Marc Almond (Soft Cell), einer von Walkers treuesten Gefolgsleuten, schrieb "traurig und schockiert": "Er gab mir so viel Inspiration, ich schulde ihm so viel."
Als der gutaussehende junge Sänger mit seinen "Brüdern" John Maus und Gary Leeds vor 55 Jahren zum Teenie-Idol wurde, schien der Weg zu dauerhaftem Ruhm vorgezeichnet. Das Potenzial der Walker Brothers war mit den Hits noch nicht ausgeschöpft - was sich Mitte und Ende der 70er, bei einem Comeback des Trios mit drei mutigen, weniger erfolgreichen Alben, dann auch bestätigte.
Inzwischen hatte Walker, der britischen Fan-Hysterie überdrüssig, längst das Ruder herumgeworfen. Das Wunderwerk der vier Alben "Scott" bis "Scott 4" (1967 bis 1969) dürfte heute noch jeden ergreifen, der ein Gespür für große, ambitionierte Popmusik hat. Walker zollte hier in gewaltigen Arrangements Vorbildern wie dem belgischen Chansonnier Jacques Brel ("Mathilde", "Amsterdam") Tribut, aber auch Songschreibern wie Burt Bacharach ("Windows Of The World") oder Tim Hardin ("Black Sheep Boy").
Vor allem aber präsentierte sich der von Frank Sinatra und Phil Spector beeinflusste Mittzwanziger zu dieser Zeit selbst als Songwriter der Extraklasse. Denn überwiegend waren die vier frühen Walker-Alben mit eigenen Liedern bestückt, die den Geist seiner Helden stilsicher aufnahmen. Von "Montague Terrace (In Blue)" auf dem Solodebüt bis zu "Rhymes Of Goodbye", dem letzten Stück auf "Scott 4", leistet er sich keinen Fehltritt.
Obwohl die Alben teilweise noch die Top Ten der britischen Charts erreichten ("Scott 2" sogar Platz 1), war das Publikum von so viel kreativer Wucht und Eigenständigkeit zunehmend überfordert. In den 70er Jahren verlegte sich Walker auf einige leichtgängige (Flop-)Alben mit Coverversionen - und auf besagte Reunion der Walker Brothers. Sein schwieriges Solowerk "Climate Of Hunter" (1983), so hieß es, sei das am schwächsten verkaufte Album des Labels Virgin gewesen.
Ein unwillkommener Rekord - denn Walker haderte bisweilen durchaus mit seinem Avantgardisten-Status. "Ich bin zum Orson Welles der Musikindustrie geworden", sagte er 1995, beim erneuten Comeback, der Zeitung "The Independent". "Man will mit mir Mittagessen, aber niemand will den Film finanzieren."
Walkers Musik, die es zu finanzieren galt, war allerdings auch oft nicht leicht verdaulich. Gewöhnungsbedürftig war etwa der schroffe Sound von "The Drift" (2006), den seine Band teilweise mit Hieben auf Schweinehälften erzeugte. So blieb Scott Walker, der kaum Interviews gab und sich in der Öffentlichkeit rar machte, während seiner späten Karrierejahre ein Künstler für Kenner und ein Kritikerliebling. Freilich mit einer legendären Vergangenheit als Komponist einiger der anmutigsten, berührendsten Melodien der Pophistorie.