Tausende Unternehmer suchen Nachfolger

Von

Die Experten sind sich einig: Ungelöste Nachfolgefragen im Mittelstand werden für die Wirtschaft zunehmend zum Problem. Auch in Oberfranken, wo in den kommenden Jahren mehrere Tausend Familienunternehmen zur Übergabe anstehen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Übernehmen die Kinder oder die Enkel, bleibt das Unternehmen in der Familie? Auch die Demografie wird bei Nachfolgefragen immer mehr zum Thema. Foto: Jens Kalaene/dpa Foto: red

Die Zahlen unterscheiden sich je nach Betrachtungshorizont leicht, beeindruckend sind sie allemal. Bei rund 2000 Unternehmen in der Region mit zusammen deutlich mehr als 100.000 Mitarbeitern muss in den kommenden vier bis fünf Jahren eine Nachfolgeregelung gefunden werden. Und das wird aus verschiedenen Gründen nicht leichter. Die Hypovereinsbank (HVB) fragt sogar: Gehen Oberfranken die Unternehmer aus? Soweit wird es wohl nicht kommen, unterschätzen dürfen die Betriebsinhaber die Aufgabe aber auch nicht.

Nach der Werbung weiterlesen

Demografie schlägt zu

Doch genau das geschieht offenbar immer noch oft. Selbst wenn der Senior-Chef sich entschlossen habe loszulassen, sei vielen nicht klar, welcher Aufwand und wie viel Zeit bis zum Abschluss des Prozesses nötig seien, sagt Klemens Jakob, der für die Nachfolgeberatung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Oberfranken (Bayreuth) zuständig ist. Wenn sich denn überhaupt ein Nachfolger findet. Denn laut Raimund Walter, Leiter des HVB-Firmenkundengeschäfts in Bayern Nord-Ost, schlägt seit etwa 2012 auch noch die Demografie verstärkt zu. "Es gibt deutlich mehr übergabereife Unternehmen als potenzielle Nachfolger", sagt er.

Viele Emotionen im Spiel

Auch wenn andere Formen an Bedeutung gewinnen, laufen nach Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn rund die Hälfte aller Betriebsübergaben innerhalb der Familie ab. Was die Sache nicht einfacher macht, denn oft sind jede Menge Emotionen im Spiel. Verständlich finden es Jakob und Walter schon, wenn ein erfolgreicher Unternehmer den Einfluss auf sein Lebenswerk nicht ganz aufgeben will, während Tochter oder Sohn endlich eigene Akzente setzen möchten. Doch solche Konflikte könnten wie auch jede andere hinausgezögerte Nachfolgeregelung lähmen, wenn etwa wichtige Investitionsentscheidungen aufgeschoben werden. Erst wenn - meist durch Beratung und Mediation von außen - eine sachliche Ebene gefunden werde, laufe es besser.

Image wird schlechter

Immerhin sei im besten Fall aber schon mal geklärt, dass der Nachwuchs überhaupt Lust auf die Nachfolge hat. Selbstverständlich ist das nämlich längst nicht mehr, was für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) neben der hohen Arbeitsbelastung und Verantwortung auch mit dem aus seiner Sicht unverdient schlechter werdenden Image des Unternehmers in der Gesellschaft zu tun hat.

Anforderungen an Experten steigen

Dass neben der Familiennachfolge auch andere Lösungen häufiger werden, merkt Dirk Friedrich an den Wünschen seiner Kunden. "Die Anforderungen steigen auf manchen Feldern enorm", sagt der Leiter des Private Banking der HVB in Oberfranken und nennt Stiftungslösungen oder die vorgreifende Organisation von Erbfällen als Beispiele. Dafür brauche es Experten, die seine Bank vorhalte - wenn nicht vor Ort, dann in München oder Nürnberg.

Niedrige Zinsen, mehr Übernahmen

IHK-Mann Jakob hat derweil festgestellt, dass Übernahmen durch Familienfremde zunehmen - entweder durch firmeninterne Manager oder gleich ganz von außen. In seiner Beratungspraxis bildete das sogenannte Management-buy-in 2017 sogar erstmals die Mehrzahl. Dabei spielten Demografie und anderweitige Interessen von Familienmitgliedern sicher auch eine wichtige Rolle, aber auch die niedrigen Zinsen. Eine Übernahme lasse sich derzeit einfacher finanzieren als noch vor einiger Zeit, sagt Raimund Walter. Dabei hat Klemens Jakob beobachtet, dass zunehmend Firmenbeteiligungen mit späterer Übernahmeoption ausgehandelt würden.

Bis zu fünf Jahre einplanen

Und wann ist nun der richtige Zeitpunkt, sich mit der Nachfolge zu beschäftigen? Das sei natürlich von Fall zu Fall verschieden, betonen die Experten. Eins aber sei unverzichtbar, egal wie alt die Chefin oder der Chef ist, sagt Jakob: "Wir nennen es Notfallkoffer unter anderem mit Testament, Patientenverfügung und Vertretungsregeln. Denn passieren kann immer etwas." Spätestens mit 55 müsse man sich dann endgültg mit der Nachfolgefrage beschäftigen, schließlich dauere der gesamte Prozess in der Regel ein bis fünf Jahre - familieninterne Lösungen liegen dabei erfahrungsgemäß zeitlich eher an der oberen Grenze.

Ist schließlich eine gute Regelung gefunden, kann das ein Unternehmen regelrecht beflügeln, weiß Walter. Oder wie es Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kürzlich ausdrückte: "Eine erfolgreiche Übergabe ist die Krönung jeder Unternehmerbiografie und sichert Unternehmen und Arbeitsplätze für die Zukunft."