Welt-Aids-Tag Gegen das Vergessen

Von Peter Rauscher
Neues Testangebot: Martina Höll leitet die Aidsberatung Oberfranken der Diakonie. Foto: Peter Rauscher

Von Aids redet in Corona-Zeiten kaum noch jemand, doch die Krankheit ist nicht weg. Rund 2000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland neu mit HIV infiziert, die Zahl der insgesamt Infizierten schätzt das Robert-Koch-Institut auf mehr als 91.000. Jeder Zehnte davon weiß nichts von seiner Infektion. Der Kurier startet zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember eine Telefonaktion und sprach mit Martina Höll, Leiterin der Aidsberatungsstelle Oberfranken der Diakonie.

 
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Aids ist heute aus der öffentlichen Wahrnehmung fast verschwunden. Liegt das nur an Corona?

Martina Höll: Zum einen hat Corona das Thema HIV/ Aids in den Hintergrund gedrängt. Man kann aber ein Thema auch nicht über einen Zeitraum von 35 Jahren stark in der Aufmerksamkeit halten. Deshalb ist es gut, dass der Welt-Aids-Tag jedes Jahr am 1. Dezember neue Anstöße gibt und gegen das Vergessen arbeitet.

Ist es gut oder schlecht, wenn Aids heute nicht mehr so im Fokus steht?

Höll: Kommt darauf an, wie es im Fokus steht. Es gibt einige gute Nachrichten, die es sich lohnt weiter zu verbreiten.

Bitte sehr!

Höll: HIV ist unter erfolgreicher Therapie nicht mehr übertragbar. Das ist zwar nicht neu, wissen aber tatsächlich nur rund 18 Prozent der Bevölkerung. Viele wissen auch immer noch nicht, dass man sich im täglichen Umgang nicht mit HIV infizieren kann - egal ob jemand unter Therapie ist oder nicht.

Wie hat Corona die Arbeit der Aidsberatungsstelle verändert?

Höll: Die Beratungsstelle musste streckenweise schließen, Präsenzberatung war nicht möglich. Zeitweise gab es keine Testmöglichkeiten mehr.

Wie hat sich die Nachfrage nach Aidsberatung in Oberfranken in den letzten Jahren verändert?

Höll: Im Corona-Jahr 2020 hatten wir mehr Beratungen als im Jahr davor. 506 Personen suchten Kontakt zu uns, 2019 waren es 407. Für das laufende Jahr gibt es noch keine Zahlen, die Nachfrage scheint aber der des Vorjahres zu entsprechen. Wegen Corona gibt es jetzt viel mehr Beratung am Telefon oder schriftlich.

Was wollen die Ratsuchenden von Ihnen vor allem wissen?

Höll: Das kommt darauf an, ob sie mit HIV leben oder nicht. In letzterem Fall geht es oft um die Unsicherheit, ob man sich mit HIV infiziert haben könnte, wo man sich testen lassen kann und in welchen Fällen man testen sollte. Ab Mitte kommender Woche gibt es in der Aidsberatung Oberfranken übrigens die neue Möglichkeit für Schnelltests auf Aids, Syphilis und Hepatitis C mit einem Piks in den Finger. Man sollte sich aber vorher bei uns anmelden. Der HIV-Test kostet wie bisher 20 Euro, die Kombination mit Hepatits C etwas mehr.

Gibt es heute Menschen, die an Aids sterben?

Höll: Das Robert-Koch-Institut zählte im vergangenen Jahr 380 Menschen, die an den Folgen von Aids gestorben sind.

Hätten diese Todesfälle vermieden werden können?

Höll: Es kommt darauf an. Darunter waren vermutlich Personen, die sich in einer Zeit infiziert haben, in der die Medizin noch nicht so weit war wie heute. Die Kombinationstherapie gibt es erst seit 1996. Außerdem gab es im vergangenen Jahr in Deutschland 900 Diagnosen mit einem fortgeschrittenen Immundefekt. Das heißt: Diese Krankheit wurde erst nach Jahren erkannt. In diesen Fällen ist die Prognose nicht so gut wie in Fällen, in denen mit der Therapie rasch begonnen werden kann.

Werden Aidstests zu lange hinausgezögert?

Höll: Da ist das eine. Es kommt auch vor, dass Menschen über Jahre immer wieder gesundheitliche Probleme haben, ohne auf die Idee zu kommen, dass eine zurückliegende HIV-Infektion die Ursache sein könnte.

Wie verändert sich das Leben, wenn jemand erfährt, dass der HIV positiv ist?

Höll: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Was die Perspektive angeht, kann man sagen: Wenn man rechtzeitig mit der Therapie anfängt, hat man eine nahezu normale Lebenserwartung. Was sich aber kaum geändert hat: HIV positive Menschen sind nach wie vor großen Vorurteilen ausgesetzt.

Fragen zum Thema Aids und zu anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis und Chlamydien beantworten Experten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einer Kurier-Telefonaktion am Welt-Aids-Tag, 1. Dezember, von 13 bis 15 Uhr unter der Telefonnummer: 0221/892031.

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