Schild erinnert an einstige jüdische Gemeine Die „Judengasse“ gibt es wieder

Wolfgang Schoberth
Heiko Rüger vom Bauhof bringt das neue Schild an. Rechts davor Oberbürgermeister Ingo Lehmann, daneben Pressesprecher Jonas Gleich. Links im Bild Hermann Müller vom Kulturamt. Foto:  

Im kommenden Jahr soll bundesweit an 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland erinnert werden. Die Stadt Kulmbach hat in Hinblick darauf einen Schritt nach zurück und damit gleichzeitig nach vorn gemacht.

 
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Kulmbach - Vielen ist es irgendwann mal aufgefallen: Das Schild mit der doppelten Namensgebung „Waaggasse - Judengasse bis 1845“ am Ratskeller-Eck hat längere Zeit gefehlt. Beim Umbau der Gaststätte fast zwei Jahren ist es spurlos verschwunden. Die Stadt Kulmbach hat einen Ersatz in Auftrag gegeben. Gestern ist es vom städtischen Bauhof im Beisein von Oberbürgermeister Ingo Lehmann, dem Pressesprecher Jonas Gleich und von Hermann Müller von der Kulturverwaltung angebracht worden.

Das Schild erinnert an die frühe jüdische Gemeinde in Kulmbach, die sich entlang der Judengasse erstreckt zum Fronfestentum erstreckt. Spätestens 1372 hat sie als die wohl früheste Gemeinde in der Markgrafschaft existiert, wie man aus einer Urkunde erfährt: Danach hat Burggraf Friedrich V. den Judenmeister Meier zum Landesrabbiner über die Judengemeinden Kulmbach, Bayreuth und Hof ernannt. Die Gemeinde hat eine „Judenschule“ (Synagoge), auf deren Fundamente nach der Zerstörung Kulmbachs 1553 das „Burggut“ errichtet worden ist. hat. Auf dem „Platz davor, „Judenplatz“ genannt, hat das markgräfliche Schöffengericht getagt, bei Streitfällen zwischen Juden und Christen zusammengetreten ist. Die mittelalterliche Gemeinde Kulmbachs besteht allerdings nicht lange, spätestens in der Mitte des 15. Jahrhunderts aufgelöst. Vorausgegangen sind Pogromwellen, bei denen die Israelis aus der Stadt getrieben oder abgeschlachtet worden sind. Danach leben nur noch einzelne Juden verstreut in der Stadt. Erst 400 Jahre später, 1903, gibt es einen neuen Anlauf: eine neue jüdische Gemeinde wird gegründet, die dem Distriktrabbinat von Burgkunstadt untersteht, jedoch ohne eigene Synagoge. Die etwa dreißig Mitglieder, Geschäftsleute und Viehhändler, treffen sich in angemieteten Bet-Räumen zum Gottesdienst. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wird dieses lebendige Gemeindeleben zunichte.

Hätte das Schild dem Rathaus gegenüber auch zu Beginn des neuen Jahres nach gefehlt, wäre es nicht nur ärgerlich, sondern auch peinlich gewesen. Denn 2021 soll bundesweit an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland an erinnert werden. 321 erließ der römische Kaiser Konstantin ein Dekret, das festlegte, dass Juden städtische Ämter in der Kurie, der Stadtverwaltung Kölns, bekleiden dürfen und sollen. In Bayern lässt sich jüdisches Leben zwar urkundlich erst 906 nachweisen (Brückenzoll für jüdische Fernhandelskaufleute bei Regensburg), doch zweifellos haben Israelis weit früher in Bayern gelebt.

In dem anstehenden Jubiläumsjahres soll es keineswegs nur um Vorurteil und Hass, Verfolgung und Vernichtung gehen. Ziel ist es, das vielfältige jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart sichtbar zu machen und den großen Beitrag jüdischer Mitbürger für Entwicklung unseres Landes – in der Wissenschaft, der Kultur und der Religion - zu veranschaulichen. Die Stadt Kulmbach wird sich wie fast alle größeren Gemeinden an dem Gedenkjahr 2021 beteiligen. Oberbürgermeister Ingo Lehmann hat sich von Anfang hinter die Aktion gestellt. , Als die Stadt mit der wohl frühesten jüdischen Gemeinde in der Markgrafschaft sei Kulmbach prädestiniert, so sagt er. Mit den Veranstaltungen solle aber auch ein Zeichen gesetzt werden für Vielfalt und Toleranz, gegen den immer mehr um sich greifenden Antisemitismus.

Das genaue Programm ist wegen der Unsicherheiten beim weiteren Verlauf der Corona-Pandemie noch in der Schwebe. Hermann Müller vom Kulturamt ist momentan zusammen mit der städtischen Volkshochschule dabei, Vorträge, Stadtführungen, Ausstellungen und Lesungen zu planen. Auch die Schulen, Kirchen, und Vereine werden angesprochen, sich einzubringen.

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