Zwischen Deutschland und Tschechien Theatererlebnis an „fingierten Grenzen“

red/sf

Schauspieler des Ovigo-Theaters und der „Australia“ Selb erinnern vor Ort an perfide Tricks der tschechoslowakischen Geheimpolizei. Ab Juni kann man in Selb-Wildenau dabei sein.

 
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Theater an authentischem Ort: An der Grenze spielten sind einst perfide Täuschungsmanöver ab – a Foto: /Ovigo-Theater

Das Ovigo-Theater aus Regensburg nennt es „ein internationales Projekt der Superlative“. Im Sommer spielt der Verein grenzüberschreitend Theater. Die Zeitreise unter dem Titel „Fingierte Grenzen – Auf den Spuren der Aktion ‚Kámen‘ “ gibt es laut Mitteilung ab Juni an vier verschiedenen Grenz-Standorten – als zweisprachiges Theatererlebnis, gespielt von etlichen Akteuren aus Deutschland und Tschechien. Zu den Standorten gehört auch Selb-Wildenau/Asch. Die Route wird unmittelbar an der Grenze in Wildenau beginnen. Die Premiere hier soll am 19. Juni sein. Dann folgen sieben weitere Termine.

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Zeitreise in die Nachkriegszeit

Die „Zeitreise“, also die geführte Schauspiel-Wanderung hat die Autorin und Historikerin Václava Jandečková für das Ovigo-Theater geschrieben. Zum Inhalt:

In den Jahren 1948 bis 1951 errichtete die tschechoslowakische Geheimpolizei an mehreren Stellen im westlichen Grenzland eine fingierte Staatsgrenze mit falschen deutschen Zollämtern und Amtsräumen der amerikanischen Spionageabwehr. Dabei handelte es sich um sorgfältig durchdachte Fallen, die im richtigen Moment zuschnappen sollten. Flüchtlinge wähnten sich bei bereits im sicheren und freien Westen, ohne zu wissen, dass die Grenze, die sie übertreten sollten, nicht echt war. Alles Betrug, der Leben zerstörte. Unzählige Menschen fielen der Aktion ‚Kámen‘ zum Opfer.

Falsche Grenzen und Zollhäuser

Die falschen Grenzen und Zollhäuser existieren teilweise bis heute und demonstrieren, welch menschenverachtende Machenschaften sich in der Grenzregion abgespielt haben. „Fingierte Grenzen“ spürt dieser Zeit aus dem Kalten Krieg nach und führt zu Original-Relikten der Aktion „Kámen“ – etwa dahin, wo früher eine falsche Schranke und ein falsches deutsche Zollhaus stand.

Für dieses Projekt hat Ovigo auch Darsteller der „Australia“ Selb und der Kunstschulen Cheb und Aš gewonnen. Das Stück ist zweisprachig, dennoch soll das Publikum die Inhalte gut verstehen.

Die Premiere des Gesamtprojekts ist am 4. Juni in Bärnau. Zeitlich versetzt beginnen dann die anderen Standorte mit dem Spielbetrieb.

Menschen liefen in die Falle

Einblicke in ihre Recherchen hat Václava Jandečková bei einer Lesung im Kunsthaus Waldsassen gegeben. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbrechen des Kommunismus zu erforschen und zu dokumentieren. In ihren Büchern macht sie die Taten der tschechoslowakischen Geheimpolizei sichtbar. Fotos zeigen Beteiligte der Aktion „Kámen“. Menschen, die den Kommunismus kritisch sahen und in den Westen flüchten wollten, liefen in eine Falle.

Kaum jemand wüsste wohl heute von dieser Aktion, wenn es die Texte von Václava Jandečková nicht gäbe. Die Mitbegründerin der „Gesellschaft zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus“ befasste sich intensiv mit den damaligen Machenschaften und schrieb alles auf. Informationen habe sie bei Gesprächen mit Zeitzeugen und durch ausgedehnte Recherche gesammelt, sagte die Autorin in Waldsassen. Dort las sie aus ihrem Buch„Fingierte Grenze – Aktion Kámen“, das von Opfern und Tätern der geheimen Grenzoperationen der tschechoslowakischen Stasi handelt.

Absurde Methode

Zwischen 1948 bis 1951 sind bei dieser absurden Methode zahlreiche Leben zerstört worden, als die Menschen an falsche Grenzen geführt und auf vermeintlich sicherem Boden in falschen deutschen Zollämtern verhört worden waren. Zum Beispiel bei Heiligenkreuz, wo einer dreiköpfigen Familie die vermeintlich sichere Flucht zum Verhängnis wurde. Eine große Rolle spielte dabei ein Gebäude, das als falsches Zollhaus genutzt worden war.

Dieses Haus, so die Autorin, steht heute noch – ein gelb-blaues Gebäude auf dem Weg von Waldsassen nach Cheb/Eger. Viele der Täter und Opfer der Aktion „Kámen“ sind schon verstorben – keiner der Täter wurde jemals verurteilt. Die Autorin erzählte, sie habe während ihrer Recherche einige Namen an Behörden gemeldet, doch der Wille zur Aufarbeitung sei kaum da gewesen. Es sei lediglich nachgeforscht worden, wer von den Tätern noch lebe. „Eine symbolische Verurteilung wäre richtig“, sagte die Autorin. Die Opfer, sagt sie, hätten gar niemanden wirklich interessiert. Mit ihren Texten und dem Theaterstück will Jandečková die Erinnerung an die Geheimdienstaktion aufrechterhalten.

Bei den geführten, grenzüberschreitende Schauspielwanderungen auf deutschem und tschechischem Boden „werden die Schicksale lebendig“, versprach Florian Wein, der künstlerische Leiter des Ovigo-Theaters. red/sf