Streit in der HWK Handwerker streiten weiter um Ausbildungsort

Von Mathias Ertel
Die Mitglieder der Vollversammlung stimmten schriftlich über die Zukunft der GTO ab. Die Mehrheit entschied sich für die Bewilligung eines
 Darlehens. HWK-Präsident Thomas Zimmer und HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Koller (von links) freuten sich über das Ergebnis. Foto: HWK für Oberfranken Foto: red

BAYREUTH/COBURG. Ihre Mienen sind angespannt, ernste Blicke schweifen nervös über den oberen Brillenrand, fixieren die Medienvertreter: Thomas Zimmer, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Oberfranken, und Hauptgeschäftsführer Thomas Koller haben zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz geladen.

 
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Sie wollen Dinge klarstellen, gerade rücken, was durch „veraltete Aussagen und Sachstände“ in Schieflage geraten ist. Erreichen wollen sie die Öffentlichkeit - und vor allem die Coburger Handwerker, die in dieser Woche in einem bundesweit einmaligen Vorgang die oberfränkische Handwerkskammer verklagt haben (wir berichteten). „Diese Klage kommt für uns alle im Moment zur Unzeit“, sagt Zimmer - und wirkt dabei auch persönlich getroffen.

Mit ihrer Klage wollen Teile der Coburger Handwerker –- en voran die Bau-Innung mit ihrem Ehrenobermeister Knut von Berg - den Erhalt des Berufs- und Technologiezentrums (BTZ) in der Vestestadt bewirken. Pläne der Handwerkskammer Oberfranken sehen für 2025 eine Schließung vor. Die Handwerker der Vestestadt pochen auf einen 2001 bei der Fusion der einst eigenständigen Coburger Kammer mit der HWK Bayreuth geschlossenen Fusionsvertrag. Dieser schreibe fest, dass der Stadt das BTZ auf Dauer erhalten bleibt. Die Klage ist inzwischen beim Verwaltungsgericht in Bayreuth eingegangen.

„Wie sie sehen, treten wir heute in Mannschaftsstärke an, um die Geschlossenheit des oberfränkischen Handwerks zu zeigen“, betont Zimmer. Neben Hauptgeschäftsführer Thomas Koller hat sich der HWK-Präsident die beiden Vizepräsidenten Matthias Graßmann und Harald Sattler sowie Kammer-Geschäftsführer Rainer Beck an die Seite geholt. Auch ein Coburger Vertreter soll die Einigkeit untermauern. Kreishandwerksmeister Jens Beland trifft mit zehnminütiger Verspätung zur Pressekonferenz ein.
Worum geht es der oberfränkischen HWK? Sie möchte dem Eindruck entgegenwirken, dass sie leichtfertig den Coburger BTZ-Standort streiche, aber gleichzeitig in die weiter verbleibenden Einrichtungen in Bamberg, Bayreuth und Hof investiere.

Basierend auf der demografischen Entwicklung und der zu erwartenden Zahl an Auszubildenden gehe ein Gutachten davon aus, dass man die Standorte für die Berufs- und Technologiezentren von derzeit vier auf drei sowie die Werkstätten von 84 auf 64 reduzieren müsse. „Um weiterhin eine 75-prozentige Förderungen für die BTZ-Einrichtungen zu bekommen, müssen wir gegenüber dem Zuwendungsgeber, also dem Bund, nachweisen, dass wir sie auch in 25 Jahren noch zu 75 Prozent auslasten können“, betont Zimmer. Doch die Lehrlingszahlen schrumpfen: von 2000 bis 2018 in Oberfranken um 44 Prozent, im Kammerbereich Coburg seit 2008 um 48 Prozent.

Dennoch will die oberfränkische HWK Coburg als Standort - vor allem für die überbetriebliche Lehrlingsausbildung - erhalten. Sie setzt dabei auf ein Konzept, das sie „Innovativer Lernort Coburg“ betitelt hat. Angestrebt sei laut Hauptgeschäftsführer Thomas Koller ein „bundesweit einmaliges Modellprojekt“, bei dem man eng mit der Hochschule Coburg kooperiere. Die Werkstätten für die überbetriebliche Ausbildung vor Ort sollen gemeinsam von der Handwerkskammer und der Hochschule genutzt werden. Zudem will man einen Technologietransfer vor allem in den Zukunftsbereichen Gebäudeautomation und „Smart Home“ sowie Energieeffizienz und Mobilität erreichen. Möglicherweise könnten sogar Lehrangebote und Dozenten ausgetauscht werden.

Die Handwerkskammer geht von einem Investitionsvolumen von 15 Millionen Euro für das neue Standortmodell aus. „Die Finanzierung haben wir im Moment noch nicht“, räumt Thomas Koller ein. Allerdings liege das Konzept samt Förderantrag bereits dem bayerischen Wirtschaftsministerium vor. Wirklichkeit kann das Projekt dann werden, wenn 90 Prozent der Kosten über Zuschüsse außerhalb der normalen Handwerksförderung - wie sie bei den BTZs der Fall ist - gedeckt werden können.

Das gesamte Vorgehen legitimiert sieht die oberfränkische HWK-Führung durch einen einstimmig bei der Vollversammlung am 1. Juli dieses Jahres gefassten Beschluss: „Die Geschäftsführung der Handwerkskammer für Oberfranken wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Coburg ein langfristig tragfähiges und finanzierbares Konzept für den Standort Coburg zu entwickeln“, lautet er. Und genau dies ist nach Ansicht von HWK-Präsident Thomas Zimmer auch geschehen: „Mit den Stimmen aus Coburg haben wir den Auftrag erhalten, für die Stadt eine zukunftsfähige, gemeinsame Lösung zu schaffen. Und es gab die Absprache, dass wir das Konzept im Oktober präsentieren.“ Bei allem Verständnis für die Coburger Handwerker sei der Zeitpunkt der Klage wenige Wochen vorher nur schwer zu verstehen.

Jens Beland, der Coburger Kreishandwerksmeister, hat den Beschluss mitgetragen - und bezeichnet die Klage der Kollegen in seiner Stadt zum gegenwärtigen Zeitpunkt als „unglücklich“. „Man hätte damit sicher noch bis zum Treffen im Oktober warten können“, meint er. Doch er wirbt auch im Verständnis. Das Handwerk habe in Coburg mit der starken Industrie große Konkurrenz, wenn es darum gehe, Auszubildende zu finden. Beland: „Da haben manche Angst vor einer Schwächung, wenn die überbetriebliche Lehrlingsausbildung nicht mehr wie bisher stattfindet. Das hat viel mit Existenzängsten zu tun.“ Und der Wegfall des Berufs- und Technologiezentrums wäre eben ein weiterer Standortnachteil.

Dass die überbetriebliche Lehrlingsausbildung in Coburg auch mit dem neuen Lernort-Konzept gewährleistet sei, davon geht der Coburger Kreishandwerksmeister aus, „aber es heißt halt nicht mehr BTZ, wie es im Fusionsvertrag steht. Vielleicht geht es bei dem ganze Ärger auch nur um eine Begrifflichkeit.“