"Wie im gallischen Dorf" Bäcker-Obermeister kämpft gegen Sonntagsarbeit

Von Stefan Linß
Genauso wie Asterix lässt sich Ralf Groß, der Obermeister der Kulmbacher Bäckerinnung, nichts gefallen. Die Fotomontage war ein Geschenk von Oberbürgermeister Henry Schramm anlässlich des Bäckereijubiläums. Foto: Stefan Linß Foto: Peter Gisder

KULMBACH.Das Bäckerhandwerk fordert längere Arbeitszeiten am Sonntag. Das ganze Bäckerhandwerk? Nein. Die unbeugsame Kulmbacher Innung hört nicht auf, den Plänen Widerstand zu leisten. "Es ist wie im kleinen gallischen Dorf", sagt Obermeister Ralf Groß im Gespräch mit dieser Zeitung. In seiner Rolle als Asterix fühlt er sich wohl. Auch wenn sein Gegner übermächtig erscheint, will er sich nichts gefallen lassen.

 
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Bei einem arbeitsmarktpolitischen Treffen informierte Ralf Groß am Donnerstag Anette Kramme aus Bayreuth, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, über den Standpunkt der Kulmbacher Innung. Nur drei Stunden, so will es derzeit das Arbeitsgesetz, dürfen Bäcker am Sonntag arbeiten. Das ist dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks und dem bayerischen Landesinnungsverband viel zu wenig. Sie fordern eine Gesetzesänderung.

Herr Groß, das deutsche Bäckerhandwerk drängt darauf, die Sonntagsarbeit auszuweiten. Warum sind Sie dagegen?

Ralf Groß: Wir wollen sonntags unsere Ruhe haben. Wir wollen, dass am Sonntag überall zu ist. Von einer längeren Arbeitszeit haben nur die Kettenbäcker mit 50 Filialen aufwärts etwas und sicher nicht die kleinen Handwerksbetriebe. Die Großen profitieren und die Kleinen gehen ein.

Wo sehen Sie das Problem?

Ralf Groß: Wenn der Sonntag ein normaler Arbeitstag wird, dann steigen unsere Kosten, weil wir mehr Personal brauchen. Aber die Umsätze werden nicht größer. Wir verkaufen kein Brötchen zusätzlich.

Warum nicht? Sie haben doch einen Tag mehr geöffnet.

Ralf Groß: Wenn wir sonntags öffnen, halbieren sich unsere Umsätze am Samstag. Denn viele Kunden kaufen samstags Brot und Brötchen für das ganze Wochenende ein.

Der Zentralverband des Bäckerhandwerks argumentiert, dass zum Beispiel Mitarbeiter in Tankstellen oder Backshops sonntags auch länger als drei Stunden arbeiten dürfen.

Ralf Groß: Tankstellen und Backshops sind die Konkurrenz für die großen Kettenbäcker, die man an Bahnhöfen oder vielbefahrenen Straßen findet. Die Kettenbäcker haben im Moment das Problem, dass sie innerhalb der erlaubten drei Stunden nicht genügend Zeit haben, um die Ware in entferntere Filialen auszuliefern. Uns kleinen Handwerksbetrieben ist das wurscht.

Was bedeutet Sonntagsarbeit für Ihre Personalsituation?

Ralf Groß: Ich kann in meinem Betrieb keine Hilfsarbeiter beschäftigen wie in Großbäckereien. Bei uns sind nur gelernte Fachkräfte. Außerdem ist der Sonntag ist für viele Arbeitnehmer der einzige freie Tag. Wann soll man denn sonst zum Beispiel eine Familienfeier machen? Die Konsequenz wird sein, dass sich am Sonntag der Chef und die Chefin reinstellen müssen. Darunter leidet wieder der ganze Betrieb.

Und Ihr Familienleben?

Ralf Groß: Ich habe meinem Sohn Sebastian den Betrieb übergeben und ihm gesagt, sechs Tage in der Woche muss er arbeiten. Am Sonntag kann er sich auf die Couch legen. Was soll er seinem Sohn sagen? Dass er sieben Tage arbeiten soll?

Damit beziehen Sie klar Position gegen ihren eigenen Landesinnungsverband.

