Adventsserie: Was sich Sterbende wünschen und was wir daraus lernen können Der letzte Wunsch: Seelenfrieden

Von Sarah Bernhard
Seit zehn Jahren betreut Jutta Holighaus Schwerstkranke und Sterbende. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Bis Weihnachten sprechen wir jeden Tag mit Menschen aus Bayreuth und der Region über ein Zitat aus der Bibel. Heute mit Jutta Holighaus, die seit zehn Jahren Kranke und Sterbende auf ihrem letzten Weg begleitet. Und weiß, was hilft, damit wir am Ende unseres Lebens in Frieden gehen können.

 
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Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. Lukas 2,29

In unserem heutigen Bibelzitat von Pfarrer Otto Guggemos geht es um Simeon, der vor seinem Tod unbedingt noch den Heiland sehen möchte. Jutta Holighaus (52) gehört zum mobilen Palliativteam, das seit Januar Schwerstkranke und Sterbende zu Hause begleitet. Mit ihr sprechen wir darüber, was sich die Menschen in der Region am Ende ihres Lebens wünschen.

Frau Holighaus, nachdem Simeon Jesus auf dem Arm hatte, kann er in Frieden gehen, er ist mit sich und der Welt im Reinen. Ist dieser Zustand bei den Sterbenden, die sie begleiten, die Regel oder hadern sie mit dem Tod?

Jutta Holighaus: Ich glaube, die meisten wünschen sich, mit ihrem Leben und ihren Beziehungen in Frieden zu kommen. Häufig ist das möglich, aber nicht immer. Manchmal fehlt auch einfach die Zeit, weil der Krankheitsverlauf schneller war als sie gedacht hatten. Dann bleibt auch mal etwas offen.

Sind es ungewöhnliche Wünsche, die die Sterbenden äußern?

Holighaus: Ich kann mich an keinen ungewöhnlichen Wunsch erinnern. Es gibt oft eine Zeit des Lebensrückblicks, während der Sterbende bestimmte Menschen oder Orte noch einmal sehen wollen, die für sie eine besondere Bedeutung hatten. Oder sie möchten sich endlich einen schon lange gehegten Traum erfüllen. Menschen, die in der Lebensmitte versterben, haben wie die meisten anderen Menschen auch den Wunsch, mit dem Partner alt zu werden, die Geburt der Enkel zu erleben, oder dass die Kinder selbstständig werden. Gerade diese Wünsche werden dann voraussichtlich nicht in Erfüllung gehen.

Macht Sie das traurig?

Holighaus: Ich bin oft darüber betroffen, was für diesen Menschen nicht mehr möglich sein wird. Mich selbst motiviert es dazu, mich häufiger im Leben zu fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Wofür will ich heute meine Lebenszeit und Kraft einsetzen? Ich persönlich wünsche mir, mehr im Jetzt zu leben, gegenwärtig zu sein in dem was ist, was ich fühle, denke und tue.

Sie begleiten seit zehn Jahren Sterbende. Haben sich die letzten Wünsche der Menschen in dieser Zeit verändert?

Holighaus: Ich glaube, die wirklich existentiellen Bedürfnisse sind heute nicht anders als früher. Zu diesen Bedürfnissen gehört, in Würde zu sterben. Also ohne Schmerzen oder sonstige schwere Symptome wie etwa Luftnot. Darüber hinaus wünschen sich auch viele Menschen, dort sterben zu können, wo sie gelebt haben: zu Hause.

Deshalb gibt es jetzt ja das mobile Palliativteam.

Holighaus: Ja, wir unterstützen die Hausärzte bei der Versorgung und stehen 24 Stunden für Notsituationen zur Verfügung. Aber nicht alle wünschen sich das vertraute Umfeld, einige wollen lieber in eine stationäre Einrichtung. Gut, dass es in Bayreuth so viele Möglichkeiten gibt.

Spielt Religion heute noch eine Rolle?

Holighaus: Für Menschen, die im Leben einen Bezug zum Glauben hatten, ist er meist auch im Sterben wichtig. Manche fragen aber auch erst in der Auseinandersetzung mit dem Sterben, ob das Leben hier alles war, oder ob es ein „Danach“ gibt. Weil sich auch die Religion mit solchen Fragen befasst, spielt sie nicht selten auf dem letzten Lebensweg doch noch eine wichtige Rolle.

Manchmal äußern Sterbende Wünsche, die schwierig zu erfüllen sind, zum Beispiel: Verkauf das Haus nicht. Was raten Sie den Angehörigen?

Holighaus: Wünsche sind Wünsche das heißt, der an den sie gerichtet sind, hat die Freiheit ja oder nein zu sagen. Insofern ist es gut, ehrlich miteinander umzugehen, sagen zu können, ob oder warum es schwierig ist, diesem Wunsch nachzukommen. Denn was nützt es dem Angehörigen, wenn er zusagt, einen Wunsch zu erfüllen, und es dann doch nicht einhalten kann? Dann hat er im schlimmsten Fall lange Zeit ein schlechtes Gewissen. Oder er verbiegt sich und lebt nicht das, was er selbst gerne leben möchte. Vermutlich würden die meisten Verstorbenen das nicht wollen.

 

 

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