2013 bekam die Stadt für einen Bürger 670 Euro vom Freistaat Bayreuth klagt nicht gegen den Zensus - obwohl 476 Bürger fehlen

Von Tobias Köpplinger
Zuletzt wurden die Deutschen 2011 gezählt. Jetzt klagen viele Kommunen gegen diesen Zensus.Symbolfoto: dpa Foto: red

Viele bayerische Städte wollen gegen die Volkszählung von 2011 klagen. Grund: das Verfahren sei nicht transparent und nachvollziehbar. Das widerspricht dem Recht auf kommunale Selbstbestimmung. In Bayreuth sieht man den Zensus entspannt. Der Bevölkerungsrückgang sei moderat, mit finanziellen Einbrüchen sei nicht zu rechnen.

 
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Nein, einfach ist es nicht. Und nein, in Geld umrechnen lassen sich fehlende Einwohner nicht. Da ist man sich bei der Stadt Bayreuth sicher. Weniger Einwohner bedeuten weniger Geld – so einfach ist es jedenfalls nicht. Das sagt Joachim Oppold, der Sprecher der Stadt. Sicher ist dagegen, dass es weniger Bayreuther gibt: 476 weniger als bisher angenommen. Das ist offiziell. Das hat die Volkszählung 2011 ergeben, der Feststellungsbescheid ging der Stadt kürzlich zu. Offizielle Einwohnerzahl: 71 214. Dagegen hat die Stadt nichts einzuwenden. „Der Bescheid hat Bestandskraft", sagt Horst Mader, der Leiter des Wahlamtes.

Andere Städte und Gemeinden sehen das nicht so entspannt. Sie klagen gegen die neuen offiziellen Zahlen. Bayreuth nicht. Horst Mader hat nachgerechnet. Bevölkerungsrückgang in Bayreuth 0,66 Prozent. „Moderat", sagt er. Und er sagt: Man muss die Zusammenhänge verstehen. Bislang beruhten alle Statistiken auf der Volkszählung von 1987. Damals gingen Zensoren von Tür zu Tür, zählten die Menschen. Diese Zählung schrieben die Statistikbehörden fort. Jahr für Jahr. „Ist doch klar, dass es da zu Schwankungen kommt", sagt Mader. Durch Zuzüge, die sich nicht anmelden. Durch Wegzüge, die sich nicht abmelden. Irgendwann stimmen die statistischen und die Zahlen aus den Meldeämtern nicht mehr überein.

Doch an diesen Zahlen hängt viel: zum Beispiel die Schlüsselzuweisungen. Geld, das die Städte vom Freistaat Bayern bekommen. In Würzburg könnte beispielsweise eine Million Euro wegfallen, weil die Stadt plötzlich 2500 Einwohner weniger hat. Oder Nürnberg: 13 000 Einwohner weniger. Kempten dagegen hat plötzlich mehr Einwohner. Plus 3,3 Prozent. Würzburg und Nürnberg wollen gegen den Zensus klagen.

„Man weiß nicht, warum die Formel manchmal stimmt und manchmal nicht", sagt Achim Sing, der Sprecher des Bayerischen Städtetages. Mit Formel meint er das Verfahren, mit dem die Zahlen erhoben wurden. Befragungen, Stichproben, dann Hochrechnungen. Und hier liegt das Problem: Das Verfahren sei weder nachvollziehbar noch transparent. „Dies verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung", findet Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. Insgesamt wollen 31 bayerische Städte und Gemeinden klagen.

Zwei dieser Klagen liegen beim Verwaltungsgericht in Bayreuth. Welche Städte, verrät Michael Lorenz vom Verwaltungsgericht nicht: Datenschutz. Die Positionen prallen aufeinander: „Grundsätzlich hat jeder Bürger das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung", sagt Anke Schwarz, eine Sprecherin des Statistischen Landesamtes. Heißt: vor der Befragung war definiert, welche Daten die Bürger hergeben und für was. „Wenn wir die jetzt offen legen, ist das ein Gesetzesbruch", sagt die Sprecherin. „Es geht um den Schutz der Bürgerrechte."

In Bayreuth erklärt Joachim Oppold: „Tatsächlich kann sich trotz eines Rückgangs der Einwohnerzahl die festzusetzende Schlüsselzuweisung für die Stadt positiv entwickeln." Denn nicht nur die Einwohner zählen bei der Verteilung des Geldes. Auch: Steuerkraft und die Menge, die es zu verteilen gibt. Für 2013 bekam Bayreuth pro Einwohner etwa 670 Euro Schlüsselzuweisungen. Bei 476 Einwohnern weniger wären das 319 000 Euro weniger. Aber der Wert besitzt keine Aussagekraft, weil nicht nur die Einwohner zählen. „Alles sehr schwierig", sagt Oppold.

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