Damit sollte sie recht behalten. Schon für die Vorbesichtigungstage sind neben den Künstlern Massen an Journalisten, Sammler, Kunst- und Partybegeisterte in die italienische Lagunenstadt gekommen, um sich die Kunstschau anzusehen, die bis zum 24. November läuft. So viel Kunst auf einmal droht einen zu erschlagen. Einige Werke lassen den Betrachter ratlos zurück. Andere sind womöglich zu eindeutig, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Aus der Masse sticht ein schwarzer Industrie-Roboter hervor, der in einer Art Glaskäfig sein Werk verrichtet. Es sieht aus wie Blut, das da gegen die Scheibe klatscht, sobald der Roboter mit einer Art Wischer am Ende seines Arms wieder ein bisschen der roten Suppe in die Mitte des Raums kehrt. Aber selbst das programmierte Gerät schafft es nicht, die Flüssigkeit unter Kontrolle zu halten. "Can't Help Myself" haben die chinesischen Künstler Suan Yuan und Peng Yu das Werk genannt, für das sie dem Roboter insgesamt 32 Bewegungen beigebracht haben. Sie haben etwas überraschend graziles, fast menschliches.
Videokunst gibt es zum Beispiel von der deutschen Künstlerin Hito Steyerl zu sehen. Auf Stegen, wie sie auch in Venedig bei Hochwasser eingesetzt werden, wandelt man zwischen digitalen Blumen eines in der Zukunft verlorenen Gartens. Videos laufen auf verschiedenen Projektionsflächen ab. Es geht um Zukunftsvorhersagen durch künstliche Intelligenz, um ihre Gefahr und Unzuverlässigkeit. "Weil die Zukunft vorhersehbar wurde, ist die Gegenwart unvorhersehbar geworden", sagt eine Stimme an einer Stelle, dann kommen deutsche Rechtsextreme ins Bild. Warum niemand den Brexit habe kommen sehen, wird an anderer Stelle gefragt.
Zu sehen bekommt man auf der Mega-Schau auch ein zersägtes Motorrad von der deutschen Künstlerin Alexandra Birckel. Die australischen Zwillingsschwestern Christine und Margaret Wertheim werfen mit ihren aus kleinen Perlen geknüpften Korallen ein Schlaglicht auf die Gefährdung von Ökosystemen wie Korallenriffen durch die globale Erwärmung und Plastikmüll.
Neben dem Klimawandel werden sowohl in der Hauptausstellung als auch in den Länderbeiträgen immer wieder Identität, Herkunft und Tradition thematisiert. Im kanadischen Pavillon gibt das Kollektiv Isuma Einblick in das Leben der Volksgruppe der Inuit, im finnischen Pavillon wird Kunst des Volks der Samen gezeigt. Für den brasilianischen Beitrag haben sich die Künstler Bárbara Wagner and Benjamin de Burca mit dem Tanzstil Swingueira und der Lebenswirklichkeit ihrer Tänzer auseinandergesetzt.
Die Frage nach der Zugehörigkeit sei die Frage unserer Zeit, sagt der aus Kamerun stammende und in Berlin lebende Kurator und Kunstkritiker Bonaventure Soh Bejeng Ndikung. Und es sei die Aufgabe der Kunst und Künstler, "andere Modelle des Zusammenseins und Zusammenlebens" zu präsentieren.