Wetter und Klima Warum ist der Sommer so kalt?

Markus Brauer/

Der Juli ist der bislang heißeste Monat seit Tausenden von Jahren. In mehreren Weltregionen werden Temperaturrekorde gebrochen. Nicht so in Deutschland. Dauerregen zu Ferienbeginn.

 
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Regentropfen fallen in das Wasser des Jacobiweihers im Frankfurter Stadtwald: Könnte im Juli gewesen sein. Tatsächlich wurde das Foto am 2. Januar 2023 aufgenommen. Foto: Arne Dedert/dpa/Arne Dedert

Der Sommer in Deutschland legt momentan eine kleine Verschnaufpause ein. Seit Tagen dümpeln die Temperaturen um 16 bis 20 Grad. Gefühlt regnet es den ganzen Tag – und nachts sowieso. „Raindrops Keep Falling on My Head“ – Pop-Sänger B. J. Thomas lässt grüßen.

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Das Wetter ist wechselhaft, unbeständig und ungemütlich. Und das ausgerechnet zu Beginn der Sommerferien in Baden-Württemberg. Wird das nass-kühle Wetter in den nächsten Tagen und Wochen so bleiben?

Wann wird’s wieder richtig Sommer?

„Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“, fragt sich da mancher Älterer mit sentimentalen Anklängen an Rudi Carrells Evergreen aus dem Jahr 1975 - oder in der (viel passenderen) Version der NDR-“Sketschköppe" Dennis und Jesko „Wann wird’s mal wieder ein beschissener Sommer?“

Aber war da bis vor kurzem nicht noch was – mit Dürre, Rekordtemperaturen, Wasserknappheit und Hitzeschock? Klimawandel hin oder her: Das Erinnerungsvermögen ist bei vielen offenbar so strukturiert wie ein Sieb.

Ist der Sommer 2023 wirklich so kalt wie gefühlt?

Also stimmt es  tatsächlich oder ist alles Nonsens: Ist der Sommer 2023 wirklich so kalt wie gefühlt? Fakt ist: Der diesjährige Juli liegt voll im Trend der Juli-Monate der vergangenen Jahre. Die Temperaturen lagen 2023 demnach zwischen 21 und 30 Grad – mit Tiefstwerten um 15 Grad, was den Durchschnittswerten ungefähr der letzten Dekade entspricht. An acht bis zehn Tagen regnete es mehr oder weniger ausgiebig. Auch das entsprach den gängigen Mittelwerten.

Der heißeste Juli seit Jahrtausenden – aber nicht in Deutschland

Dabei hatten erst am Donnerstag (27. Juli) die Welt-Wetterorganisation World Meteorological Organization (WMO) und der europäischen Klimawandeldienst Copernicus in Genf offiziell verkündet: Der Juli 2023 ist der bislang heißeste Monat seit Tausenden von Jahren. In mehreren Weltregionen seien Temperaturrekorde an Land wie im Wasser gebrochen worden.

„Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen“, warnte UN-Generalsekretär António Guterres. „Die Welt sitzt auf einem heißen Stuhl. Wir müssen nicht bis Ende des Monats warten, um das genau zu wissen. Wenn es in den nächsten Tagen keine Mini-Eiszeit gibt, wird der Juli alle Rekorde brechen.“

So viel steht fest: Eine kleine Eiszeit wird es nicht geben. Denn eine solch kältere Klimaperiode fällt nicht mal eben für ein paar Tage oder Wochen quasi vom Himmel. Die letzte Kälteperiode dieser Art dauerte von etwa 1300 bis 1900 n. Chr.. In dier Zeit überwogen sehr niedrige Temperaturen in der nördlichen Hemisphäre im Vergleich zur mittelalterlichen Warmzeit.

Zudem können ein paar heißere oder kühlere Tage in Deutschland nicht die meteorologische Tatsache des Klimawandels einfach ad acta legen. Allen Klimawandel-Leugnern sei gesagt: Auch im Zeitalter der menschengemachten Erderwärmung und des Anthropozäns ist Wetter nicht gleich Klima. Wetter ist ein kurzfristiges Ereignis, das Klima hingegen wird über einen längeren Zeitraum beobachtet und beeinflusst das Wetter in viel größeren zeitlichen Dimensionen. 

