Uni-Professor schießt gegen die Fifa

Von Herbert Steininger
„Den Fußball kann man nicht kaputt machen, es sei denn, man heißt Joseph Blatter oder Gianni Infantino.“ Uni-Professor Markus Kurscheidt richtete im Rahmen der Bayreuther Stadtgespräche kritische Worte an die Fifa und ihre Verantwortlichen. Foto: Peter Kolb Foto: red

Er liebt die schönste Nebensache der Welt. „Den Fußball kann man nicht kaputt machen, es sei denn, man heißt Joseph Blatter oder Gianni Infantino“, sagt Professor Markus Kurscheidt, Lehrstuhlinhaber Sportwissenschaft II an der Uni Bayreuth, der im Rahmen der Bayreuther Stadtgespräche im Iwalewa-Haus über den Profifußball im Allgemeinen und den Weltfußballverband Fifa im Speziellen referierte.

 
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Und dem ehemaligen Fifa-Präsidenten Blatter und seinem seit 2016 amtierenden Nachfolger wirft er vor, nicht unwesentlich daran beteiligt zu sein, dass aus dem Sport Fußball immer mehr eine Ware wird. Es fehle an Kontrollorganen, die den Fußball-Oberen auf die Finger schauen. „Der Anreiz zur Kontrolle nimmt, je höher man sich in den Hierarchien bewegt, immer mehr ab“, ist sich Kurscheidt sicher, der sich besonders mit der sogenannten Sport Governance (Überwachungssysteme im Sport) beschäftigt. Machtspiele wie in der Politik seien die Folge, Korruption gang und gäbe: „Bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland wusste doch jeder, dass da etwas gelaufen sein muss.“ Doch über den DFB-Skandal spricht heute keiner mehr.

„Infantino will seine Wiederwahl absichern, indem er Wahlgeschenke an kleinere Verbände verteilt“, sagt Kur-scheidt und spricht dabei die Weltmeisterschaft 2026 an, bei der erstmals 48 Mannschaften an den Start gehen werden. „Grundsätzlich ist das nichts Schlechtes, schließlich wird wie bei den Olympischen Spielen der integrative Ansatz gefördert. Andere werden von einer weiteren Verwässerung sprechen.“

"Einmal Fan, immer Fan"

An der Leidenschaft für den Sport Fußball wird dies beim Publikum allerdings nichts ändern: „Einmal Fan, immer Fan“, und das speziell für einen Verein oder sein Land. Doch genau darauf zielen die Macher nicht nur der Bundesliga ab. Die Umsatzentwicklung im deutschen Oberhaus steigerte sich zwischen den Spielzeiten 2010/11 und 2015/16 von 1,94 Milliarden auf 3,24 Milliarden Euro. Dabei spiele die mediale Verwertung die größte Rolle, erst auf dem dritten Platz folgen die Transfererlöse. „Die werden aber in erster Linie zur Reinvestierung herangezogen“.

Was die Zuschauernachfrage angeht, ist die Bundesliga die stärkste der Welt. Die anderen europäischen Top-Länder wie England, Italien, Spanien oder Frankreich hinken deutlich hinterher. Frankreich erreiche, was das Fan-Interesse angeht, gerade einmal das deutsche Zweitliga-Niveau. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen dabei die neuen Stadien, die sich zu Entertainmenttempeln entwickelt hätten. „Auch wenn die Stadien und vor allem die Infrastruktur zum großen Teil mit Steuergeldern finanziert wurden“, sagt Kurscheidt und erwähnt die Allianz- , bzw. die Veltins-Arena in München und Gelsenkirchen.

55 Prozent der leidenschaftlichen Anhänger in Deutschland lehnen indes eine weitere Kommerzialisierung ab, 27 Prozent wollen dann gar weniger ins Stadion gehen, die Hälfte ist sogar kritisch gegenüber ihren Klubs eingestellt. „Und 58 Prozent interessiert das internationale Geschäft gar nicht. Die sind froh, wenn ihr Verein in der Bundesliga bleibt“, sagt Kurscheidt.

"Langfristig schießt Geld eben Tore"

Apropos international: Über ein Viertel der gesamten weltweiten Gesamterlöse gehe an die englische Premier League, die gegenüber dem Marktführer, der amerikanischen Football-League (NFL), erheblich aufgeholt hat und nun an zweiter Stelle steht. Gerade einmal an sechster Position reiht sich da Deutschland ein. „Die Schere geht da auseinander, es fehlt an Wettbewerbsausgeglichenheit“, betont Kurscheidt. So drohen frühere Traditionsvereine wie Ajax Amsterdam oder Partizan Belgrad in der Versenkung zu verschwinden, während der deutsche Marktführer FC Bayern München dank seiner „ökonomischen Power“ immer dominanter wird. „Langfristig schießt Geld eben Tore.“

Erfreulich: Der sportliche Erfolg der deutschen Vereine vergrößert sich, was den Uefa-Koeffizienten angeht. „Trotz sehr viel eingesetztem Geld fällt England da zurück, Deutschland holt indes auf. Was auch an der Selbstbeschränkung liegt: Man muss leben, mit dem was man hat. Und die deutschen Vereine machen das Beste daraus“, lobt der Bayreuther Professor deren Engagement.

Was die Auslandsvermarktung und Digitalisierung angeht, hat die Deutsche Fußball-Liga die Entwicklung weiter voran getrieben. Und das Zielobjekt ist das Reich der Mitte: Der Markt in China ist ein schlafender Riese, der so langsam erwacht. Was sich auch an den Transferaktivitäten ablesen lässt: „China ist derzeit die stärkste Macht auf dem Spielermarkt weltweit, stärker noch als England“, weiß Kurscheidt. Allerdings könnte sich auch alles als Blase erweisen, die irgendwann einmal platzt.

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