Zum Weltkrebstag Die Einsamkeit der Krebskranken

Peter Rauscher

Eine Krebsdiagnose verändert das Leben Betroffener von einen Tag auf den anderen. Als Stütze für die Kranken versteht sich die psychosoziale Beratungsstelle Bayreuth der Bayerischen Krebsgesellschaft.

 
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Bayreuth - Stephanie Schmid, die diese Beratungsstelle seit dem vergangenen Jahr leitet, spricht über ihre Arbeit und erklärt, warum die Pandemie viele Krebskranke besonders hart trifft.

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Der Weltkrebstag an diesem Freitag steht unter dem Motto „Versorgungslücken schließen“. Gibt es solche Lücken auch in Oberfranken?

Stephanie Schmid: Ja und Nein. Die Patienten, die zu uns in die Beratung kommen, sind in der Regel medizinisch gut versorgt. Sie haben die Ärzte, die sie brauchen, auch wenn man manchmal auf Termine warten muss. Was Patienten aber manchmal beklagen, ist das mangelnde Zusammenspiel der einzelnen Akteure: also zwischen ambulant und stationär oder zwischen den niedergelassenen Ärzten untereinander. Diese Patienten haben das Gefühl, dass niemand die Fäden für sie in der Hand hat und sie alleine dastehen. Hier bekomme ich den Befund vom Gynäkologen, dort den vom Onkologen, dann den von der Klinik – und was mache ich jetzt damit?

 Wie stark spüren Sie in Ihrer Funktion den Beratungsbedarf von Krebspatienten?

Schmid: Unser Arbeitspensum ist im Moment sehr hoch, es gibt sehr viele Anfragen. Während des Lockdowns haben sich dagegen nur sehr wenige Menschen an uns gewandt. Es gab kaum Beratungen, gar keine in Präsenz, wenige telefonisch. Wir haben den Eindruck, die meisten Patienten hatten sich zurückgezogen und es hat sich über die Monate der Pandemie etwas angestaut, was jetzt mit den vielen Anfragen nachgeholt wird.

 Reicht das Beratungsangebot in Oberfranken aus?

Schmid: Wir haben Beratungsstellen in Bamberg, Hof und Bayreuth, dazu Außensprechstunden in Marktredwitz, Weiden, Coburg und Kronach. Im Moment decken wir die Nachfrage damit ganz gut ab. Weil Krebskranke aber Gott sei Dank immer länger überleben, gibt es auch immer mehr Menschen, die mit Langzeitfolgen ihrer Erkrankung zurechtkommen müssen. Weil die Beratungsstellen hier helfen können, erwarten wir tendenziell weiter steigende Nachfrage.

Wie können Krebspatienten von der Krebsberatungsstelle profitieren?

Schmid: Um auf das Motto des Weltkrebstages zurückzukommen: Wir versuchen Versorgungslücken zu schließen, indem wir Patienten helfen, die nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. Das geht vom sozialrechtlichen Bereich mit Fragen zum Grad der Behinderung, Reha und Rente bis hin zur emotionalen Bewältigung und dem Umgang mit Ängsten. Wir beraten die Patienten und auch ihre Angehörigen selbst, wissen aber auch, wer ihnen in welchen Fragen weiterhelfen kann. Menschen mit tumorbedingter Erschöpfung bieten wir zum Beispiel eine spezielle Fatigue-Sprechstunde an.

Krebskranke leiden mehr unter der Pandemie als andere Menschen, heißt es. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Schmid: In vielen Fällen trifft das zu. Während der Pandemie mussten viele Patienten alleine mit Diagnose und Behandlung fertig werden. Oft war es nicht möglich, dass sie etwa in Kliniken Begleitung mitnahmen. Unser typischer Ratschlag ist, dass Patienten beim Arztgespräch Angehörige dabeihaben sollen. In Pandemiezeiten ist das sehr häufig nicht möglich. Patienten fühlten sich dadurch oft alleingelassen. Es gab aber auch Patienten, die dem Ganzen etwas Positives abgewinnen konnten. Manche Patienten in der Chemotherapie, die immungeschwächt sind, waren ganz froh, dass andere Menschen auf Abstand blieben.

Aber auch diese Menschen hätten Unterstützung gebraucht, oder?

Schmid: Ja, das ist die Kehrseite. Die Selbsthilfegruppen zum Beispiel, die sehr wichtig für die Unterstützung akut und chronisch Kranker sind, konnten sich lange Zeit nicht mehr treffen und somit auch keine neuen Interessenten aufnehmen.

Wie stark ist ihre Arbeit zum jetzigen Zeitpunkt noch coronabedingt eingeschränkt?

Schmid: Nach einer langen Durststrecke können wir bis auf größere Gruppentreffen alles wieder anbieten. Wir beraten per Telefon, per Video und auch persönlich nach der 3G-Plus-Regel. Fast alle unsere Klienten sind geimpft.

Beraten Sie auch zum Thema Corona-Impfung?

Schmid: Wenn das gewünscht wird, ja. Nach jetziger Datenlage wird Krebspatienten ganz klar die Impfung empfohlen. Es gibt wenige Ausnahmefälle, die man individuell mit dem Arzt besprechen muss.

In der dunklen Coronazeit: Was war ihr schönstes Erlebnis als Leiterin der Beratungsstelle?

Schmid: Ich begleite schon länger eine Krebspatientin, die sich mitten in der Pandemiezeit an uns gewandt hatte. Monatelang konnte ich sie nur telefonisch beraten. Nach Lockerungen konnte sie erstmals persönlich in die Beratungsstelle kommen. Als die Tür aufging und sie hereinkam, hatte die Situation ein bisschen was von der Sendung „Herzblatt“. Für uns beide war es ein ganz schöner Moment, sich nach Monaten am Telefon, in denen sich Vertrauen aufgebaut hat, zum ersten Mal persönlich kennenzulernen.


Info: Die Krebsberatungsstelle Bayreuth ist zu erreichen Dienstag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und Mittwoch von 9 bis 16 Uhr unter Telefon 0921/1512030. Mail: kbs-bayreuth@bayerische-krebsgesellschaft.de

Zur Person:

Stephanie Schmid, 41 Jahre, ist promovierte Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Die gebürtige Bayreutherin ist nach dem Studium in Bamberg und Stationen an der Universität Mainz und am Uniklinikum Erlangen seit 2013 wieder in ihrer Geburtsstadt und seit 2020 für die Bayerische Krebsgesellschaft tätig.