Ralf Groß: Ich bin der Innungsobermeister von Kulmbach und muss für unsere Mitglieder da sein. Und die sagen eben Nein.

Aber es zwingt Sie ja keiner, am Sonntag ihre Backstuben zu öffnen.

Ralf Groß: Bislang haben alle unsere Innungsbäcker im Landkreis Kulmbach sonntags geschlossen. Wenn in Zukunft acht Stunden Arbeit erlaubt werden sollten, fällt der freie Sonntag erst bei uns, danach im Handel und dann in der Industrie. Irgendwann arbeiten wir sonntags alle. Wenn wir dann nicht öffnen, machen wir samstags noch weniger Umsatz.

Sie befürchten eine Sogwirkung?

Ralf Groß: Wir wollen den Trend aufhalten. Wenn wir nicht aufpassen, dann verschwinden die kleinen Betriebe noch schneller. Es ist schwierig, weil im Landesinnungsverband Großbäcker mit 2500 Beschäftigten sind genauso wie der Ein-Mann-Betrieb.

Wie ist die Situation im Raum Kulmbach?

Ralf Groß: Als ich 1989 angefangen habe, waren wir noch 15 Bäckereibetriebe in der Stadt Kulmbach. Heute sind es drei. Im Landkreis gab es insgesamt 60 Betriebe, heute sind es 17. Davon sind 13 in der Innung.

Je weniger Kleine übrig bleiben, desto unbeugsamer geben sie sich?

Ralf Groß: Es ist wie im kleinen gallischen Dorf. Die großen Verbände stehen regelmäßig in Berlin auf der Matte und üben dort Druck aus. Sie sagen, dass sie für alle Handwerksbetriebe sprechen. Dabei wollen sie doch etwas ganz anderes als wir wollen. Für uns ist es ein Kampf um jeden noch existierenden Betrieb. Wir müssen uns wehren. Denn überleben können wir nur, wenn Gesetze wie zu den verlängerten Sonntagsarbeitszeiten nicht kommen.             


Zentralverband kämpft weiter

Die Bundesregierung hatte dem Drängen des Zentralverbandes der Deutschen Bäckerhandwerks zuletzt nachgegeben. Wie der Verband mitteilt, hat die große Koalition bereits 2017 einen politischen Vorstoß unternommen, um die im Arbeitszeitgesetz festgeschriebenen maximalen Sonntagsarbeitszeiten für Beschäftigte in der Herstellung von Backwaren zu verlängern. "Dabei schlug das Bundesarbeitsministerium eine Ausweitung auf fünf Stunden vor, bezogen auf das gesamte Unternehmen, per Tarifvertrag. Doch diesen Vorschlag lehnten die Landesinnungsverbände - die im Bäckerhandwerk bei Arbeitszeitthemen Tarifpartner sind - als nicht weitgehend genug ab - und damit auch der Zentralverband", heißt es in einer Mitteilung des Verbandes.

"Wir kämpfen darum, dass die Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen auf acht Stunden betriebsbezogen ausgeweitet werden - und zwar unmittelbar kraft Gesetz, unabhängig von einem Tarifvertrag. Denn ansonsten kommen wir nicht wirklich zu einer Verbesserung", wird Zentralverbandspräsident Michael Wippler zitiert.

Im Bundesarbeitszeitgesetz ist in Paragraf zehn die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung geregelt. Dort heiß es, dass Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Bäckereien und Konditoreien für bis zu drei Stunden mit der Herstellung und dem Austragen oder Ausfahren von Konditorwaren und an diesem Tag zum Verkauf kommenden Bäckerwaren beschäftigt werden dürfen.

Der Zentralverband argumentiert, dass die drei Stunden erlaubter Arbeitszeit pro Mitarbeiter sonntags nicht ausreichen. Besonders das Ausliefern der Backwaren in die Filialen sei in dieser Zeit nur schwer zu schaffen. Bäckereien haben damit an den umsatzstarken Sonntagen einen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Backshops, die lediglich aufgebackene Brötchen verkaufen, heißt es. Außerdem dürfe auch an Tankstellen sonntags länger geöffnet werden als in Bäckereien.

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