
In einem alten Fotoalbum hat sie noch ein paar Gruppenfotos von ihren Eltern und der Belegschaft. Mehr Bilder aus der Zeit gibt es nicht. "Die haben gearbeitet und gearbeitet", sagt Hadlich und lacht. "Da war keine Zeit für ein Selfie am Schleifstein." Einige dieser Schleifsteine bewahrt sie noch im Haus auf. "Das war eine kräftezehrende Arbeit, wie man sie sich heute nicht mehr vorstellen kann."

Schon als Kind hat sie das Leben im Haus genossen. Die Familie, die Angestellten, der Hund. "Da war immer was los. Hier wurde viel gearbeitet aber auch viel gefeiert." So war es eigentlich in der ganzen Werkssiedlung. Das Leben fand auf der Straße statt. Hier stand Familienbetrieb neben Familienbetrieb. Und in dem ganzen Trubel die kleine Brigitte. "Ich hatte als Kind immer zerschnittene Finger, weil ich mit den Glasscherben und Glasfäden gespielt habe."

Seit Jahrzehnten lebt das Ehepaar Hadlich nun schon in dem Haus. Doch selbst nach so langer Zeit entdecken sie noch Neues. Im Sommer haben sie ein kleines Gartenhäuschen gebaut. Beim umgraben haben sie Glasscherben und geschliffene Glassteine gefunden. "Früher hat man in der Werkstatt zusammengekehrt und den Kehricht in den Garten geschmissen", erklärt Herbert Hadlich den Fund. Seine Frau ergänzt: "Solches Zeug findet man hier in der Siedlung überall."

Besonders hat Brigitte Hadlich sich in ihrer Kindheit auf die Freitage gefreut. Dann war die Arbeitswoche vorbei und der Polierofen noch heiß. Dann haben ihre Eltern den Ofen zweckentfremdet und Räucherwürste darin gegrillt. "Dann war Wochenende", sagt sie. Der Ofen steht noch. Ein wenig entrümpelt und abgestaubt und er könnte glatt wieder in Betrieb gehen. Wieder Räucherwürste grillen, wie in der guten alten Zeit, das ist ein kleiner Traum von Brigitte Hadlich, den sie sich bald erfüllen möchte.

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