Uraufführung Kolonialismustheater im Elefantenhaus

Zuschauer verfolgen die Generalprobe zur Uraufführung der szenischen Installation "Der sechste Kontinent" im Elefantenhaus des Zoos. Foto: Silas Stein Foto: dpa

Geld und Kunst, Frau und Mann, Europa und Afrika: In «Der sechste Kontinent» geht es um Machtverhältnisse und koloniales Denken. Die Uraufführung der szenischen Installation war an einer ungewöhnlichen Spielstätte. Elefanten mussten dafür weichen.

 
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Heidelberg - Es riecht noch nach Elefant bei der Spielzeiteröffnung des Theaters und Orchesters Heidelberg. Wo jetzt das Publikum auf Stühlen sitzt, die im Abstand von einigen Metern im Sand stehen, leben eigentlich die Elefantenbullen Tarak, Yadanar und Ludwig.

Hier, in der künstlich-indischen Flusslandschaft des Elefantenhauses im Heidelberger Zoo, ist am Freitagabend die szenische Installation "Der sechste Kontinent" uraufgeführt worden.

So ein Ort lade ein, über Grenzen nachzudenken zwischen jemandem, der zuschaut, und jemandem, der angeschaut wird, sagt die Dramaturgin Maria Schneider. Solche Beziehungen mit einem Machtgefälle werden verhandelt in dem Stück: zwischen Zuschauer und Angestarrten, Frau und Mann, Geld und Kunst, Tier und Mensch, Europa und Afrika.

Im Mittelpunkt der Aufführung stehen zwei Frauen: eine Performancekünstlerin und eine Tropenforscherin aus dem frühen 20. Jahrhundert. Momentaufnahmen ihrer Geschichten werden in dem Tiergehege gleichzeitig erzählt: Das Publikum ist mit Kopfhörern ausgestattet und folgt in zwei Gruppen nacheinander den Szenen. Dabei stehen sie einmal vor dem Elektrozaun, einmal sitzen sie im Gehege: Zuschauer und Angestarrte. "Dieser Perspektivwechsel hat mir total gefallen", sagt die Zuschauerin Steffi Beinert nach der Aufführung.

Die beiden Frauen versuchen, Kunst und Wissenschaft zu verteidigen gegen ihre männlichen Geldgeber, schmierige Kerle "von der Bank" und von einer "Prüfungskommission". Dabei betrachten sie den afrikanischen Kontinent ihrerseits durch eine eurozentrische Brille, begegnen ihm mit rassistischen Stereotypen und ordnen ihn brutal und egoistisch ihren eigenen Interessen unter. "Das feige Pack ist aus dem Wald entschwunden, um sich der Forschung zu entziehen", schimpft die Tropenforscherin, die mit Arsen-Experimenten Erkenntnisse für die - europäische - Medizin gewinnen will.

Und auch die Performancekünstlerin in der Gegenwart taugt nicht zur Hoffnungsträgerin. Sie hat sich Hals über Kopf verloren in einem perversen Kunstprojekt zum "Schwerpunkt Afrika": Mit einer "beispiellosen Summe" von einer Bank ausgestattet will sie das Heidelberger Elefantenhaus zuschütten mit Erde aus einer ebenso großen Grube in "Afrika". In "Der sechste Kontinent" gebe es einen "durchaus selbstironischen Blick auf den Kunstbetrieb", sagt Regisseur Bernhard Mikeska vom Kollektiv Raum+Zeit, das für die Produktion mit dem Theater zusammengearbeitet hat.

Denn das Stück setzt sich nicht nur mit Machtverhältnissen und Kolonialisierung auseinander, sondern auch mit der Schwierigkeit, Kunst darüber zu machen. "Es ist ein Konflikt, der heute sehr schnell vermint ist, der sehr schnell an Punkte geht, wo man sich fragt, wie man eigentlich darüber spricht. Und das ist für Theater total interessant", sagt Schneider. "Da ist so viel Sprengstoff drin, dass Theater - dessen Grundwährung ja der Konflikt ist - sich ganz wohl fühlt in der Auseinandersetzung damit." Pädagogisch wolle man sich aber nicht verhalten, sagt Schneider. "Ich glaube, wir müssen ein bisschen darüber nachdenken", sagt Zuschauerin Steffi Beinert über das Stück.

Und die drei Elefantenbullen Tarak, Yadanar und Ludwig? Die mussten - vom Menschen vertrieben - während der Aufführung für ein paar Stunden in ihr Außengehege ausweichen. "Wir haben sehr flexible Elefanten", sagt der Tierpfleger Tobias Kremer. Am Anfang der Probenzeit hätten sie zwar noch gestaunt: "Ups! Da gibt's ja ne Veränderung!" Sie hätten sich aber schnell umgewöhnt: "Alles klar: Veränderung ist gar nicht so schlimm."

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