Woche der Demenz Wohnen im Alter: So kann’s funktionieren

Peter Rauscher
Farbkontraste helfen, damit Menschen mit weniger Sehkraft zuhause zurecht kommen. Das Bild stammt von einer Baumesse. Foto: dpa-Archiv/ Jens Büttner

Wie können alte, sogar demenzkranke Menschen möglichst lange zuhause wohnen bleiben? Eines von vielen Themen bei den diversen Veranstaltungen in der Woche der Demenz ab 19. September. Birgit Dietz, Expertin für demenzsensible Architektur, gibt Tipps, worauf es ankommt.

 
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Die meisten Menschen möchten im Alter möglichst lange zuhause wohnen bleiben. Aber geht das auch, wenn sie dement werden und sich immer weniger im Alltag zurechtfinden? Neben betreuerischen und pflegerischen Hilfen kann auch altersgerechtes Wohnen einen wichtigen Beitrag zum möglichst selbstbestimmten Leben leisten. Das Bayerische Institut für alters- und demenzsensible Architektur in Bamberg befasst sich mit diesem Thema. Leiterin Birgit Dietz, die am Donnerstag beim Aktionstag zur Woche der Demenz im Landratsamt Bayreuth auftreten wird, stellt einige ihrer Erkenntnisse vor.

Den Willen respektieren

Dietz ist Architektin und vom Thema Wohnen mit Demenz persönlich betroffen. „Aus meiner eigenen Erfahrung mit meiner an Demenz erkrankter Schwiegermutter kann ich berichten, dass sie mit einiger Unterstützung doch recht lange alleine Wohnen konnte und die gewohnte Umgebung, die Nachbarn und auch das Umfeld, als wir sie von der Erkrankung informierten, uns unterstützt haben. Ich erinnere mich an viele schöne Stunden mit ihr“, sagt sie dem Kurier. Irgendwann sei aber die Familie an ihre Grenzen gekommen und habe einen Heimplatz gesucht. Aus der Einrichtung sei die Schwiegermutter mehrmals entwischt, sogar von der Polizei gesucht worden. Dietz fragt sich heute, ob es fürs Eingewöhnen im Heim vielleicht besser gewesen wäre, sie früher zu überzeugen, umzuziehen. „Doch sie hatte sich strikt geweigert und ich denke, der Wille eines an Demenz erkrankten Menschen ist zu respektieren. Auch wenn wir oft unsicher waren, wenn sie ausgebüxt war und Angst um sie hatten, meine ich doch: Leben ist immer lebensgefährlich.

Folgende Tipps hat Birgit Dietz für die Gestaltung des Wohnumfelds von älteren Menschen:

Es werde Licht

Damit demenzkranke und überhaupt ältere Menschen zuhause leben können, sei eine barrierefreie Wohnung mit breiten Türen, großem Bad und gegebenenfalls Aufzug sehr wichtig. Ebenso eine gute Infrastruktur, also erreichbare Geschäfte und Ärzte, und ausreichend Tageslicht. Ein 80 Jahre alter Mensch benötige fünfmal mehr Licht als ein 20-Jähriger. Also Vorhänge weg und viele Lampen rein. Nachts helfe oft ein Nachtlicht zur Orientierung.

Farbkontraste helfen

Weil im Alter Sehschärfe und Kontrastempfindlichkeit abnehmen, werden weiße Lichtschalter auf weißen Wänden oft schlecht erkannt. Markierungen mit Klebeband oder Farbe kann helfen. Auch Geschirr kann besser benutzt werden, wenn es sich farblich von der Tischplatte abhebt. Das gleiche Prinzip gilt für die farbliche Markierung von Toilette und Waschbecken im Bad. Damit die Möbel nicht zur Stolperfalle werden, sind auch hier Kontraste wichtig. Bei einem gut erkennbaren Stuhl mit Armlehne (kein schmales Chromgestell!) setzt man sich leichter richtig in die Mitte.

Vorsicht, Stolperfallen!

Fußböden sollten möglichst von einer Farbe, einem Material und ohne auffällige Muster sein. Besonders Muster mit Wechsel von sehr hellen und sehr dunklen Flächen wie bei einem Schachbrett, bergen Stolper- und Fallrisiken, werden die Felder doch von Demenzkranken oft als höher und tieferliegend fehlinterpretiert. Da wird auch die Fußmatte zum tiefen Loch und eine Spiegelung zur Wasserfläche. Sinnvoll sind sich von der Wand abhebende Handläufe und Haltegriff. Anfang und Ende von Treppenstufen drinnen und draußen sollten ebenfalls markiert werden, denn bei einem guten Kontrast verringert sich die Gefahr von Stürzen.

Störgeräusche vermeiden

Weil es im Alter fällt es schwerer, einem Gespräch akustisch zu folgen, sollten Störgeräusche wie brummende Lüftungsanlagen oder ständig laufendes Radio vermieden werden. Schallschluckende Holzböden, Vorhänge, Polstermöbel, Kissen und ähnliches verbessern die Akustik. Schlecht hören führt oft zu einem sozialen Rückzug und dies beschleunigt wiederum den Abbau der Leistungsfähigkeit des Gehirns.

Toilettenmarkierung und Herdwächter

Ein gut sichtbarere Hinweis an der Tür zur Toilette kann helfen, rasch die richtige Türe zu finden, ein offenes Regal mit dem paar Schuhen, das getragen werden soll, die eine Jacke, die zur Jahreszeit passt und der Schlüssel gut sichtbar aufgehängt neben der Ausgangstüre, oder die Lieblingstasse in der Küche im Blickfeld, unterstützen.

Um Gefahren durch vergessenes Essen auf dem Herd vorzubeugen, könne man Herdwächter mit automatischer Herdabschaltung einbauen. Armaturen können mit Verbrühschutz ausgestattet werden.

Über Umbaumöglichkeiten und finanzielle Hilfen informieren die Wohnberatungen zum Beispiel am Landratsamt oder in der Stadt Bayreuth. Bei der Finanzierung helfen können die Pflegekassen oder die Kfw-Bank. „Aber nicht alles, was sinnvoll ist, kostet viel Geld“, sagt Dietz. Manchmal halfen auch schon kleine Maßnahmen, die man sich selber überlegt, dementen Menschen, sich besser zurechtzufinden.

Aktionstag im Landratsamt Bayreuth am 22. September

10.15 Uhr: Eröffnung mit Grußwort des Landrats

10.30 Uhr bis 12 Uhr: Entschuldigen Sie bitte, wo ist denn hier die Toilette?“ Alters- und demenzsensible Architektur in Theorie und Praxis, Birgit Dietz, Architektin, Bayerisches Institut für Alters- und Demenzsensible Architektur

13 Uhr bis 14.15 Uhr: Demenz – mit Hoffnung begegnen“ Kommunikation – Freude – Konflikte vermeiden, Elke Lindner, Einrichtungsleitung, Gerontopsychiatrische Fachkraft

15 Uhr bis 15.30 Uhr: Das Ich verreist“, Ein Theaterstück vom Sammeln und Verlieren, Rüdiger und Birgit Baumann, Theater DAS BAUMANN, Kulmbach

Ganztägig: Demenz-Parcours: An 13 Stationen können die Auswirkungen der Symptome einer Demenz im täglichen Leben nachempfunden werden, ganztägig

Infostände zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten, medizinischer Versorgung,

Literatur, Kultur und Freizeit, ganztägig

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