Beeinträchtigt THC überhaupt die Fahrtüchtigkeit?
Ja. Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg spricht davon, „dass akuter Cannabiskonsum die Fahrtüchtigkeit leicht einschränkt“. Das äußere sich unter anderem darin, dass die Geschwindigkeit weniger konstant gehalten werde und die Position auf der Fahrbahn stärker schwanke. „Daraus ergibt sich ein leicht erhöhtes Unfallrisiko“, so Manthey.
Ganz allgemein lässt sich sagen: Das Fahrverhalten unter dem Einfluss von THC ist sehr individuell und davon abhängig, wie häufig jemand konsumiert – und wann er oder sie zum letzten Mal konsumiert hat. Frequenz und Dosierung und die „daraus resultierender Gewöhnung“ seien entscheidend, sagt etwa Volker Auwärter. Er ist Laborleiter Forensische Toxikologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Zudem ist der zeitliche Verlauf der THC-Konzentration wesentlich komplexer als zum Beispiel bei Alkohol.“
THC wirkt im Körper anders als Alkohol. „Je mehr Alkohol ich trinke, desto höher wird die Blutalkoholkonzentration und umso stärker die Wirkung“, sagt Matthias Graw . „Für THC gibt es diesen Zusammenhang eben nicht.“ Deshalb sehen es viele Experten kritisch, dass immer wieder der Vergleich zu Alkohol gezogen wird.
Die Expertenkommision des Verkehrsministeriums, die den Grenzwert erarbeitet hat, zog den Vergleich des neuen Grenzwerts trotzdem. Aus ihrer Sicht entspricht er etwa 0,2 Promille Alkohol im Blut. Den Experten zufolge sei eine "sicherheitsrelavante Wirkung" ab einem Wert von 3,5 Nanogramm THC zumindest „nicht fernliegend“.
3,5 Nanogramm THC – ist das viel?
Kommt drauf an. In Fachkreisen ist von einem „konservativen“ Wert die Rede. Die Expertenkommission sah 7 Nanogramm THC als Wert an, ab der eine "Risikoerhöhung" beginne. Es sei jedoch schwer, einen allgemeingültigen Wert festzulegen, sagt Bernd Werse. Das hänge damit zusammen, dass die Toleranzbildung bei Cannabis deutlich stärker als beim Alkohol sei. Bedeutet: „Der THC-Wert kann bei Menschen, die regelmäßig – also täglich oder fast täglich – Cannabis konsumieren, sehr hoch liegen, ohne dass diese Menschen noch beeinträchtigt sind“, so Werse.
Jemand, der täglich Cannabis konsumiere, dessen letzter Joint aber schon einige Stunden zurückliege, könne „vielleicht noch sieben, acht oder elf Nanogramm THC im Blut“ haben. „Bei einem Reaktionstest würde er aber vermutlich nicht schlechter abschneiden, als jemand der gar nicht konsumiert hat“, argumentiert auch Jakob Manthey. Aus Sicht des Suchtforschers sind die 3,5 Nanogramm aber noch ein „vernünftiges Maß“. Denn Ausfallserscheinungen gebe es so „nur in absoluten Ausnahmefällen“. Studien gehen sogar davon aus, dass es erst ab 7 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum ein erhöhtes Unfallrisiko gibt. Volker Auwärter nennt den Wert einen „guten Kompromiss“.
Auf der anderen Seite gibt es auch Stimmen, die den Wert insgesamt kritisch sehen. Er verführe Gelegenheitskonsument eventuell dazu, sich früher als eigentlich gut für sie sei, wieder Auto zu fahren – so die Befürchtung von Matthias Graw. „Die Menschen, die regelmäßig konsumieren, profitieren hingegen kaum von der Grenzwertanhebung“, weil sie den Grenzwert „nicht selten überschreiten werden“. Das bemängelt auch der deutsche Hanfverband.
Der ADAC hält die nun eingeführte Grenze für plausibel. „Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Verkehrssicherheit dadurch beeinträchtigt werden“, hieß es in einer Stellungnahme für die Beratungen im Bundestag. Menschen, die Cannabis konsumieren, sollten aber keinen falschen Eindruck gewinnen. Es müsse nach wie vor die Prämisse gelten: „Wer fährt, kifft nicht!“ Für die Deutsche Polizeigewerkschaft geht der neue Grenzwert in die falsche Richtung. Die alte Schwelle von 1 Nanogramm sei maßvoll und hoch valide, mahnte sie in einer Stellungnahme. „Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wäre vielmehr eine Anpassung der Alkoholgrenzwerte erforderlich gewesen.“
Wie lange kann THC nachgewiesen werden?
Im Blut kann THC meist nur 12 bis 72 Stunden lang nachgewiesen werden, Abbauprodukte des Wirkstoffs jedoch deutlich länger: Bei regelmäßigem Konsum kann der Bluttest sogar mehrere Wochen nach der letzten THC-Aufnahme noch positiv ausfallen. Auch durch Urin- und Haarproben lässt sich Cannabis-Konsum nachweisen: Bei Dauerkonsum im Urin bis zu drei Monate, in den Haaren teils sogar bis zu einem Jahr.
Um sicher zu gehen, dass nur der „aktuelle“ Konsum im Straßenverkehr eine Rolle spielt, soll die Polizei mit sogenannten Speichelvortests überprüfen, ob jemand unter Drogeneinfluss steht. Experten halten das durchaus für einen gehbaren Weg: „Wenn der letzte Konsum lang genug zurück liegt – etwa acht Stunden – wird der Test nicht anschlagen, sodass dann kein Bluttest mehr durchgeführt werden würde“, sagt Bernd Werse. Drogenschnelltests gibt es im Übrigen auch auf andere Stoffe wie LSD.