Thema: Euthanasie Untaten noch nicht im Bewusstsein angekommen

Leserbrief von Jürgen Joachim Taegert, Kirchenpingarten
 Foto: red

Zu den Artikeln von Peter Rauscher „Der heimliche Massenmord“ (4. September) und „Oberfranken ist spät dran“ (7./8. September).

 
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Mit Recht thematisiert der Kurier anlässlich des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg den Beginn der Euthanasieaktionen der Nazis; dies war die grausige „Fingerübung“ zur anschließenden Judenvernichtung. Nicht zutreffend ist aber, dass die Zwangssterilisationen und Euthanasieaktionen in Oberfranken bisher kaum thematisiert wurden. Veröffentlichungen wurden nur nicht zur Kenntnis genommen.

In meinem umfangreichen Projekt zur Weidenberger Geschichte „Myrten für Dornen“, von dem zur Vorstellung in diesem Frühjahr auch der Kurier berichtet hat, werden in der fünften Folge „Spuren der Opfer“ Euthanasieaktionen bezogen auf Oberfranken dargestellt. Bei den Recherchen fand ich in den Weidenberger Kirchenbüchern einen Eintrag des mutigen Pfarrers Georg Redenbacher vom 28. Dezember 1940 über ein Opfer aus seiner Gemeinde.

Eine 42-jährige Bauersfrau war im Mordschloss Hartheim bei Linz wohl bereits am 23. November 1940 vergast und verbrannt worden. Ihre Asche wurde in einer Urne vom fiktiven Standesamt Hartheim an das Pfarramt gesendet. Als Todesursache hatten die Täter dreist „Grippe, Lungenentzündung“ behauptet. Redenbacher, auch sonst ein unerschrockener Seelsorger und rühriger Förderer seiner Gemeinde, hat dem Eintrag einen handschriftlichen Vermerk beigefügt: „Mord! (Euthanasie)“.

Meine Recherchen mithilfe des Bundesarchivs und der Gedenkstätte Hartheim ergaben, dass das Opfer am 4. Juli 1940 mit Depressionen ins Nervenkrankenhaus Bayreuth kam: Am 4. Oktober wurde sie nach Erlangen verlegt. Kutzenberg war nicht die einzige Durchgangsstation für Opfer aus Oberfranken, wie man nach Kurier-Lektüre meinen könnte.

Während meiner Forschungen machte ich die Gemeinde Weidenberg auf dieses und zwei weitere NS-Opfer aus der Gemeinde aufmerksam und schlug vor, die drei ermordeten Mitbürger beim öffentlichen Gedenken am Volkstrauertag zu erwähnen. Auch schlug ich vor, analog zur Aktion „Stolpersteine“ in Weidenberg am Platz in der Nähe der Wohnung zweier Opfer drei Gedenkstelen zu errichten. Ferner halte ich einen Beschluss des Marktgemeinderates sinnvoll, das Andenken des engagierten und hochgeschätzten Pfarrers Redenbacher zu ehren – etwa den Platz an der Neuen Mitte nach ihm zu benennen.

Leider fanden diese Vorschläge bislang kein Echo. Auch die Kirchengemeinde hält sich merkwürdig bedeckt. Solange das Bewusstsein für die Tragweite der Untaten nicht bei den betroffenen Gemeinden angekommen ist, ist auch die Errichtung von Mahnmalen in Kutzenberg, Bayreuth oder Erlangen reine Symbolpolitik.