Thema: Kindesmissbrauch Dem Entsetzen etwas entgegensetzen

Leserbrief von Gabriela Gossow-Look, Bayreuth
 Foto: red

Zum Artikel „Täter ohne Reue, aber voller Schuld“, vom 6. September.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Nach den ersten Pressemitteilungen zum Missbrauchs-Skandal in Lügde, das war vor etwa elf Monaten, reagierte mein persönliches Umfeld fassungslos. Nach der Urteilsverkündung höre ich Kommentare wie „Das kann ich gar nicht mehr lesen – das regt mich zu sehr auf“. Und ja, ich verstehe diese Reaktion, die vor allem Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der perfiden Manipulationsstrategien der Täter zeigt. Kinder schweigen gegenüber ihren Vertrauenspersonen, weil sie innerlich völlig zerrissen sind und größte Angst haben, traumatisiert sind. Das institutionelle Umfeld lässt Sensibilität gegenüber Warnsignalen vermissen und Eltern werden sich für den Rest ihres Lebens Vorwürfe machen. Missbrauch findet nicht nur zwischen Täter und betroffenem Kind statt, sondern betrifft immer das gesamte System, in dem sich die Kinder bewegen: Schule, Kindertagesstätte, Vereine, familiäres Umfeld, Freunde, Ärzte und so weiter. Vermutungen bleiben aus Sorge vor falschen Verdächtigungen unausgesprochen und so setzt ein kollektives Schweigen ein!

Die gute Botschaft: Dagegen kann man etwas tun: Prävention gegen sexualisierte Gewalt ermöglicht Sprachfähigkeit und arbeitet gegen Schweigegebote. Niedrigschwellige vertrauliche Beratungsarbeit kann zur frühzeitigen Intervention und Unterbrechung sexualisierter Gewalt beitragen. Öffentlichkeitsarbeit darf nicht in betroffenem Schweigen enden, sondern muss aufklären über Täterstrategien und Wege der Verhinderung. Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt haben sich dies seit Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht und müssen doch jährlich um finanzielle Unterstützung kämpfen.

Die Politik ist gefordert, das vorhandene Hilfenetz gegen sexualisierte Gewalt zu sichern, damit frühzeitig fachlich eingeschritten werden kann. Die Arbeit gegen sexualisierte Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. In diesem Sinne hoffe ich auf Verbesserungen!