Rund 3500 Kinder und Jugendliche werden laut Kuhn pro Quartal in der Praxis behandelt. Seit rund 23 Jahren praktiziere er mit seinem Kollegen vor Ort. Etwa jeder zweite Patient habe inzwischen einen Migrationshintergrund.
Schild soll trotz Kritik bleiben
Außerhalb der Praxisräume in sozialen Netzwerken etwa und in Internet-Rezensionen fielen die Reaktionen durchwachsener aus. Neben Verständnis gab es auch deutliche Kritik an dem Vorgehen. "Ich bin absolut entsetzt", kommentierte eine Nutzerin. Und eine andere schrieb: "Für mich bodenlos, respektlos und rassistisch."
Die Mediziner kennen die Rassismusvorwürfe, das Schild soll trotzdem bleiben. "Wir wissen, dass das nicht unsere Motivation ist - deshalb interessieren mich Meinungen von Menschen, die mit unserer Praxis gar nichts zu tun haben, nicht extrem", betonte Kuhn.
Übersetzungsapps "suboptimal"
Laut der Landesärztekammer Baden-Württemberg können Ärzte die Behandlung von Patienten unter verschiedenen Umständen abbrechen – auch wenn es grundlegende Verständigungsprobleme gibt. Berufsrechtlich sei der Ärztin beziehungsweise dem Arzt ein erheblicher Ermessensspielraum zu belassen.
Von der Kassenärztliche Vereinigung in Stuttgart hieß es, dass die Situation für Ärzte kaum lösbar sei. "Auf der einen Seite möchten sie Patienten behandeln, auf der anderen Seite müssen sie Patienten aufklären." Dafür sei ein Mindestmaß an Kommunikation erforderlich. Anwendungen wie Google Translator seien da nur suboptimal und würden viel Zeit kosten, die dann nicht für andere Patienten zur Verfügung stünden.
Rechtlicher Graubereich
Dass eine rechtskonforme Aufklärung über Impfungen bei Sprachbarrieren nahezu unmöglich sei, sei sicher jedem klar, sagte ein Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Berlin. "Hier den geeigneten Mittelweg zu finden, ist tägliches Brot einer Kinder- und Jugendpraxis."
Für die Praxis steht unterdessen fest: "Dieses Schild hat überhaupt keine diskriminierende Aussage", so Kuhn. Es habe nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern mit der Realität. "Wenn kein Dolmetscher da ist und die Patienten uns nicht verstehen, dürfen wir sie eigentlich nicht behandeln. Wenn wir das trotzdem tun, bewegen wir uns ständig in einem rechtlichen Graubereich."