Vor 100 Jahren wurde Wieland Wagner geboren – Sonderkonzert, Symposien und Ausstellungen zum Jubiläum Wieland Wagner: Feier für den Wunderknaben

Von Michael Weiser
Richtungsweisend: Wieland Wagner bei einer Probe. Foto: Archiv Foto: red

In seiner Wohnung in der Münchner Maxvorstadt sitzt Oswald Georg Bauer und studiert Unterlagen, vor allem Briefe. Briefe eines Mannes, der sich intensiv mit seiner Arbeit und seinen Künstlern beschäftigte. Der noch vom Krankenbett aus detaillierte Anweisungen schickte.

 
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Schillernder müsse sie die Figur der Kundry ausmalen, riet dieser Mann etwa Astrid Varnay, in einem Ton, bei dem der berühmten Sängerin die Ohren geglüht haben könnten. „Es ist nicht genug bei dieser schwierigen Partie, dass eine mütterliche Dame Mutter spielt oder zur Mutter wird“ schrieb Wieland Wagner, „um einen Jungen zu verwirren und unter falscher Flagge sich seiner zu bemächtigen.“

"Wieland hatte den Röntgenblick"

„Wieland hatte den Röntgenblick“, sagt Bauer, „er konnte ein Stück absolut durchdringen.“ Und: „Er stelle die Analyse über die Assoziation. Nicht nach dem Motto, da habe ich eine Einbauküche, mal schauen, vielleicht fällt uns da noch was ein. Sondern: Wie komme ich zum Kern des Stückes?“

Den Artikel zum 50. Todestag lesen Sie hier: Wieland, der Wunderknabe

Oswald Georg Bauer, enger Vertrauter von Wolfgang Wagner, jahrelang Pressechef der Bayreuther Festspiele, hat im vergangenen Jahr einen gewichtigen Sensationserfolg gelandet. Und nun schickt sich Bauer an, zusammen mit seinem Mitstreiter Till Haberfeld Bayreuths Wunderknaben ein Geschenk zu machen: Zum hundertsten Geburtstag widmen die beiden Fachleute Wieland Wagner einen Band mit vielen Originaltexten, mit Nachrufen (etwa von Ernst Bloch) und mit vielen Bildern. Er soll pünktlich zum Start der Festspiele erscheinen.

Kranzniederlegung am Grab

Am Donnerstag beginnt das Festjahr bereits: Mit einer Kranzniederlegung der Stadt Bayreuth am Grabe Wielands. Es wird im Sommer weitergehen, mit einem Konzert im Festspielhaus, am 24. Juli, einen Tag vor dem Start der Festspiele. Im Programm steht – sein Einverständnis hat der Stiftungsrat ausdrücklich gegeben – auch Musik von Giuseppe Verdi und Ausschnitte aus dem „Wozzeck“ von Alban Berg. Ganz sicher wird das einer der Höhepunkte des Kulturjahres: Es kommt bekanntlich nicht so oft vor, dass Musik fremder Komponisten im Festspielhaus erklingt. Wo man die Karten für das Sonderkonzert kaufen kann, soll demnächst bekannt gegeben werden.

Die Planungen seien noch nicht abgeschlossen, sagte Festspielchefin Katharina Wagner, aber es werden als Solisten wohl Christa Mayer und Stephen Gould mit von der Partie sein. Im Foyer des Festspielhauses soll während der Festspielzeit eine Ausstellung gezeigt werden.

Gedankenaustausch zum Thema NS-Zeit

Das Richard-Wagner-Museum und die Festspiele werden bei zwei Symposien in Haus Wahnfried zusammenarbeiten. Die Festspiele laden während der Premierenwoche zu einem Gedankenaustausch zum Thema „Wagner im Nationalsozialismus – Zur Frage des Sündenfalls in der Kunst“ und zur Frage „Oper ohne Wagner? Die Situation der Künste nach der Stunde null und in der Neuorientierung der 1950er Jahre“.

Anfang August wird ein weiteres Symposium in Haus Wahnfried die Rolle Wieland Wagners klären, und zwar „differenziert und kritisch“, wie Museumsleiter Sven Friedrich sagt. Denn da ist einerseits der begnadete Regisseur, der Lichtkünstler, der den radikalen Neuanfang zumindest in seinen Inszenierungen wagte und somit die Festspiele „den Klauen des Nationalsozialismus entriss“, wie Friedrich sagt.

Mit Hitler die Festspiele besprechen

Aber da war eben zuvor auch der bedenkenlose Karrierist, der sich mit den Nazis gemein machte und noch 1944 nach Berlin reiste, um mit Hitler die Festspiele 1945 zu besprechen. „Es gibt da eben nicht einfach Schwarz oder Weiß“, sagt Friedrich, der dieses Symposium zusammen mit Stefan Mösch ausrichtet. Die Festspiele laden in diesem Jahr außerdem zu vier Konzerten mit den Werken verfemter Musiker und der Nachkriegsavantgarde ein.

Die Neuinszenierung in diesem Jahr werden die „Meistersinger“ sein, in Szene gesetzt von Barrie Kosky. Dieser von den Nazis bevorzugt missbrauchten Oper ist der Satz entlehnt, unter dem Wieland und Wolfgang Wagner 1951 die Gäste empfingen: „Hier gilt‘s der Kunst“. Doch in Zeiten des Kalten Krieges drohten die Festspiele nichtsdestotrotz zum Zankapfel zwischen Ost und West zu werden.

Die Stunde null

Die Stunde null, Bayreuth und sein umstrittener Neugründer: Es scheint, als böte das 100. Geburtsjahr von Wieland Wagner jede Menge Gelegenheiten, die Festspiele, ihre Geschichte und ihre Protagonisten von einer neuen Seite zu entdecken.

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