Jüdisches Leben Ein Kurhaus für die wirklich Reichen

Der Bayreuther Student Michael Kaczmarski hat zur Familie Würburger interessante Geschichten ausgegraben. 1907 eröffnete Albert Würzburger neben dem Sanatorium Herzoghöhe das Kurhaus Mainschloss. Foto: Ralf Münch

Wohl jeder Bayreuther dürfte schon mal die Dr.-Würzburger-Straße unterhalb der Klinik Herzoghöhe entlanggefahren sein. Man mag angesichts des Straßennamens vielleicht zunächst an die Main-Metropole in Unterfranken denken. Doch das Schild erinnert an eine Familie, die über mehrere Generationen in Bayreuth gelebt hat. Und an der ein oder anderen entscheidenden Weichenstellung mitgewirkt hat. Das betrifft sogar die Bayreuther Festspiele.

 
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Bayreuth - Michael Kaczmarski, der an der Uni Bayreuth den Master-Studiengang Geschichte in Wissenschaft und Praxis absolviert, hat rund um die Bayreuther Familie Würzburger einige interessante Geschichten ausgegraben, die kaum jemandem bekannt sein dürften. Dabei handelt es sich um ein außeruniversitäres Projekt, das der 25-Jährige zusammen mit dem Bayreuther Stadtarchiv realisiert hat. Ab September sollen Kaczmarskis Texte auf der Homepage des Archivs erscheinen. „Ich hoffe, dass mit diesem Projekt die Familie Würzburger bekannt wird“, sagt der junge Forscher, der aus Kulmbach stammt und in Bayreuth aufgewachsen ist. Die Familie Würzburger genoss in der Stadt einst hohes Ansehen. Das änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

> Kurhaus Mainschloss: Auf alten Fotos, die nach der Jahrhundertwende entstanden sind, ist zu sehen, dass die Familie einst das Stadtbild in der Bayreuther Innenstadt mitgeprägt hat. An dem Gebäude am Sternplatz, in dem sich heute ein türkisches Restaurant befindet, war damals von weitem sichtbar der Schriftzug „J. Wuerzburger jr.“ angebracht. In dem Haus befand sich ein Schnittwarenladen, in dem es alles für den Bedarf zur Herstellung von Kleidung gab und wo sich die Bayreuther auf Maß zugeschnittene Stoffe kaufen konnten.

Doch nicht nur als Händler waren die Familienmitglieder tätig. Am 17. Dezember 1816 wurde Simon Würzburger als Sohn des Schnittwarenhändlers Jakob Würzburger geboren. Als erster in seiner Familie entschied er sich für ein Medizinstudium. Nach Stationen im heutigen Landkreis Bamberg kehrte er 1856 als praktischer Arzt in seine Heimatstadt zurück.

1861 bat Simon Würzburger den Bayreuther Stadtmagistrat um die Erlaubnis zur Annahme „einiger gemüthskranker Damen“ in seinem privaten Wohnhaus in der Dammallee. Die Stadtverwaltung hatte nichts dagegen, stellte aber eine Bedingung: „Ausdrücklich muss ihm jedoch die Verpflichtung auferlegt werden, keine aufgeregten Irren, d.h. solche, welche Tobsuchtsanfälle bekämen, laut schreien, viel Spektakel machen, viele Unruhen um sich her veranlassen in sein Haus aufzunehmen.“

Luxuriöses Ambiente

Zu Beginn der 1870er-Jahre machte sich Simon Würzburger daran, ein Sanatorium in Bayreuth zu errichten. Aus den Protokollen, die Michael Kaczmarski während seiner Forschungsarbeit gelesen hat, geht hervor, dass die Einrichtung gezielt auf jüdische Patienten ausgerichtet war. So war etwa eine Köchin angestellt, die koscheres Essen zubereitete.

Zu den behandelten Leiden der Patienten zählten Melancholie, Tobsucht, Wahnsinn, Verrücktheit, Paralyse und Epilepsie. Offenbar genoss die Anstalt weit über Bayreuth hinaus einen guten Ruf, denn es wurden Patienten aus ganz Deutschland und aus dem Ausland eingewiesen.

