Verpackte Lebensmittel Tausende Chemikalien aus Verpackungen in Menschen nachgewiesen

Markus Brauer/Doreen Garud ()

Lebensmittel werden aufbewahrt, verarbeitet, verpackt und serviert. Dabei kommen sie mit Tausenden chemischen Verbindungen in Kontakt. Eine Überblicksstudie zeigt: Ein Viertel davon taucht auch in Menschen auf.

 
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Ein mit Lebensmittel gefüllter Einkaufswagen wird durch einen Supermarkt geschoben: Forscher haben 3601 gesundheitsschädliche Fremdstoffe in Menschen gefunden, die aus Verpackungen stammen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Zahlreiche Chemikalien können über Lebensmittelverpackungen und -verarbeitung in die Nahrung gelangen und von dort in Menschen übergehen. Einen Einblick über die Vielzahl solcher Verbindungen gibt eine neue systematische Übersichtsstudie, die im Fachblatt „Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology“ erschienen ist.

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3600 Fremdstoffe gefunden

Insgesamt seien 3601 solcher zum Teil gesundheitsschädlichen Fremdstoffe in Menschen gefunden worden, etwa in Blut, Urin, Haaren und Muttermilch, schreiben die Forscher. Bei den chemischen Verbindungen handelt es sich um sogenannte Food Contact Chemicals (FCCs).

Durchgeführt wurde die Studie von der gemeinnützigen Stiftung Food Packaging Forum (FPF) mit Sitz in Zürich in der Schweiz. Die Ergebnisse seien vollständig wissenschaftlich unabhängig entstanden, erklärte der Stiftungsratsvorsitzende Martin Scheringer, der an der Masaryk Universität in Tschechien und der ETH Zürich lehrt und Co-Autor der Studie ist.

Die Seriosität der Stiftung bestätigt auch Andreas Schäffer, emeritierter Professor für Ökotoxikologie und Umweltrisikobewertung der RWTH Aachen, der nicht an der Studie beteiligt war.

Wie Prävention und Schutz der Gesundheit gelingen können

„Unsere Forschung stellt eine Verbindung zwischen Chemikalien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, der Exposition und der menschlichen Gesundheit her“, erklärt die Erstautorin Birgit Geueke vom FPF. „Sie zeigt eine wichtige Möglichkeit zur Prävention und zum Schutz der Gesundheit auf.“

In ihrer Studie weisen die Forscher darauf hin, dass diese Chemikalien auch aus anderen Quellen stammen können, etwa Arzneimitteln, Haushaltsgegenständen und Pflegeprodukten.

Für einige Chemikalien wie etwa Bisphenol A (BPA) sei die orale Aufnahme über Lebensmittelkontaktmaterial gut erforscht. So sei der hormonell wirksame Schadstoff nun in bestimmten Produkten wie Babyflaschen verboten. Er werde aber weiterhin in anderen Materialien gefunden. Insgesamt sei bei Hunderten FCCs der Übergang von Lebensmittelkontaktmaterial in Lebensmittel nachgewiesen worden.

Krebserregend, und Erbgut schädigend

Viele der Chemikalien können der Studie zufolge die Gesundheit gefährden, weil sie krebserregend sind, Veränderungen des Erbguts hervorrufen, die Fortpflanzung beeinträchtigen, in den Hormonhaushalt von Menschen eingreifen oder sich im Körper anreichern. Allerdings kommt es auch auf die Konzentration der Stoffe an.

Co-Autorin Jane Muncke (ebenfalls FPF) erklärt, sie hoffe, dass die Studie dabei helfe, die Sicherheit von Lebensmittelkontaktmaterial zu verbessern. Zum einen könnten neue Vorschriften erlassen werden, zum anderen sicherere Alternativen entwickelt werden.

Unzureichende Daten über Toxizität

Für viele der Chemikalien gebe es aber keine oder nur unzureichende Daten über ihre Toxizität, schreiben die Fachleute weiter. Deswegen könne über eine sichere Verwendung keine Aussage gemacht werden. Auch könne es durchaus noch mehr als die nun in der Studie zusammengefassten FCCs geben.

„Es ist wahrscheinlich, dass die Menschen mehr FCCs ausgesetzt sind, als hier berichtet wird, da wir die wissenschaftliche Literatur nur für eine kleine Untergruppe von Chemikalien durchsucht haben.“

Tausende Chemikalien sind bekannt, aber nicht überwacht

Tausende andere FCCs hingegen seien bekannt, würden in Biomonitoring-Programmen aber überhaupt nicht überwacht. So würden etwa synthetische Antioxidantien und Oligomere kaum in Menschen nachgewiesen, weil nicht danach gesucht werde, meint Mitautorin Ksenia Groh vom Wasserforschungsinstitut Eawag in der Schweiz.

„Unsere Studie zeigt, dass Antioxidantien trotz ihrer hohen Produktionsmengen und ihrer weit verbreiteten Verwendung in Kunststoffen in Überwachungsprogrammen weitgehend fehlen.“ Wenig sei bekannt darüber, wo diese verbleiben und welche Auswirkungen sie haben können.

Der Stiftungsratsvorsitzende Scheringer resümiert, dass in den Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, eine erstaunlich hohe Zahl an gefährlichen Chemikalien verwendet werde. „Dies ist besorgniserregend, und es besteht eindeutig ein Bedarf an sichereren und einfacheren Lebensmittelkontaktmaterialien.“

Mehr Schutz vor bedenklichen Produkten in Lebensmitteln

Der Ökotoxikologe Schäffer erläutert, dass für einige der Chemikalien wie die poly- und perfluorierten Substanzen oder die in Kunststoffen eingesetzten Phthalate derzeit Einschränkungen diskutiert würden. Aber für die meisten anderen Chemikalien noch nicht. „Die Studie ist daher ein wichtiger Aufklärer und Wegbereiter, die Menschen vor bedenklichen Produkten im Lebensmittelsektor in Zukunft besser zu schützen.“

Auch Hubertus Brunn, Lebensmittel- und Umwelttoxikologe an der Universität Gießen sieht in der Studie einen Anstoß zum Nachdenken. Er hoffe, dass dadurch in der Öffentlichkeit und Politik die Frage aufgeworfen werde, „ob wir diese Stoffe in den Lebensmittelkontaktmaterialien wirklich alle benötigen und ob man sie zumindest durch weniger schädliche oder unschädliche Stoffe oder Materialien ersetzen kann“.