Das Ehepaar Fähler spricht über die Vorbereitungen für das Ende des Lebens Patientenverfügung: Das muss man wissen

Von Sarah Bernhard

 Viele Menschen haben Angst, an Schläuchen zu enden. Mit einer Patientenverfügung kann man regeln, was Ärzte am Ende des Lebens unternehmen, was lassen sollen. Das Ehepaar Fähler hat sich zu diesem schwierigen Schritt entschlossen. Ob sie wirklich die Kraft haben wird, die Entscheidung durchzuziehen, weiß Ursula Fähler noch nicht.

 
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Ursula und Jochen Fähler haben schon vor Jahren eine Patientenverfügung gemacht, sie im Februar durch eine notarielle Betreuungsvollmacht ergänzt. Ob sie ihren Mann wirklich sterben lassen könnte, wenn sie darüber entscheiden müsste, weißt Ursula Fähler nicht. „Menschen hängen am Leben“, sagt sie. Foto: Harbach Foto: red

Ursula und Jochen Fähler sitzen entspannt in ihrem Garten und trinken Tee. Beide sind 73, sie haben drei Kinder. Der pensionierte Pfarrer und seine Frau haben sich fast sofort zu einem Gespräch über das Thema Patientenverfügung bereiterklärt, zuvor ließ sich drei Wochen niemand finden.

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69 Prozent der Deutschen machen sich Sorgen über die Zeit vor ihrem Tod, doch die wenigsten können sich zu einer Patientenverfügung aufraffen. Sie schon. Warum?

Jochen Fähler: Der Druck kam von außen. Als ich 59 war, wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Als wir das erfahren haben, haben wir sie gemacht.

Ursula Fähler: Man beschäftigt sich meist nur mit dem Thema, wenn man selbst betroffen ist.

Jochen Fähler: Das liegt vermutlich an der Vorstellung, dass, wenn ich es benenne, der Teufel schon vor der Tür steht. Also rührt man nicht daran und verdrängt.

Ursula Fähler: Männer noch stärker als Frauen.

Jochen Fähler: Das fällt mir auch auf. Bei einem Bekannten ist vor einiger Zeit Prostatakrebs diagnostiziert worden. Ihn beschäftigt nicht, dass der Krebs in seinem Körper herumwandert, sondern nur, dass seine Männlichkeit weg ist.

Wie haben Ihre Kinder auf die Patientenverfügung reagiert?

Jochen Fähler: Im Februar fiel unsere Schwiegertochter nach einer Hirnblutung ins Koma. Da haben wir die Patientenverfügung um eine notarielle Betreuungsvollmacht ergänzt. Das hat die Kinder irritiert, aber sie haben es akzeptiert.

Ursula Fähler: Für Kinder ist es schwierig, mit den Eltern über deren Lebensende zu sprechen. Da ist immer die Angst da, dass die Eltern denken, man wartet nur, dass sie endlich weg sind.

Wie war es für Sie?

Jochen Fähler: Es kommen einem Bedenken, ob man jemandem zumuten kann, über das eigene Leben zu entscheiden.

Ursula Fähler: Und vor allem, wem man es zumuten kann. Wem man vertrauen kann. Das größte Hindernis ist, so viel Vertrauen in jemanden zu haben.

Wen haben Sie schlussendlich als Betreuer eingetragen?

Ursula Fähler: Wir uns gegenseitig und alle drei Kinder. Aber eintragen alleine reicht nicht. Man muss auch besprechen, was man erwartet.

Jochen Fähler: Es gibt diese Illusion, dass wenn man den Kindern eine Vollmacht gibt, sie einen später pflegen. Früher ging das, weil man nach einem Schlaganfall meist nur noch kurz gelebt hat. Heute kann man viel länger leben. Ich erwarte gar nicht, dass mich die Kinder zu Hause pflegen.

Haben Sie sich schon überlegt, was wäre, wenn einem von Ihnen etwas zustieße?