Der Erfolg der Einrichtung in der Erlanger Straße ließ den Wunsch nach einer Erweiterung aufkommen. Im Jahr 1907 eröffnete Albert Würzburger neben dem Sanatorium Herzoghöhe das Kurhaus Mainschloss. In luxuriösem Ambiente bot das Mainschloss Platz für nur 24 gut betuchte Gäste. Es bot modernste Behandlungsmöglichkeiten für Nervenleidende, darunter unterschiedliche Bäder und ein „Elektrisierzimmer“.

Da das Haus auch als Erholungsheim genutzt wurde, gab es ein Billardzimmer, einen Lesesaal und einen großen Wintergarten. Hier wurden auch nichtjüdische Patienten aufgenommen.

Der Familie entrissen

Albert Würzburger galt als hoch angesehener Bürger Bayreuths. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 blieb der Betrieb der Einrichtungen von den neuen politischen Verhältnissen zunächst unberührt. Weniger Jahre später wurde der Familie die Leitung entrissen und an den nationalsozialistischen Arzt Kurt Bach übergeben.

Von dem einst prachtvollen Gebäude ist heute nichts mehr zu sehen. Das Mainschloss wurde längst abgerissen.

> Kultur und Bildung: In einem weiteren Text beschäftigt sich Michael Kaczmarski mit Karl Würzburger. Nach Ansicht des Geschichts-Studenten war dieser wohl das vielleicht bedeutendste Mitglied der Familie Würzburger. Der Sohn von Albert Würzburger besuchte das humanistische Gymnasium Christian-Ernestinum und studierte anschließend Medizin. Nach zwei Semestern wechselte er allerdings das Fach, um sich mit Philosophie, Volkswirtschaftslehre und Kunstgeschichte zu beschäftigen.

1927 wurde der Rundfunk auf Karl Würzburger aufmerksam. Für die Deutsche Welle hielt er pädagogische Vorträge im Radio. Kaczmarski schreibt dazu: „Schnell zeigte sich, dass er ein absolutes Naturtalent im Umgang mit dem Mikrofon war. Er wusste das neue Massenmedium meisterhaft zu nutzen und konnte Inhalte vermitteln wie kein anderer.“ So wurde er 1929 zum Dozenten für Mikrophonie an der Rundfunkversuchsstelle der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin ernannt.

Berufsverbot

Jedoch: Die Machtergreifung Adolf Hitlers setzte Karl Würzburgers Karriere ein abruptes Ende. Im März 1933 verlor er durch das Berufsverbot seine Anstellung bei der Deutschen Welle und musste mit Frau und Tochter in seine Heimatstadt Bayreuth zurückkehren. Ohne eigenes Einkommen konnte er sich zunächst nur mit Hilfe seines Vaters über Wasser halten.

Karl Würzburger knüpfte Kontakte in die Schweiz, wo er als Journalist arbeitete und mehrere Büche schrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er auf Einladung des Bayreuther Oberbürgermeisters Oscar Meyer in seine Heimatstadt zurück. Er wurde zum Leiter des Kulturamts und der Volkshochschule Bayreuth bestimmt.

Michael Kaczmarski gelangt durch seine Studien zu der Einschätzung: „In der nach dem Krieg am Boden liegenden Stadt legte er entscheidende Grundsteine für das Wiederaufleben der Kultur. Er begründete u.a. das Internationale Jugendfestspieltreffen, den Stadtjugendring und die Fränkischen Festwochen.

Die wohl größte Bedeutung hatte er laut Kaczmarski aber für die Wiederaufnahme der Bayreuther Festspiele. „Durch seine Kontakte in der Welt des Rundfunks schaffte er es, eine Bezuschussung der ersten Nachkriegsfestspiele durch die ARD zu organisieren, ohne die eine Wiederbelebung der Festspiele kaum möglich gewesen wäre.“ Außerdem habe er Wieland und Wolfgang Wagner unterstützt und dafür plädiert, die Festspiele in der Hand der Familie Wagner zu belassen.

Kaczmarskis Fazit: „Trotz der düsteren Vergangenheit der ehemaligen Gauhauptstadt Bayreuth entschied sich Karl Würzburger für eine Rückkehr und erwies seiner Heimatstadt große Dienste im Bereich Kultur und Bildung, die bis heute nachwirken.“

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