V-Mann-Prozess: Wie eine schwere Straftat vertuscht wurde Staatsanwalt als Opfer des LKA

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Ein Ermittler, für den das Wissen von Ex-V-Mann Mario F. über die Regensburger „Bandidos“ eine Goldader war, wie „Weihnachten, Neujahr und alles zusammen“. Ein Staatsanwalt, der vom LKA ausgetrickst wurde. Diese beiden Zeugen wurden am Donnerstag im V-Mann-Prozess in Würzburg zu einem Thema aufgerufen, das der Ursprung der V-Mann-Affäre im Landeskriminalamt sein könnte.

 
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Im September 2011 fuhren mehrere „Bandidos“ nach Dänemark. Dort stahlen sie von einem Firmengelände vier Minibagger im Wert von rund 100 000 Euro. Drei der Bagger waren auf einem Laster, den LKA-V-Mann Mario F. fuhr. Ein vierter Bagger war in einem Transporter, den ein Mittäter steuerte. Am 26. September wurde Mario F. im Raum Amberg festgenommen – in einem Bagger war ein versteckter Sender. Doch Mario F. kam am selben Tag wieder frei, er wurde nicht wegen schweren Bandendiebstahls verhaftet. Als „absolut abwegig“ hatte am Dienstag ein Kriminalbeamter aus Nürnberg das bezeichnet. Er ermittelt gegen Mario F.’s V-Mann-Führer wegen Verdachts der Mittäterschaft an dem Baggerdiebstahl, wegen Strafvereitelung im Amt und anderer Delikte. Fünf weitere LKA-Beamte werden der Strafvereitelung im Amt beschuldigt. Sie sollen in der Folge bei der Vertuschung der möglichen Beteiligung ihres Kollegen geholfen haben.

Ein leicht zu durschauendes kriminelles Unternehmen

Die Nürnberger Ermittlungen, dass zumindest V-Mann-Führer Norbert K. über den Zweck der Dänemark-Fahrt informiert war, bestätigte am Donnerstag Kriminalhauptkommissar Stephan M. von der Regensburger Kripo. Er ist Mitglied einer Ermittlungsgruppe, die in dem Baggerdiebstahl seit Frühjahr 2013 ermittelt. Die Ermittlungsgruppe unterstützt die Nürnberger Kollegen, die sich auf die Amtsdelikte der LKA-Leute konzentriert.

Der Drahtzieher war beim Papstbesuch

Während der Nürnberger Kriminalbeamte herausfand, dass die ursprünglich für den Baggerdienstahl zuständige Amberger Kripo auf Bitten von LKA-Leuten die Fahrt von Mario F. als legal darstellten und Beweise zurückhielten, stellte der Regensburger Kriminaler Stephan M. fest: Der Baggertransport wäre ein leicht zu durchschauendes kriminelles Unternehmen gewesen. Organisiert vom Präsidenten der Regensburger „Bandidos“, Ralf K. Bei der Durchführung war K. nicht dabei – am fraglichen Wochenende war er als Personenschützer beim Papstbesuch in Freiburg.

Beweise verschwanden

Überdies fand Stephan M. heraus: Beim LKA waren auch die anderen Baggerdiebe bekannt, doch die Erkenntnisse behielt das LKA für sich. Beweise dafür ließen die LKA-Leute mutmaßlich verschwinden: Vier Handys etwa, die die „Bandidos“ extra für die Baggerfahrt beschafft hatten und die im Laster von Mario F. lagen, wurden von der Amberger Kripo wieder herausgegeben. Auf einem der Mobiltelefone wären möglicherweise die Nachrichten gewesen, die Mario F. während der Rückfahrt aus Dänemark seinem V-Mann-Führer geschickt haben will.

Mario F. ein wichtiger Zeuge gegen die "Bandidos"

Ermittler Stephan M. fand in Mario F. im Frühjahr seinen wichtigsten Zeugen. Damals hatte der Ex-V-Mann in seinem ersten Prozess wegen mehrerer Drogendelikte in Würzburg schwere Vorwürfe gegen das LKA erhoben: Er habe Straftaten im Auftrag oder mit Billigung des Amtes begangen und fühle sich deshalb zu Unrecht beschuldigt. In dem Prozess konnte dies nicht erwiesen werden, LKA-Beamte bezichtigten ihn der Lüge – Mario F. wurde verurteilt. Der Fall wird allerdings zurzeit zum Teil neu aufgerollt.

51 mögliche Verfahren aus den Tipps des Ex-V-Manns

Doch Hauptkommissar Stephan M. fand heraus, dass der Ex-V-Mann nicht gelogen hatte – auch bei einer langen Reihe von Straftaten der „Bandidos“, die Mario F. dem LKA gemeldet hatte – und die nicht weiterverfolgt wurden. Für Stephan M. ein klarer Verstoß gegen das Legalitätsprinzip: „Als Polizeibeamter muss ich was tun. Und wenn ich meinen V-Mann nicht verbrennen will, dann lege ich trotzdem eine Akte an und spreche das ab. Dann kann ich die Akte später immer noch rausholen.“ Insgesamt sind es 51 Fälle, die laut Stephan M. für Ermittlungsverfahren geeignet sind. In einigen ist der Verdacht bereits erhärtet, denn Mario F. war für die Regensburger Kripo der entscheidende Zeuge, mit der kriminellen Rockerbande aufzuräumen: Hochrangige „Bandidos“, allen voran Präsident Ralf K., legten Lebensbeichten ab, um Strafrabatt zu bekommen. Die Regensburger „Bandidos“ existieren nicht mehr.

Anwälte: "Erschreckend" und "skandalös"

Im Baggerfall ordnete ein Amberger Oberstaatsanwalt die Einstellung des Verfahrens gegen Mario F. an – aufgrund falscher Informationen. Der 55-Jährige ist mittlerweile Leiter der Amberger Behörde und bestätigt als Zeuge: Ihm sei der Baggertransport stets als legal dargestellt worden. Dass Beamte seiner Kripo vom LKA manipuliert worden seien, wollte der Zeuge nicht weiter kommentieren, außer mit diesem Satz: „Man hätte mir die wahren Umstände unbedingt sagen müssen.“

Die Verteidiger von Mario F. verurteilten die LKA-Machenschaften. Anwalt Alexander Schmidtgall nannte es „äußerst erschreckend“, wie die Amberger Staatsanwaltschaft ausgetrickst wurde. Sein Kollege Hans-Jochen Schrepfer sagte: „Skandalös“.

Der Prozess wird fortgesetzt. Am 10. März ist V-Mann-Führer Norbert K. als Zeuge geladen, nachdem ein erster Vorladungstermin Anfang Februar nicht zustande gekommen war. Ob er etwas aussagt, ist unklar. Er hätte, weil er sich nicht selbst belasten muss, ein Aussageverweigerungsrecht.

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