Wenn Angst krank macht Viele Kinder gehen deshalb nicht in den Unterricht

Von Rachel Boßmeyer
Etwa 3,5 Prozent der rund elf Millionen Schüler haben Schulangst. Das verursacht viel Leid. Foto: Helen Ahmad/dpa Foto: red

MÜNCHEN. Angst vor schlechten Noten, fiese Mitschüler, Stress – Schule kann für Kinder hart sein. Für manche ist es so schlimm, dass sie krank werden. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit können die Folge sein. Viele gehen dann gar nicht mehr zur Schule. Fachleute sprechen von Schulangst.

 
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Für Schulpsychologen ist es ein alltägliches Thema. Etwa 3,5 Prozent der rund elf Millionen Schulkinder in Deutschland sind laut DAK-Kinder- und Jugendreport 2018 von Schulangst und Schulphobie betroffen – Jungen etwas häufiger als Mädchen. Schulangst und Schulphobie haben aber nichts mit Schwänzen zu tun. Denn im Gegensatz zum Schwänzen wüssten Eltern in der Regel davon. Schulphobie sei meist eine Trennungsangst und trete bereits ab der Einschulung auf, erklärt Astrid Holch, Oberärztin der Kinder- und Jugendpsychosomatik an der München Klinik Schwabing. „Die Schulangst bezeichnet die tatsächlichen konkreten Ängste in der Schule. Prüfungsangst, soziale Ängste, Ängste aufgrund von Leistungsüberforderung oder durch erlebtes Mobbing in der Schule.“ Dass Schmerzen bei Kindern eine psychologische Ursache haben, ist nicht immer leicht festzustellen. Eltern veranlassen oft zahlreiche medizinische Untersuchungen, um eine körperliche Ursache für das Leiden ihres Kindes zu finden.
„Anfangs gibt es eher unspezifische Zeichen – Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, vielleicht auch Rückenschmerzen – sodass es mal hier und mal da etwas gibt“, sagt Holch. Wichtig sei es für Eltern, ihr Kind ernst zu nehmen, ergänzt Andreas Oberle, Leiter der Sozialpädiatrie am Olgahospital Stuttgart. Gerade bei Problemen zu Hause könnten sich viele Kinder nur schwer konzentrieren: „Das Kind hat den Kopf überhaupt nicht mehr zum Lernen frei“, so Gereon Schädler, Chefarzt Neuropädiatrie am Klinikum Josefinum in Augsburg. Um einem Kind mit Schulangst oder Schulphobie zu helfen, ist häufig eine Psychotherapie notwendig. Sie dauere ein bis anderthalb Jahre.


„Billighandy“ reicht, um zum Außenseiter zu werden

Schwierige finanzielle Verhältnisse im Elternhaus lassen Kinder nach Erfahrungen des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) auch in Bayern häufig zu Mobbingopfern werden. „Nicht das richtige Handy zu besitzen, keine Markenkleidung zu tragen, keinen Reit- oder Klavierunterricht zu haben oder nicht mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren zu können – damit werden Kinder rasch zu Opfern von Hänseleien und Ausgrenzung“, berichtet die pädagogische Leiterin des DKSB in Bayern, Alexandra Schreiner-Hirsch. Mobbing habe es schon immer in den Schulen gegeben, erklärt die DKSB-Vertreterin. „Mit den sozialen Medien hat Mobbing aber eine neue Dimension bekommen“, betont sie und beruft sich auf Berichte von Eltern und betroffener Kinder, die beim Kinderschutzbund Rat suchten. „Jeder ist heute in einer Whatsapp-Gruppe – darüber können Mitschüler bewusst ausgeschlossen werden. Und die bieten auch eine Plattform für Mobbing und Attacken.“ Wie groß das Problem sei, zeige auch die stark gestiegene Nachfrage nach Medienkompetenz-Kursen des Kinderschutzbundes an bayerischen Schulen.
Im Rahmen des Projekts „Medienlöwen“ lernten Schüler mit Trainerinnen etwa den respektvollen Umgang miteinander in sozialen Netzwerken. „Wir sind gerade dabei, weitere Trainer auszubilden. Die Nachfrage nach diesen Kursen steigt stark“, berichtet die Pädagogin. Das punktuelle Angebot solcher Medien- und Gewaltpräventionskurse, wie sie der DKSB auf Anfrage anbietet, sei aber unzureichend. „Wir wünschen uns, dass diese Kurse in Schulen zur Dauereinrichtung werden. Um das soziale Miteinander zu verbessern, empfehlen wir auch den Ausbau der Schulsozialarbeit.“ Parallel seien auch Angebote für Eltern wichtig, wie das Programm „Starke Eltern – Starke Kinder“, das Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärke. Nach einer Bertelsmann–Studie hat die Mehrheit der Schüler in Deutschland bereits Ausgrenzung, Hänseleien und körperliche Gewalt erlebt. Rund ein Viertel fühlt sich an der Schule nicht sicher.
Von Klaus Tscharnke, dpa

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