Wurden Frauen in einem Club betäubt?

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Zusammenbruch, Filmriss, Notaufnahme: Drei Frauen wurden am selben Abend im selben Lokal Opfer einer fiesen und gefährlichen Chemie-Keule: Nachdem sie aus ihren Flaschen getrunken hatten, sackten sie zusammen. In ihrem Blut war nichts zu finden. Vom Täter gibt es keine Spur.

 
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K.o.-Tropfen waren es nicht. Aber irgendetwas hatten mehrere Frauen, die in einem Bayreuther Club feiern waren, in ihrem Getränk, das ihnen buchstäblich die Füße wegzog. Archivfoto: Achim Scheidemann/dpa Foto: red

Sonntagabend, 20. November. Sandra (22, Name geändert) wollte mit ihrem Partner und Freunden feiern. Zunächst waren sie zum Essen eingeladen. Danach gingen sie zu viert in eine Bar in der Stadt, das ging, weil Sandras Kinder bei der Oma übernachteten. Die Vier gehen in eine Bar, Sandra bestellt einen Sex on the Beach, trinkt ihn aber nur zur Hälfte aus. Danach sei alles okay gewesen, „ich war völlig nüchtern“.

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So ging es in die nächste Kneipe. 23.30 Uhr, Sandra bestellt an der Bar einen Wodka-Maracuja aus einer Flasche, die sie beim Tanzen festhält. Eine Stunde später: das nächste Getränk, es ist ein Salitos blue, eine Art Cocktail mit Blaubeergeschmack. Alkoholgehalt fünf Prozent, genauso viel wie ein Bier. Sie holt sich die Flasche an der Bar, beim ersten Schluck merkt sie nichts. Sie geht kurz ins Freie, um zu rauchen, die Flasche stellt sie drinnen ab. Danach geht sie wieder rein. „Ich hab zwei, drei Schlucke getrunken, dann fing’s an.“

Nicht ansprechbar

0.30 Uhr. Ihr wird schwindlig, alles dreht sich, sie sieht nur noch Schwarz vor ihren Augen. „Ich will sofort nach Hause.“ Von der gemeinsamen Taxifahrt mit ihren Freunden bekommt sie nichts mit. Sie schleppt sich ins Bad, schließt die Tür, will sich umziehen. „Dann war ich weg.“ Sie sackt in die Knie, ihre Beine schlafen ein, dann fällt sie um. Ihr Freund bricht die Tür auf. Sie ist nicht mehr ansprechbar, das Gesicht ist bleich, Hände und Füße sind blau angelaufen. Ihre Bekannte, eine gelernte Arzthelferin, erkennt die Gefahr.

In der Notaufnahme setzt ihre Erinnerung wieder ein. Mund und Zunge seinen noch wie taub gewesen, ihre Augen aber hatte sie wieder geöffnet. 3.30 Uhr. Das Krankenhauspersonal hatte die Polizei angerufen, weil innerhalb kurzer Zeit drei Frauen mit den gleichen Symptomen eingeliefert worden waren, alle drei im selben Club waren, alle drei an derselben Bar ihr Getränk bestellt hatten – und alle drei sich gar nicht kannten. Ein weiteres Opfer bestätigt dies. Alle Frauen betonen, sie seien nicht betrunken gewesen. Im Laufe der Woche hatte die Polizei bekanntgegeben, dass sich nur Alkohol, keine anderen Substanzen, in ihrem Blut befunden hätten.

0,82 Promille - also nicht betrunken

Ein Notarzt hatte Sandra Blut abgenommen. 0,82 Promille. Sie erinnert sich, dass wohl ein Schnelltest „positiv“ gewesen sei, irgendwas im Blut gewesen sein müsse. Dann war auch schon die Polizei da. Frank Schmälzle, Sprecher des Klinikums Bayreuth, sagt, dass Mitarbeiter der Notaufnahme „grundsätzlich“ die Polizei riefen, wenn sie den Verdacht auf eine Straftat haben. Oder wenn sie den Eindruck hätten, „dass dem Patienten vor seiner Einlieferung geschadet wurde oder geschadet werden sollte“. Das geschehe nach Rücksprache mit dem Patienten.

Noch am gleichen Morgen kamen Beamte in die Kneipe und nahmen Proben aus Flaschen. Der Betreiber stellte sein gesamtes Video-Material zur Verfügung. Gefunden ist der Täter noch nicht. Polizeisprecher Alexander Czech spricht von „einer Nadel im Heuhaufen“. Und davon, dass die Ermittlungen „nicht abgeschlossen“ seien. Aber sie seien sehr schwierig, weil keine Substanz im Blut zu finden sei. Nur eines ist sicher: K.o.-Tropfen waren es nicht.

Sandra vermutet ein starkes Schmerzmittel. „Im Blut ist keinerlei Substanz nachgewiesen worden, die einen solchen Zustand erklärt“, sagt Czech.

Am besten in einem solchen Fall wäre es, so der Polizeisprecher, die Getränke im Original zu sichern. „Daran sei nicht mehr zu denken gewesen“, sagt Sandra. Sie habe gar nicht daran gedacht, dass ihr was untergemischt worden sein könnte. „Ich war in einem Zustand, dass ich einfach nur heim wollte.“ Auch aufgefallen sei ihr an diesem Abend überhaupt niemand. „Darauf achtest du nicht.“

Bacheh: "Ein Scheiß-Problem"

Ähnlich wie ihr ging es Ende Dezember einer anderen jungen Frau, die auch nach einem Getränk in einer Kneipe in der Stadt plötzlich zusammenbrach. Ihre Blutwerte stehen noch aus. Sandra will andere Frauen warnen, auf ihr Getränk zu schauen – und im Notfall so zu handeln wie sie: schnell in die Klinik. Und auch nicht alleine zu bleiben. „Denn sonst hätte etwas Schlimmeres passieren können.“

In den Bayreuther Kneipen ist die Gefahr bekannt. „Ein Scheiß-Problem“, sagt Ahmad Kord Bacheh, der Betreiber der „Fabrik“. Er rät auch seinen Gästen, auf ihr Getränk zu achten und es nicht unbeobachtet stehen zu lassen. Seitdem er von den Vorfällen erfahren hat, lässt er seine Gäste beim Einlass noch genauer durchsuchen.