Wachstumsbremse Oberfranken braucht weiterhin Fachkräfte

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Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Bundesregierung Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten den Zuzug nach Deutschland erleichtern. Oberfränkische Wirtschaftsvertreter begrüßen das Gesetz, das ab 1. März in Kraft tritt. Foto: Patrick Pleul/ZB/dpa Quelle: Unbekannt

BAYREUTH/COBURG/HOF. Die Konjunktur in Deutschland flaut spürbar ab – und auch die Wirtschaft in Oberfranken mit ihren vielen Automobilzulieferern und Maschinenbauern bekommt dies zu spüren. Zahlreiche Unternehmen haben in den vergangenen Monaten ihre Produktion zurückgefahren und nach zehn Jahren des wirtschaftlichen Booms weniger Stellen ausgeschrieben. Dennoch warnen Wirtschaftsverbände und Firmen weiter vor einem gravierenden Mangel an Fachkräften in der Zukunft.

 
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23.000 fehlen bereits in diesem Jahr im produzierenden Gewerbe, im Handel und im Handwerk in Oberfranken, teilen die oberfränkischen Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammer Oberfranken auf Nachfrage mit. Wird nicht gegengesteuert, wird sich diese Lücke bis 2030 auf rund 51.000 Fachkräfte ausweiten.

Das ab dem 1. März geltende Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung stößt in der oberfränkischen Wirtschaft auf große Zustimmung. Es soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland erleichtern. Denn auch die Politik hat erkannt, dass diese im Inland und der Europäischen Union zunehmend knapper werden. Mit dem Gesetz sollen vor allem Visa-Verfahren beschleunigt und klarere Regeln für die Berufsanerkennung geschaffen werden.

Risiko für die weitere Entwicklung

„Unsere Unternehmen können bereits heute den Bedarf an Fachkräften nicht mehr decken“, betont Wolfram Brehm, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Oberfranken Bayreuth. Auch wenn sich aktuell die Konjunktur eintrübe, gebe es schon jetzt eine große Fachkräftelücke. „Mehr als 50 Prozent der Unternehmen in Oberfranken sehen dies als Risiko für ihre weitere Entwicklung.“ Und wenn in den kommenden 20 Jahren die sogenannten Baby-Boomer in den Ruhestand gehen, werde sich diese Lücke weiter öffnen.

Ebenso geht die IHK zu Coburg davon aus, dass „das inländische Potenzial wohl nicht ausreichen werde, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken“. „Deshalb sind wir in den kommenden Jahren zunehmend auf Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland, auch aus Drittstaaten, in unseren Arbeitsmarkt angewiesen“, teilt der Hauptgeschäftsführer der Coburger IHK, Siegmar Schnabel, mit.

Besonders gefragt seien derzeit Industriemechaniker, Fachinformatiker und Berufskraftfahrer. „Die Unternehmen haben bereits Probleme, freie Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Diese Entwicklung wird zunehmend zu einer Wachstumsbremse.“

Die wirtschaftlichen Folgen lassen sich in Zahlen ausdrücken: Schon heute beträgt nach IHK-Angaben der Wertschöpfungsverlust in den oberfränkischen Unternehmen wegen fehlender Fachkräfte rund 2,7 Milliarden Euro – das sind etwa sieben Prozent der gesamten Wertschöpfung. Und bis 2023 werde dieser Verlust auf 5,4 Milliarden Euro und damit zwölf Prozent steigen, prognostiziert die IHK.

Lücke auch beim Handwerk

Auch das oberfränkische Handwerk sieht den Zeitpunkt gekommen, den Arbeitsmarkt für Fachkräfte aus dem Ausland weiter zu öffnen. Denn derzeit blieben etwa 20 Prozent aller Ausbildungsstellen unbesetzt, teilt die Handwerkskammer für Oberfranken auf Nachfrage mit. „Von daher freuen wir uns, dass jetzt beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz tatsächlich die Fachkräfte im Fokus sind“, erläutert Hauptgeschäftsführer Thomas Koller.

„Aus unserer Sicht werden mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz endlich die Weichen für ein modernes Zuwanderungsrecht gestellt.“ Denn bislang sei vorwiegend nur der Zuzug vor allem für Fachkräfte mit einem akademischen Abschluss möglich.

Doch so begrüßenswert der erleichterte Zugang von Fachkräften nach Deutschland ist – bei der Anwerbung und der Integration können sich derzeit ganz konkrete Probleme stellen: Der Bayreuther IHK-Vertreter Wolfram Brehm sieht große Schwierigkeiten, Fachkräfte mit ausreichenden Deutschkenntnissen zu finden. Zudem sei eine weitere Hürde die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse.

Dabei werden Bewerber in allen Branchen und Gewerken händeringend gesucht. Das Spektrum reicht von gewerblich-technischen Berufen über den Pflege- und Gesundheitsbereich bis hin zu Kfz-Mechatronikern und Bäckern. „Auch wenn es anfangs vermutlich noch nicht die große Anzahl an Menschen sein wird, die nach Deutschland kommt. Jeder und jede Einzelne kann helfen“, hofft Thomas Koller.

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