Ursula Fähler: Wenn er jetzt umfallen würde, weiß ich nicht, ob ich in dem Moment sagen könnte: Der soll nicht reanimiert werden, auch wenn er es so verfügt hat. Menschen hängen am Leben. Was ist, wenn du nur nicht mehr sagen kannst, dass du weiterleben möchtest?

Jochen Fähler: Dann ist es eben gelaufen. Ich habe diese Verantwortung schon zweimal übernommen. Bei Bekannten, es gab also eine gewisse Distanz. Es kamen Ärzte und Pfleger, und alle sagten: Was, da wird nichts gemacht? Da durchzuhalten war enorm. Ich entscheide ja letztlich über das Leben eines anderen.

Hat sich der Umgang mit dem Sterben verändert?

Jochen Fähler: Wir haben heute ein unheimliches Autonomiebedürfnis. Früher war das anders, da hat man den Tod als gottgegeben hingenommen. Heute muss ich mein Sterben gestalten. Oder das eines anderen. Das ist viel Verantwortung.

Ursula Fähler: Unser Sohn hat eine ganze Weile versucht, die Behandlung mit seiner Frau zu klären. Dabei war sie meist gar nicht ansprechbar. Es ist wirklich schwer, so etwas einem anderen zuzumuten.

Jochen Fähler: Man will als Kind auch nicht für die Eltern entscheiden, denn eigentlich ist es ja andersherum. Aber es ist eine Illusion, dass man deshalb alles so lassen kann. Heute muss man sein Sterben regeln.

Ursula Fähler: Aber wissen Sie, es ist eine unglaubliche Erleichterung, wenn man es gemacht hat. Man kann es ablegen und dann hat man seine Ruhe.

Patientenverfügung - was ist das?

Patientenverfügung: Mit einer Patientenverfügung regelt man, was Ärzte am Ende des Lebens unternehmen, was lassen sollen. Sie hat vier Teile. Im ersten Teil wird geregelt, in welchen Situationen sie gelten soll: Im Endstadium einer unheilbaren Krankheit, bei einer Gehirnschädigung, bei Demenz? Im zweiten Teil erklärt man, dass man lindernde pflegerische Maßnahmen verlangt, auch wenn sie das Leben möglicherweise verkürzen. Im dritten Teil kann man konkretisieren, was man möchte und was nicht. Man kann zum Beispiel ankreuzen, dass man keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünscht. Oder dass Wiederbelebungsmaßnahmen unterbleiben sollen. Das bedeutet aber nicht, dass etwa bei einem Schlaganfall gar nichts passiert. Denn ein Notarzt weiß nicht, ob überhaupt eine Patientenverfügung vorliegt. Er wird also auf jeden Fall reanimieren und eine Diagnose stellen. Erst wenn die Diagnose mit einer in der Verfügung festgelegten übereinstimmt, findet die Patientenverfügung Anwendung. Im vierten Teil kann man angeben, ob man künstlich ernährt werden möchte oder nicht.

Betreuungsvollmacht: Es ist sinnvoll, zusätzlich eine Betreuungsvollmacht auszufüllen, die bestimmt, wer entscheiden darf, wenn man selbst das nicht mehr kann. Denn eine Patientenverfügung nutzt wenig, wenn niemand da ist, der sie durchsetzen kann. In der Vollmacht kann man angeben, was die betreffende Person darf: Darf sie nur über meine medizinische Behandlung bestimmen oder auch darüber, in welches Pflegeheim ich komme? Will man die Besitzverhältnisse klären, ist zusätzlich eine notarielle Vollmacht nötig.

Beratung: Kostenlos berät zum Beispiel der Hospizverein. Auch die Verbände HVD und DGHS bieten Beratungen an.

Telefonaktion: Am kommenden Mittwoch, 9. Juli, veranstaltet der Kurier eine Telefonaktion zum Thema Patientenverfügung. Susanne Borges vom Hospizverein, Wolfgang Schulze, Leiter der Palliativstation des Klinikums, und der Rechtsanwalt Roland Konrad beantworten von 18 bis 19 Uhr ihre Fragen. Die Telefonnummer wird noch bekanntgegeben.