US-Wahl 2020 Warum immer noch fast jeder Zweite Trump unterstützt

Von Can Merey
Foto: picture alliance/Nicole Hester/Ann Arbor News/AP/dpa/Archiv Quelle: Unbekannt

WASHINGTON. Für seine Gegner ist Donald Trump der zum Präsidenten gewordene Alptraum. Millionen Amerikaner aber stehen treu zu ihm - aller Kritik an Trump zum Trotz. Woran liegt das?

 
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Als Donald Trump vor vier Jahren zum Präsidenten der USA gewählt wurde, war das für viele Amerikaner ein Experiment: Ein Außenseiter, der versprach, den «Sumpf» in Washington trockenzulegen. Ein - zumindest nach eigener Darstellung - erfolgreicher Unternehmer, der ausdrücklich damit warb, eben kein Politiker zu sein. Einer, der das Establishment durchrütteln wollte. Vier Jahre später ist Trump kein Experiment mehr. Jeder Amerikaner kennt seine brachiale Art, seine Aggressivität, seine Wut, seine Tweets. Jeder weiß um die politischen und persönlichen Vorwürfe gegen ihn. Trotzdem hat ihm auch dieses Mal fast jeder zweite Wähler seine Stimme gegeben. Das hat nicht nur politische Gründe.

Viele haben profitiert

In Europa und besonders in Deutschland ist Trump hochgradig unbeliebt. Hätten die Deutschen ein Stimmrecht bei der US-Wahl gehabt, wäre er bei ihnen nach einer Umfrage des Instituts Yougov gerade einmal auf zehn Prozent gekommen. Anders als die Europäer - die Trump mit Handelskonflikten überzogen oder im Fall Deutschlands mit der Ankündigung eines Truppenabzugs abgestraft hat - haben viele Bürger in den USA von seiner Politik profitiert. In einer Umfrage des Instituts Gallup sagten 56 Prozent der Amerikaner, ihnen und ihren Familien gehe es heute besser als vor vier Jahren.

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Dass Trump diese Entwicklung nie in Zustimmungswerte umsetzen konnte, deutet allerdings darauf hin, dass ihn viele Amerikaner nicht wählten, obwohl sich ihre Lage verbessert hat. Nach Berechnungen der Statistikseite FiveThirtyEight kippten diese Zustimmungswerte schon wenige Tage nach Trumps Amtsantritt ins Negative - dort blieben sie bis heute. Zuletzt äußerten sich knapp 53 Prozent negativ über Trump, nur gut 44 Prozent hatten eine positive Meinung. Auch hier zeigt sich aber ähnlich wie bei der Wahl: Eine große Zahl der Amerikaner hat Trump selbst in der Pandemie die Treue gehalten, die mehr als 230 000 Menschen in den USA das Leben gekostet hat.

Hartes Vorgehen

Politisch war Trumps erste Amtszeit aus Sicht seiner Anhänger ein Erfolg: Er konnte gleich drei von neun Richtern am Supreme Court ernennen, womit er das Oberste Gericht auf Jahrzehnte hinweg konservativ geprägt hat, was tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft haben könnte. Viele Amerikaner trauen Umfragen zufolge eher dem Republikaner Trump als seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden zu, die Wirtschaft nach der Pandemie wieder zum alten Erfolg zurückzuführen. Trump hat eine weitreichende Steuerreform durchgebracht und weitere Senkungen versprochen.

Der Präsident punktet bei seinen Anhängern mit seinem harten Vorgehen gegen Migranten, gegen Widerstände im Kongress hat er den Bau der von ihm versprochenen Mauer an der Grenze zu Mexiko begonnen. Trump steht für das Recht auf Waffenbesitz, für ein starkes Militär, für Religionsfreiheit, für den Abbau von Bürokratie und Regularien. Er präsentiert sich als Verfechter von Recht und Ordnung und als Kämpfer gegen Abtreibung. In der Außenpolitik feiern ihn seine Anhänger für seine «America First»-Doktrin, die die USA an erste Stelle setzt.

Trump fischt auch am rechten Rand. Immer wieder tut er sich schwer damit, Rechtsradikale eindeutig zu verurteilen. Nachdem in Charlottesville im Bundesstaat Virginia 2017 eine Gegendemonstrantin auf einem Neonazi-Aufmarsch getötet worden war, sagte Trump, es habe auf beiden Seiten «sehr gute Menschen» gegeben. Es dürfte kein Zufall sein, dass Trump in europäischen Staaten Umfragen zufolge besonders unter Rechtspopulisten Zuspruch genießt.

Schlecht ausgebildete mänliche Weiße

Nach einer Statistik des Instituts Pew hat Trump in den Vereinigten Staaten die meisten Unterstützer unter schlecht ausgebildeten männlichen Weißen. Besonders diese Bevölkerungsgruppe ist es, die angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung in den USA befürchten muss ins Hintertreffen zu geraten. Trumps Horrorszenarien vor einer «Invasion» von Migranten, vor einer Explosion der Kriminalität, vor marodierenden linken Horden, vor einer Zerstörung der Vororte fallen bei ihr auf fruchtbaren Boden.

Trump - für maßlose Übertreibungen berüchtigt - warnte im Wahlkampf vor einem Ende der USA in ihrer jetzigen Form, sollte Biden gewinnen. «Ich bin das Einzige, was zwischen dem amerikanischen Traum und totaler Anarchie, Wahnsinn und Chaos steht», sagte er. Zur Wahl stünde «der amerikanische Traum gegen ein sozialistisches Drecksloch». Vor allem auf dem Land verfangen Trumps Warnungen vor einem Sozialismus nach dem Vorbild Venezuelas, sollten die Demokraten an die Macht kommen - auch wenn Biden aus europäischer Sicht wohl eher als gemäßigter Sozialdemokrat durchgehen würde.

Er könnte alles tun

Das Phänomen Trump hat aber auch eine psychologische Seite. Kritiker vergleichen die Zuneigung von Trumps Hardcore-Anhänger mit einem «Kult». Viele seiner Unterstützer verehren ihn in einem Maße, wie man es eher aus autoritären Staaten kennt. Bei seiner Wahlkampfauftritten skandierten sie nicht nur «four more years» - vier weitere Jahre Trump im Weißen Haus -, sondern auch «we love you», «wir lieben Dich». In einer Umfrage der Universität Monmouth im vergangenen Jahr sagten 62 Prozent der Trump-Anhänger, sie könnten sich nichts vorstellen, was der Präsident tun könne, um ihre Unterstützung zu verlieren. Das entsprach einem guten Viertel aller Befragten.

Trump weiß um die Loyalität seiner Anhänger. Als er sich 2016 um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb, machte er einen Scherz, der aber einen wahren Kern hatte. «Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren», sagte er damals. «Es ist einfach unglaublich.»