Alle drei überlebenden Tiere haben ein neues Zuhause gefunden Plech: So geht es den Hunden nach der Rettung

Von Martina Bay
Die Hunde und ihre neuen Besitzer (von links): Kaja mit Karin Friedel, Dolf und Michael Mader, Scarlett mit Petra Hillebrand. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Unterernährt, verdreckt, schlecht behandelt: Vor einem halben Jahr kamen fünf verwahrloste Hunde aus Plech ins Tierheim Bayreuth. Die Besitzer hatten sie auf ihrer Flucht vor dem Gerichtsvollzieher zurückgelassen (der Kurier berichtete). Zwei überlebten die Strapazen nicht. Die anderen drei Hunde leben mittlerweile bei neuen Besitzern.

 
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Ihr Fell ist mittlerweile weiß und glänzt. Im vergangenen Jahr war es stark verklebt mit Dreck und Kot, der Betäubungspfeil des Tierarztes prallte bei der Rettung der Hunde ab. Ihre neuen Besitzer kümmern sich hingebungsvoll. Aber die vergangenen Erlebnisse haben bei den Hunden Spuren hinterlassen. Eine Typologie.

Die Ängstliche
Bevor Kaja zu Karin Friedel kam, lebte sie nur im Haus. „Sie hat überhaupt nichts gekannt“, sagt Friedel. Das Staubsaugergeräusch erschreckte sie, ein Auto hatte sie bis dahin noch nie gesehen. Wenn sie die Treppe hinunterlief, knallte sie jedes Mal nach der letzten Stufe mit dem Kopf gegen die Wand, weil sie die Abstände nicht einschätzen konnte. Lief Friedel mit der Küchenrolle an ihr vorbei, duckte Kaja sich weg. „Sie muss Schläge bekommen haben, sie hatte vor allem Angst“, sagt Friedel.

Die gelernte Krankenschwester hatte das Schicksal der Hunde in der Zeitung verfolgt. „Ich kriege einen Hass auf die Leute, wenn man sieht, was aus den Hunden geworden ist.“ Kaja ist ein rumänischer Hirtenhund, ein sogenannter Mioritic. 45 Kilogramm schwer, mit Pranken wie ein Bär. Sie geht auf die Leute zu, wedelt mit dem Schwanz. Das sah vor sechs Monaten noch ganz anders aus, als sie aus dem Haus ihrer früheren Besitzer befreit wurde und ins Tierheim Bayreuth kam.

Kaja ließ sich am Anfang von niemandem anfassen. Auch nicht von Friedel

Zwei Wochen besuchte Friedel sie dort jeden Tag. Sie setzte sich in den Zwinger von Kaja, die damals noch Piroschka hieß, und wartete. Wenn Friedel sich ihr näherte, wich sie zurück. Die 52-Jährige sang ihr vor. „Damit sie sich an meine Stimme gewöhnt.“ Von Tag zu Tag rückte sie ein Stückchen näher, bis Kaja sich irgendwann anfassen ließ.

Mit traumatisierten Hunden hat Karin Friedel Erfahrung. Drei Hunde hat sie schon. Einer lag im Müllcontainer, der andere kam aus einer Tötungsstation in Zypern, der dritte ist ein rumänischer Straßenhund. „Ich kaufe keine Hunde beim Züchter. Es gibt so viele, die jemanden brauchen.“ Das schönste Erlebnis mit Kaja hatte Friedel an den Weihnachtsfeiertagen. Als Friedel schon im Bett lag, stupste Kaja die Zimmertür auf und legte sich zu ihr. „Ich hätte heulen können. Das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk.“

Der Entspannte
„Neben dem kannst du eine Rakete starten und der bleibt ruhig liegen“, sagt Michael Mader über Dolf. Dolf ist ein Pyrenäenberghund, wiegt 60 Kilogramm und ist durch seine Größe eine imposante Erscheinung. Von kleinen Hunden lässt sich der Rüde gar nichts sagen. Vor allem nicht von dem kleinen Pekinesen, der Maders Freundin gehört. Stellt der sich Dolf kläffend in den Weg, nimmt er ihn einfach in sein Maul und hebt ihn zur Seite.

Dolf denkt nur ans Essen

1,5 Kilogramm Fleisch verputzt Dolf am Tag. „Ein richtiger Vielfraß“, sagt Mader. Durch Maders Freundin ist der 47-Jährige erst auf den Hund gekommen. Sie war nämlich mit der sportlichen Fitness ihres Freundes überhaupt nicht zufrieden. „Jetzt kriegst du einen großen Hund, damit du dich mehr bewegst“, sagte sie zu ihm. Und so war Dolf plötzlich da.

Zweimal am Tag geht Mader, der selbständig ist, mit Dolf spazieren. Dass der Hund aus einer schlechten Hundehaltung kommt, merke man ihm nicht an, sagt Mader. Nur im Schlaf. Da liegt Dolf zappelnd am Boden, während er mit seinen Pfoten Tisch und Sofa verschiebt. „Richtige Albträume müssen das sein“, sagt Mader.

Über einen 1,50 Meter hohen Zaun springen: Kein Problem für Dolf

Wenn Dolf nicht gerade bei Mader zu Hause faul herumliegt und sich unbeobachtet fühlt, büchst er am liebsten alleine aus. Dann springt er über den 1,50 Meter hohen Zaun und schaut sich seine neue Umgebung an. In seinem alten Zuhause kannte er nämlich nur das Haus und den kleinen Garten. „Einmal habe ich die ganze Nacht Bayreuth abgesucht. Sogar die Polizei habe ich gerufen“, sagt Mader. Dolf war gar nicht so weit weg. Er wartete vor der Haustür von Maders Freundin.

Die Dominante
Scarlett knurrt und bellt, wenn ihr andere Hunde zu nahe rücken. Und sie knurrt und bellt noch mehr, wenn sich die Hunde in der Nähe ihrer neuen Besitzerin aufhalten. Da verteidigt sie, was ihr gehört. In dem Fall Petra Hillebrand. „Ich bin eben ihr Frauchen“, sagt Hillebrand.

Geduldig und streng muss man mit Scarlett sein

Für die gebürtige Südtirolerin, war es „Liebe auf den ersten Blick“, als sie Scarlett zum ersten Mal im Tierheim sah. Die 45-Jährige legte ihre Hand flach ans Gitter des Zwingers. Scarlett hörte auf zu bellen und ließ sich durch das Gitter streicheln. „Man braucht viel Geduld mit ihr, aber auch Strenge. Als Person muss man ruhig und bestimmt sein“, sagt Hillebrand.

Hält jemand einen Gegenstand oder einen Stock in der Hand, schreckt Scarlett zurück. „Wenn ich ein Stöckchen schmeiße, weiß sie noch nicht so recht, was sie damit anfangen soll.“ Es habe lange gebraucht, bis Scarlett einigermaßen freiwillig in den Kofferraum des Autos gestiegen sei.

Dass Scarlett das Fell gebürstet wird, kannte sie vorher nicht

Wenn fremde Menschen zu Besuch kommen, nimmt Hillebrand Scarlett an die Leine. „Da ist sie erst einmal skeptisch“, sagt Hillebrand. Was sie dagegen liebt, ist das Bürsten und Streicheln. Das kannte sie von früher überhaupt nicht. Dann streckt sie alle Viere von sich und lässt sich so lange verwöhnen, bis sie keine Lust mehr hat. Im Griff hat Scarlett Hillebrand allemal.

Zu einer Reportage mit Bildern und Videos aus dem Tierheim Bayreuth geht es hier.

Bilder