Thema: Abschiebung Familien zerstört

Leserbrief von Bernd Müller-Jacquier, Bayreuth
 Quelle: Unbekannt

Zum Artikel „Aus der Familie gerissen“, Kurier vom 3./4. August, und „Keine Lebensgefahr“, Kurier vom 9. August.

 
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Abgeschoben? Mehr als korrekt!

Gedanken-Experiment: Mütter und Väter stellen sich für zwei Minuten vor, ihr Sohn oder ihre Tochter werden heute 18 Jahre alt, erwachsen. Nun, dies würde gebührend gefeiert. Und nun stellen Sie sich vor, dass Ihr Kind abgeholt wird: Mit Gewalt in ein Kriegsgebiet abgeschoben wird. Das geht nicht! Wir, die Familie sind doch hier, wären natürliche Reaktionen. Die seelischen Schmerzen von Eltern, Geschwistern, Freunden sind hier nicht beschreibbar.

Genau dies findet bei uns in Oberfranken regelmäßig statt: Volljährig gewordene Afghanen, deren Eltern unbefristet bleiben dürfen, werden zur Ausreise gezwungen. Das heißt, dass in Deutschland Fluchtgründe auf Elternseite anerkannt sind, nicht aber aufseiten ihrer Kinder, die in derselben Notlage sind.

Deren Verbrechen: 18 Jahre alt werden (was ein separates Asylverfahren auslöst). Gudrun Brendel-Fischer, CSU-Landtagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte, meint dazu, dass „man da ganz genau hinschauen“ müsse.

Täte sie dies, würde sie feststellen, dass alles korrekt ablief. Entsprechende Gesetze und Verordnungen gibt es.

Einzelfall? Ein anderer Afghane muss wegen Krieg und Terror aus seinem Heimatland fliehen. Gemäß der Leitlinie unserer Bundesregierung sucht er nicht gleich in Deutschland Schutz, sondern im Umfeld, hier im Iran. Korrektes Verhalten also.

Dort werden die Lebensbedingungen so schlimm, dass er zurück muss. Und im Heimatland passiert das Schrecklichste, was man sich auch in Gedanken-Experimenten nicht vorstellen will: Eltern und Geschwister werden vor seinen Augen getötet.

Er kommt mit dem Leben davon und flieht. Schwerst traumatisiert. Unfähig, das Erlebte zu verarbeiten, seine Lage so zu berichten, dass BAMF-Asylprüfer sie in ihre Kategorien einordnen können. Psychisch krank und selbstmordgefährdet. Nach mehreren Klinik-Aufenthalten kommt er in das hiesige Bezirkskrankenhaus. Doch aus dem Schutz der medizinischen Betreuung heraus wird er mit Zwang ab- und „rückgeführt“. Mitsamt seinem Trauma und mit der Perspektive panischer Dauerangst.

Es greift hier ein Räderwerk, in dem jede Amtsperson korrekt eine Teilaufgabe zwischen Flucht-Ankunft und Abschiebung erfüllt (mit Ausnahme des Bezirkskrankenhauses, das die Polizei ins Krankenzimmer lässt und einem stationär Aufgenommenen Reisefähigkeit in ein Kriegsgebiet attestiert) und deshalb jeden Morgen ohne Gewissensbisse in den Spiegel schauen kann.

Doch für die Betroffenen und die Opfer ist die Summe der Abläufe, Kriegsopfer entgegen der Schutzbedürftigkeit in ihr Kriegsgebiet zurück zu verfrachten, nicht nur unchristlich, amoralisch ..., sondern aufgrund der Werte, die wir vermittelt bekommen haben, unbegreiflich, sinnlos. Hier ergibt korrekt plus korrekt „mehr als korrekt“: Die Summe der korrekten Einzelteile ergibt als Ganzes etwas Neues: sie zerstört Familien und tut Schutzbefohlenen Gewalt an.