 689 Euro Rente plus 150 Euro Grundsicherung auskommen. Fast 500 Euro gibt sie für Miete, Strom und Internet aus. „Ich fühle mich nicht arm, ich habe ein Dach über dem Kopf,“ sagt sie. Sie komme mit ihrem Geld aus, „ob ich ein Schnitzel esse oder eine Brotsuppe, ist mir egal“. Ein Steak sei Luxus. Aber sie habe zehn Enkelkinder, „denen will ich was geben können, und dafür muss ich sparen“. Wenn der Fernseher mal kaputt sei, dann schaue sie einfach nicht mehr fern. „Aber wenn der Kühlschrank kaputt ist und repariert werden muss, dann kann das nicht warten. Solche unvorhergesehenen Ausgaben sind hart für mich.“

Man muss in Würde altern können

Für Rabenstein und den Sozialverband VdK ist das ein Fall, den es nicht geben dürfte. „Es ist nicht einzusehen, dass man im reichen Bayern nicht in Würde altern kann. Dazu gehört mehr als essen und trinken, dazu gehört auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, sagt er.

Rabenstein präsentiert viele Zahlen, die zeigen sollen, dass die Ärmsten gerade in der Region am Aufschwung nicht teilhaben. Die Armutsquote in Oberfranken Ost lag 2015 nach seinen Worten bei 18,3 Prozent, der zweithöchste Wert in Bayern nach Mittelfranken. Die Quote gibt an, wie viele Menschen über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. Mit Blick auf die hohe Zahl von Frauen mit Grundsicherung sagt Rabenstein: „Die Altersarmut nimmt zu und ist weiblich.“ Früher seien viele Frauen nicht zur Arbeit gegangen, hätten Kinder erzogen und erhielten nur wenig Rente. Zusätzlich seien vor allem Alleinerziehende, aber auch Behinderte und Menschen mit niedriger Qualifikation von Altersarmut bedroht.

35 Jahre arbeiten für die Grundsicherung

VdK-Kreisgeschäftsführer Christian Hartmann sagt, in den 13 Jahren seiner Arbeit für den Sozialverband, dem im Kreis Bayreuth mit steigender Tendenz rund 12 000 Mitglieder angehören, habe der Beratungsbedarf ständig zugenommen. Armut drohe im Alter auch vielen mit einer Erwerbsminderungsrente: Diese liege in Oberfranken im Durchschnitt bei netto 747 Euro für Frauen und 774 Euro für Männer. Bei einem Grundsicherungsniveau von rund 790 Euro sei klar, dass viele Empfänger dieser Rente unter der Schwelle liegen. „Auch wenn die Konjunktur wie jetzt gut läuft: Mit gesundheitlichen Einschränkungen finden Sie ab einem gewissen Alter keine angemessene Arbeit mehr“, sagt Hartmann. Mit einem Einkommen von 2500 Euro müsse man derzeit 35 Jahre lang arbeiten, um auf eine Rente mit Grundsicherungsniveau zu kommen.

Der VdK hat vor der Bundestagswahl im Herbst eine Kampagne gestartet, um Altersarmut zu bekämpfen. Seine Forderungen:

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Minijobs und Zeitarbeit müssen eingedämmt werden.

Langjährige Beitragszahler in die Rentenversicherung müssen deutlich mehr als die Grundsicherung erhalten.

Es braucht mehr Sozialwohnungen.

Langzeitarbeitslose müssen besser eingegliedert werden.

Die Grundsicherung muss an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden.

Das Rentenniveau darf nicht weiter sinken.

Die Kluft zwischen Arm und Reich darf nicht größer werden.

Mütterrenten sollen grundsätzlich für drei Jahre gezahlt werden.

Mehr Mütterrente würde der 70-jährigen Bayreutherin allerdings keinen Cent mehr in die Tasche bringen. Denn schon bei der letzten Erhöhung vor ein paar Jahren hat sie gemerkt: Jeder Euro mehr Mütterrente wird ihr von der Grundsicherung wieder abgezogen.

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