Wohnen mit Steinen und Balken aus Ruinen

Von Thorsten Gütling
Manfred Metzners und Gabi Flutschingers ganzer Stolz: Eine Kutsche, die mit 140 Jahren beinahe so alt ist, wie das geschichtsträchtige Bauernhaus dahinter. In der sogenannten Viktoria Mylord unternahmen die Schönen und Reichen früher sommerliche Ausfahrten durch den Park. Metzner hat die Kutsche in Coburg erworben. Fotos: Andreas Harbach Foto: red

Das Haus, in dem Gabi Lutschinger (55) und Manfred Metzner (76) im Bindlacher Ortsteil Haselhof wohnen, ist 160 Jahre alt. Darin verbaut sind Teile von anderen Häusern, die Bränden zum Opfer fielen. Darunter auch das Werk eines bekannten Künstlers, das lange Zeit unbemerkt im Matsch lag.

 
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Die Schlitze und Zapfen an der Zimmerdecke sind dort, wo sie gar keinen Sinn ergeben. Dort, wo man sie aus statischen Gründen gar nicht braucht. Weil die Holzbalken ursprünglich in einem ganz anderen Haus verbaut waren, sagt Manfred Metzner. In dem Haus nämlich, das vor mehr als 160 Jahren nur wenige Meter entfernt stand. In dem Haus, das eines Tages abgebrannt ist.

 

Ein Ziegel aus dem Jahr 1832

Ein Ziegel, den Metzner und Lutschinger später auf dem Dach einer alten Scheune gefunden haben, zeigt, wann dieses erste Haus gestanden haben muss. 1832 steht darauf geschrieben. Ein Feierabendziegel, sagt Metzner. Der letzte also, den der Dachdecker vor Ende seines Werkes verbaut und deswegen mit einer Jahreszahl versehen hatte. Das würde aber auch bedeuten: Das frühere Haus stand gerade einmal 24 Jahre, als es den Flammen zum Opfer fiel.

 

Ein Kunstwerk für die Rüben

Gebrannt hat es damals viel und oft. In den Küchen der Häuser wurde auf dem offenen Feuer gekocht, sagt Gabi Lutschinger. Ohne Kamin. In einem alten Keller auf ihrem Grundstück haben Metzner und Lutschinger ein weiteres Relikt gefunden, das wegen eines Brandes auf ihr Grundstück gekommen sein könnte: eine schwere Sandsteintafel. Die Vorbesitzer haben auf ihr Lebensmittel in einem dunklen Keller gelagert. Und die Kartoffeln und Rüben so vor Kontakt mit dem feuchten Kellerboden geschützt.

 

Lorbeerblätter fürs Museum

Erst beim Umdrehen der Tafel haben Metzner und Lutschinger gemerkt, was da mit dem Gesicht nach unten im Dreck lag. Nämlich der Teil eines Kunstwerkes, dessen Rest heute im Historischen Museum in Bayreuth zu sehen ist. Der Teil eines mit Lorbeerblättern verzierten Reliefs, das vermutlich von Elias Räntz, dem Bayreuther Hofbildhauer, stammt und das somit rund 300 Jahre alt sein müsste, sagt Metzner. Und das einst im Jagdschloss bei Theta gehangen haben müsste.

 

Baumaterial für die Bauern

Heute hängt es an der Fassade des Hauses. Wie es in den Keller gelangt ist, erklärt Metzner so: Bauern aus der Gegend haben die Steine des abgebrannten Schlosses abtransportiert, um an Baumaterial zu gelangen.

 

Ein Plumpsklo vor dem Haus

Bevor das Paar das Haus im Bindlacher Ortsteil Haselhof im Jahr 1989 gekauft und saniert hatte, war es nicht viel mehr als ein Kuhstall, fast 100 Quadratmeter groß, aber mit einem prächtigen Kreuzgewölbe. Dazu ein einige unwirtliche Wohnräume, mit nur einem einzigen Wasserhahn im Haus und einem Plumpsklo im Hof auskamen Der Vorbesitzer, ein Junggeselle mit etlichen Auszeichnungen in der Rinderzucht, soll noch bis weit in die 80er Jahre damit gelebt haben. Gepinkelt wurde von der Haustür in den Hof, sagt Metzner. Der Zaun, den er entfernt habe, um eine Terrasse zu bauen, habe an genau einer Stelle auffällig gerostet.

 

Die Sattelkammer im Kuhstall

Den Durchgang zwischen Wohnzimmer und Kuhstall haben Metzner und Lutschinger beseitigt und in das Gewölbe des Stalles Wände mit großen Fenstern eingezogen. Der Stall dient heute als Lager. Für unzählige Reitsattel, Steigbügel, Riemen und Leinen. Lutschinger und Metzner haben sich 1983 beim Reiterball nach einer Fuchsjagd kennengelernt. Sie halten Holländische Friesenpferde. Und sie sammeln Kutschen.

 

"Staatsgespräche" für Verliebte

Ihr Schmuckstück: Eine Victoria Mylord, mit 140 Jahren beinahe so alt wie das alte Bauernhaus. Und früher das Fortbewegungsmittel der höfischen Gesellschaft bei schönem Wetter. Weil der Kutscher nicht mit im Wagen sitzen musste, sondern mithilfe einer speziellen Drechsel vorneweg auf den Pferden reiten konnte. "Offiziell war sie für Staatsgespräche gemacht", sagt Metzner. Tatsächlich kamen sich die Passagiere in der Kutsche wohl näher. Wie Lutschinger und Metzner 1983 auf dem Reiterball.

 

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