1963 schreitet Fritz Föttinger erstmals das Klassenzimmer ab. 53 Schüler wollen unterrichtet werden. In Deutsch, Mathematik, Sachkunde, Religion und Werken. Föttinger ist der einzige Lehrer. Es gibt nur ein Klassenzimmer. Fünfte bis achte Klasse sitzen beisammen. "Ich war der erste Lehrer, vor dem die Schüler keine Angst mehr hatten", sagt Föttinger.

Die Tafel und der Schrank mit den Stöcken sind lange weg. Heute stehen dort Staffeleien und Werkbänke. Farbkleckse zieren den Boden. Überall hängen, stehen, liegen Bilder und Skulpturen.
Der Lehrer war damals eine öffentliche Person. Wie der Pfarrer und der Bürgermeister. Privatsphäre gab es kaum. Wenn der Dorflehrer Föttinger einmal verschlief, schlich er mit Pantoffeln von der Lehrerwohnung in den Klassenraum. Nur ein Flur und zwei Türen trennten das eine vom anderen. Sich nicht ordentlich angezogen zu haben, bereute Föttinger sofort. "Im Winter war es eiskalt. Hier drin hat man gefroren." Winzige Öfen, die mit Briketts geheizt wurden, schafften es kaum, die großen und spärlich eingerichteten Räume aufzuheizen. Der Wind pfiff durch die undichten Fenster. Warmes Wasser gab es nicht. Auch nicht in der Lehrerwohnung.

Mittlerweile gibt es eine Heizung. Föttinger hat die Räume verkleinert. Hat Wände eingezogen. Die zugigen Fenster abgedichtet. Aber das meiste ist noch so wie damals. Türen, Fenster, Fliesen, Treppengeländer, Holzböden, Fensterläden. Alles 76 Jahre alt. "Optik geht bei uns vor Energiesparen", sagt Inge Föttinger, Fritz Föttingers Frau.

Nur neun Jahre unterrichtet Föttinger in Obernsees. 1972 wird die Schule geschlossen. Der Dorflehrer muss nach Hollfeld, später nach Gesees. In der Lehrerwohnung darf er bleiben. In das Klassenzimmer zieht ein Ledermodengeschäft. Tische und Bänke werden entfernt. Als Föttinger das Haus vier Jahre später für 90000 Mark kauft, findet er im Dachboden Urkunden, Zeugnisse und einen alten Bock aus dem Sportunterricht.

"Dieses Haus wirkt", sagt Föttinger. Wer wissen will wie, der muss sich seine Bilder ansehen. Seine Figuren haben kindliche Gesichter. Unvoreingenommen, neugierig, unschuldig. "Manche sagen, ich male Kindermenschen", sagt Föttinger. "Und dieses Haus ist wohl der Grund dafür.