Wer wissen möchte, ob so viel Regen im Juli "noch normal“ ist, kann sich in unserer Zeitung genauer informieren. So viel vornweg: Ja, so viel Regen im Juli ist völlig normal!

Ist das Juli-Wetter nur gefühlt so schlecht?

„Die objektive Wetterwirklichkeit und die subjektive Wahrnehmung klaffen oft weit auseinander“, stellt Peter Walschburger, emeritierter Professor für Biopsychologe an der Freien Universität Berlin, fest. „Das Wetter ist oft nicht so schlimm, wie wir es empfinden. Ein vermeintlich verregneter Sommer weckt Emotionen.“

Warum dient das Wetter oft als Prügelknabe?

Das Wetter muss quasi als Prügelknabe herhalten, wenn der Mensch unzufrieden und gestresst ist. „Wenn es ein paar Tage 30 Grad ist, kommen Klagen. Wenn die Temperaturen sinken, wird gemeckert“, betont Walschburger. Wenn es den ganzen Tag regne, empfänden wir dies als einen „Störimpuls“, auf den wir unsere ganze Aufmerksamkeit lenken. „Diese Wahrnehmung verstärkt sich und bleibt eine Zeit lang in unserem Bewusstsein hängen.“

Was hat der Dauerregen in Deutschland mit El Niño zu tun?

Nach einer Prognose der WMO muss sich die Welt wegen des Klimaphänomens El Niño in diesem Jahr auf weitere Temperaturrekorde einstellen. Schon jetzt sei das Oberflächenwasser im zentralen und östlichen Pazifik höher als im langjährigen Durchschnitt. Dies gehe immer mit höheren Temperaturen an Land einher, berichtet die WMO.

Mit Blick auf 2024 und 2025 seien wegen El Niño sogar Temperaturrekorde zu befürchten, warnt WMO-Chef Petteri Taalas. „Die Entwicklung eines El Niño erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Temperaturrekorde gebrochen werden.“

Was bewirken El Niño und La Niña?

El Niño und das Gegenstück La Niña begünstigen Extremwetter in vielen Regionen des Planeten. El Niño treibt die globale Durchschnittstemperatur in die Höhe, während La Niña einen kühlenden Effekt hat. Sie tauchen abwechselnd alle paar Jahre auf. Bei beiden verändern sich die Meeres- und Luftströmungen im und über dem süd-südöstlichen Pazifik.

Je nach Weltregion erzeugt dies vermehrte Niederschläge oder Dürren. Weil die Erwärmung der Küstengewässer vor Peru immer zum Jahresende besonders hoch waren, nannten Fischer das Phänomen El Niño - spanisch für das Christkind.

El Niño steht für eine Wetterperiode, in der eine bestimmte Region im Pazifischen Ozean besonders warme Wassertemperaturen aufweist, La Niña für eine besonders kalte Phase. Beide Zyklen wechseln sich durchschnittlich alle drei bis vier Jahre ab.

Ein Extrem löst das andere ab

In den vergangenen drei Jahren sei das globale Klima von La Niña beeinflusst worden, erläutert WMO-Chef Taalas. „Das wirkte wie eine Bremse auf den globalen Temperaturanstieg.“ Wie lange El Niño anhalte oder wie stark seine Folgen sein wrden, darüber könnten Fachleute nur mutmaßen.

El Niño hat Einfluss auf das Wetter weltweit, weil er Hoch- und Tiefdrucksysteme, Winde und Niederschläge beeinflusst – auch in Deutschland. Aufgrund der größeren Energiemenge, die El Niño weltweit liefert, sind auch neue und extremere Hitzerekorde und möglicherweise besonders heftiger Starkregen von den Alpen bis zur Nordsee wahrscheinlich. Vielleicht wird*s im August doch mal wieder richtig Sommer in Deutschland.