Der alte Paragraf für Majestätsbeleidigung soll gestrichen werden. Sind Sie erleichtert?
Was Jan Böhmermann mit seinem Gedicht gegen den türkischen Staatschef Erdogan gemacht hat war Kunst, sagt der Bayreuther Satiriker und Grünen-Stadtrat Klaus Wührl-Struller ("Abwasch"). Ein Kurzinterview über Freiheit und die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter.
Der alte Paragraf für Majestätsbeleidigung soll gestrichen werden. Sind Sie erleichtert?
Klaus Wührl-Struller: (lacht) Ja natürlich, weil mir jetzt seine Majestät Horst I. nicht mehr an den Karren fahren kann. Aber im Ernst: Der Paragraf ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die Strafbarkeit von Majestätsbeleidigung ist etwas zutiefst Undemokratisches. Es ist völlig wurst, ob ein Herr Rauscher, ein Herr Wührl oder der Papst oder Herr Erdogan oder Frau Merkel beleidigt werden. Beleidigung ist Beleidigung, Staatsamt oder nicht. Höchste Zeit, dass der Paragraf abgeschafft wird.
Wie finden Sie es, dass die Regierung den Weg für Ermittlungen gegen Böhmermann wegen des Beleidigungsparagrafen frei gemacht hat?
Wührl-Struller: Dagegen ist erst mal nichts zu sagen. Soll der Staatsanwalt halt ermitteln. Das ist die Aufgabe der Justiz, wenn jemand wegen Beleidigung angezeigt wurde. Das Kind ist schon viel früher mit dem Bade ausgeschüttet worden. Wir haben Freiheit der Rede und Freiheit der Kunst. Warum wird versucht, das zu unterdrücken? Nur weil sich einer aufmandelt und wir mit seiner Hilfe die Flüchtlinge loswerden wollen.Wenn man Kritik daran unterbindet, wird an den Grundfesten unserer Demokratie gerüttelt. Der Staat muss die Meinungsfreiheit verteidigen. Auch Mohammed-Karikaturen oder Stadtrats-Karikaturen. Ob Beleidigung oder nicht, das muss bei funktionierender Gewaltenteilung die Justiz entscheiden, nicht der Staat.
Fanden Sie das Böhmermann-Gedicht eigentlich lustig?
Wührl-Struller: Ich finde Satire überhaupt nicht lustig. Man kann darüber zwar ab und zu mal lachen, aber gute Satire ist ja nachdenklich. Kunst hat immer mit Wahrnehmung zu tun. Ich will Wahrnehmung fokussieren oder verändern. Was Böhmermann gemacht hat, wie er mit der medialen Wahrnehmung gespielt hat, das war Kunst. Und die Kunst ist frei.
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