Spanische Medien hatten das Unheil vor der Abstimmung kommen sehen. "Ungewissheit" ("El País"), "Verdruss" ("El Mundo") und "Politischer Stau" ("Heraldo") war auf den Titelseiten großer Tageszeitungen zu lesen. RTVE sprach von einem "Szenario völliger Unsicherheit".
Das spiegelt sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung, die bis 18.00 Uhr nur bei 56,86 Prozent lag. Bei der letzten Wahl hatten zur selben Zeit noch 60,72 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt.
Während Vox vom fünften auf den dritten Platz aufstieg, erlebte das von den Rechtspopulisten überholte Linksbündnis Unidas Podemos (UP) eine schwere Niederlage und rutschte von 42 Sitzen auf 30 bis 34. Auf Platz fünf folgen die liberalen Ciudadanos, die völlig einbrachen. Sie stürzten von 57 auf 15 Mandate.
Eine regierungsfähige Mehrheit ist weiter nicht in Sicht. Am wahrscheinlichsten gilt zwar noch immer eine Zusammenarbeit der Sozialisten mit UP. Doch bei den kläglich gescheiterten Gesprächen der vergangenen Monate hatten sich beide Seiten immer weiter voneinander entfernt. Während Sánchez von den Fraktionen die Duldung einer "progressiven" Minderheitsregierung erwartet, fordert UP-Chef Pablo Iglesias weiterhin eine Koalitionsregierung.
Sánchez hatte am Freitag gesagt, er werde der PP, UP und den Liberalen "innerhalb von 48 Stunden" nach der Wahl einen Vorschlag zur "Beendigung der Blockade" vorlegen. Mit Vox will der Sozialist nicht sprechen. Es handele sich um eine "ultrarechte Partei", die "Homosexuelle als Kranke" bezeichne und Medien schließen wolle. "Die Geschichte Europas hat einen Namen für solche Bewegungen", betonte Sánchez, der die Vox-Leute um Parteichef Santiago Abascal - einen erklärten Stierkampf-Fan - in die Nähe der Franco-Diktatur rückt.
Es war bereits die vierte Parlamentswahl seit Ende 2015. Eine politische Blockade hatte Spanien bereits 2016 erlebt, als das Land trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten wegen der starken Stimmenzersplitterung fast ein Jahr ohne reguläre Regierung blieb. Nach einem Misstrauensvotum gegen seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy kam Sánchez im Juni 2018 mit einer Minderheitsregierung an die Macht. Weil er im Februar seinen Etat nicht durchbringen konnte, gab es im April die erste Neuwahl des Jahres.
Ende September musste König Felipe VI. dann eine weitere vorgezogene Wahl ausrufen, weil die Frist zur Bildung einer neuen Regierung auch nach monatelangem Verhandlungs-Gezerre ohne Einigung abgelaufen war. Das könnte sich 2020 ohne weiteres wiederholen. Was dann? Der Analyst der konservativen Digital-Zeitung "El Espanyol", Angel Fermoselle, und der linke Íñigo Errejón von der Newcomerpartei Más País sind sich erstaunlich einig: Dann müssen neue Parteiführer her.
Das mag nötig sein, denn Spanien steht vor vielen Problemen: Allen voran der Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien, der sich gerade in den vergangenen Wochen gewalttätig zugespitzt hat. "Katalonien und Vox machen mir Angst", sagte eine junge Wählerin in Madrid. Zudem droht bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit (der zweithöchsten in der EU) eine Konjunkturabschwächung. Und da sind auch noch die aufstrebenden Rechtspopulisten. "Spanien darf keine Zeit mehr verlieren!", forderte die Zeitung "ABC" am Sonntag.