Steingraeber-Hoftheater „Ist ’ne Probe, keine Könne“

Uwe Hoppes Wagner-Theater ist eine feste Größe in der Bayreuther Festspielzeit. In diesem Jahr geht es um Lohengrin, Parsifal und den Gral. Und irgendwie auch um Gott.

 
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Komplizierte Probe: Foto:  

Die wievielte Wagner-Persiflage Uwe Hoppe inszeniert, ist schwer zu sagen. 14 Stücke mit Wagner-Bezug schrieb der Autor und Regisseur in den vergangenen Jahrzehnten allein für die Studiobühne, wie er sagt. Und immer wieder fällt ihm Neues ein. Wagner lässt Hoppe einfach nicht los.

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Als studierter Musikwissenschaftler kennt er „seinen“ Wagner sehr genau. Im Studium sei es schon zwingend notwendig gewesen, sich mit dem „Ring des Nibelungen“ zu befassen, sagt er. Nach dem Chérau-,,Ring“ in Bayreuth erst recht. 1982 verfasste Hoppe seine erste Wagner-Produktion fürs Theater. Um den „Ring des Liebesjungen“ sei damals ein regelrechter Hype entstanden. „Wahnsinnig viele Leute, Sänger, Bühnenbildner, Gäste aus aller Welt wollten ihn sehen“, erinnert sich Hoppe. „Die Menschen standen Schlange bis zur Stadtkirche.“

Wo Lohengrin auf Parsifal trifft

Das jüngste Werk aus seiner Feder heißt „Lohengrin sein Vater und der Gral oder in fernem Land“. Die Uraufführung fand im Vorjahr statt, 2024 ist „Lohengrin“als Wiederaufnahme erneut im Steingraeber-Hoftheater zu sehen. Drei Vorstellungen waren im Juli, sechs weitere folgen im August. Hoppe sagt, er schreibe die Stücke „für ein Wagner unkundiges Publikum“. Die Rollen und die jeweiligen Schauspieler dafür habe er vorab bereits im Kopf. Das Ensemble ändere sich Jahr für Jahr. In der Regel wird ein Stück zwei, drei Jahre gespielt. Im Hof des Steingraeber-Ensembles in der Friedrichstraße. Einst als Notlösung gedacht, hat sich der Spielort über 42 Jahre hinweg bewährt.

Und nun also Parsifal, der Sohn von Lohengrin, gezeigt als Theaterstück über eine probende Schauspielertruppe und ihre strenge Regisseurin Agate Runkel. Um es gleich zu sagen: „Lohengrin sein Vater und der Gral“ ist ein intelligentes Theatervergnügen, das Nicht-Wagner-Kennern ebenso große Freude bereiten kann. Gekonnt vermischt Uwe Hoppe die Wagner’sche „Parsifal“-Handlung mit der von „Lohengrin“, dem Helden aus der romantischen Schwanenritter-Oper. Zugleich verankert Hoppe das Ganze in der Gegenwart des Regietheaters.

„Macht Blödsinn, macht Scheiß“

Opernregisseurin Runkel (herrlich: Conny Trapper) versteht sich als eine Kapazität und weiß genau, was das Publikum von ihr erwartet. Die Schauspieler wissen bei der Theaterprobe dagegen nicht wirklich, was sie von ihnen will. So rebellieren sie zuweilen gegen die teils widersprüchlichen Vorgaben der Regisseurin. Oder sind einfach ratlos angesichts ihrer wechselhaften Anweisungen. Dabei fordert Runkel schließlich nur: „Probiert aus, Kinder! Es ist ’ne Probe, keine Könne. Macht Blödsinn, macht Scheiß, bringt eure Körper und euren Geist in Bewegung!“

Das Stück sagt viel über den Zustand des Theaters der Gegenwart, das selbstverständlich mit Videokamera arbeitet und den Schauspielern möglichst drastische Sex-Szenen abverlangt. Keine Sorge, dazu kommt es nicht: Die Zuschauer sehen vielmehr die Darsteller in völlig unerotischen Szenen bei verzweifelten Versuchen, alles richtig zu machen. Eine Art Gruppensexszene mit Kundry (Annette Zeus, zugleich Elsa, Herzeleide und Schauspielerin Gabi Strauch) empfindet die Regisseurin als „poetisches Bild“ und ordnet an: „Redet postkoital miteinander!“ Es entstehen groteske Situationen voller Witz und Komik.

Klingsor liebt Amfortas

Einige Umdeutungen passieren ebenso und so verführt Klingsor (Julian Krumm) den Amfortas (Michael Rothbächer) – beide sind homosexuell. Die Darsteller schlüpfen beide jeweils in sieben Rollen. Auch alle anderen Ensemblemitglieder wechseln zwischen vier und fünf Rollen hin und her. Das macht das Stück nicht gerade übersichtlicher und ist eine Herausforderung. Parsifal (Alexander Vanheiden) weiß in diesem Stück von Anfang an seinen Namen, wirkt sonst aber nicht besonders helle. Die Schauspieler tragen eine Art Blaumann, Arbeitskleidung, die mal mit einem umgebundenen Fell, Kopftuch oder Helm mit Geweih ergänzt wird (Kostüme: Ingrid Wachsmann). Annette Zeus als Kundry und Herzeleide bindet sich etwa pinkfarbene Tüllröcke und Bustiers um. Der Speer ist natürlich sexuell konnotiert, wird auch „harte Latte“ genannt – und trägt eine rote Spitze. Den heiligen Gral bekommt man aber nicht zu fassen. Hoppe lässt Zitate von Dietrich Bonhoeffer einfließen.

Lachen über Wagner erlaubt

Maßlose Übertreibungen, Verwechslungen und hölzernes Spiel, das an Shakespeares Theater erinnert, machen den Abend zu einem kurzweiligen Vergnügen. Als Bonbon gibt’s Einspielungen aus den Wagner Opern obendrauf. Wer einmal herzhaft über Richard Wagner und seine Opern lachen will, sollte das Stück nicht versäumen.

Info: Spieldauer zwei Stunden. Karten an der Abendkasse sowie im Vorverkauf bei der Studiobühne und der Theaterkasse Bayreuth. Weitere Termine: 13., 17., 18., 20. 22. und 24. August, 20 Uhr.