Statistik spricht gegen einen Zusammenhang Angst vor Krebs: Donndorfer besorgt wegen Mobilfunkmasts

Von Heike Hampl
Gretl Stiefler ist besorgt: Macht der Mobilfunkmast in der Forststraße die Donndorfer krank? Die Zahlen sprechen dagegen. Aber Gretl Stiefler ist mit ihrer Angst nicht allein, das beweist eine Unterschriftensammlung. Foto: red

In Donndorf haben viele Menschen Angst davor, dass ein Mobilfunkmast Krebs auslösen könnte. Mehr als 300 Unterschriften zeugen davon. Hartmut Haenlein, auf dessen Grundstück die Sender stehen, ist irritiert: Keiner der 300 besorgten Nachbarn hat bisher das Gespräch mit ihm gesucht.

 
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Es ist so ruhig in Donndorf. Straßen voller Einfamilienhäuser zeugen von einem Idyll in bescheidenem Wohlstand. Viele ältere Menschen wohnen hier, sie haben sich in jungen Jahren ein Haus gebaut, alles investiert, was sie hatten. Doch eine Liste mit mehr als 300 Unterschriften zeugt davon, dass die Menschen hier nicht nur Ruhe haben. Sondern auch Angst.

"So viele Menschen an Krebs gestorben"

Auf dem Späneturm der Schreinerei Haenlein stehen Mobilfunkmasten. Der Späneturm ist 18 Meter hoch, die einzelnen Sender keine drei Meter. Gretl Stiefler (74) schaut besorgt hinauf zu den Sendemasten. „In den vergangenen zehn Jahren sind so viele Menschen hier an Krebs gestorben", sagt sie. Zwei davon waren ihre Freundinnen. Gretl Stiefler weint, wenn sie davon erzählt. Immer wieder Operationen, immer wieder Hoffnung. Und trotzdemein viel zu früher Tod. Erst ein Jahr ist es her, dass Gretl Stiefler eine Freundin verloren hat. Ein Foto von ihr hängt nur für den Kurier-Besuch in der Küche. „Damit Sie es sehen. Aber ich kann es noch nicht ertragen", sagt sie.

Gretl Stiefler hat kein einfaches Leben. Sie selbst hat einen kranken Rücken, kann kaum gehen. Sie lebt in ihrem großen Haus in der Siedlerstraße. Viele ihrer Nachbarn hat sie an den Krebs verloren. „Es kann nur an dem Funkmast liegen", ist sie sicher. Seit zehn Jahren stehen die Sender in der Forststraße. Die 74-Jährige hat eine Klarsichtfolie voller Studien und Artikel – Ausdrucke aus dem Internet. Die Berichte stammen aus Brasilien, aus Spanien, aus der Steiermark. Und sie beunruhigen Gretl Stiefler noch mehr. Zusammen mit anderen Nachbarn hat sie Unterschriften gesammelt. Mehr als 300 Menschen haben unterschrieben. Damit man ihr glaubt, hat Gretl Stiefler alle ihr bekannten Krebsfälle der Siedlung zusammengefasst: 35 Krebskranke in zehn Jahren. 27 davon sind gestorben. „Das ist doch nicht normal, das fällt doch auf", Gretl Stiefler schüttelt den Kopf.

Mit diesen Zahlen wandte sie sich an das Landratsamt. Zuständig dort ist das Gesundheitsamt und damit Klaus von Stetten. Der befasste sich mit den Krebszahlen und holte Informationen vom Krebsregister ein. Das Ergebnis: In den Jahren 2002 bis 2009 lag die Krebsrate in Eckerdorf unter dem bayerischen Schnitt. Direkte Zusammenhänge zwischen Funkmasten und Krebs sind wissenschaftlich nicht seriös erwiesen, heißt es aus dem Krebsregister.

Umstrittene Naila-Studie

Über diese Aussage kann Horst Eger aus Naila nur lachen. Er war einer der Ärzte, die im Jahr 2004 die Naila-Studie erstellt haben. Diese Studie war die erste, die einen Zusammenhang zwischen Mobilfunkmasten und Krebs herstellte. Das Ergebnis der umstrittenen Studie: In den ersten fünf Jahren macht die Strahlung nichts mit dem Menschen, dann verdreifacht sich die Krebsrate.

Martin Meyer, Leiter des bayerischen Krebsregisters in Erangen, hält nichts von der Naila-Studie. „Es wurden weniger als zehn Prozent der Bevölkerung betrachtet. Das ist nicht zuverlässig", sagt er. Und: Das Alter und das Geschlecht der Erkrankten und auch die konkrete Krebsart wurden außer Acht gelassen, „sondern alles in einen Topf geworfen". Krebs verteilt sich immer ungleichmäßig. Die Macher der Studie haben beliebige Straßen beobachtet. Hätte man die Straße nebenan untersucht, hätte die Studie ganz anders aussehen können, sagt Meyer. Auch die Verdreifachung der Krebsrate nach fünf Jahren hält er für „medizinisch nicht plausibel." In Expertenkreisen gilt die Naila-Studie als Zufallsergebnis. „Mobilfunkmasten stehen außer Verdacht, Krebs zu erregen. Wenn überhaupt, gibt es den Verdacht beim Handy am Kopf", sagt Meyer.

Aber wieso haben so viele Donndorfer Krebs? Es könnte mit dem Altersdurchschnitt in der Sieldung zusammenhängen. Fast alle Krebsarten treten bei älteren Menschen sehr viel häufiger auf als bei Jüngeren. Auf einen unter 15-Jährigen, der eine Krebsdiagnose erhält, kommen 200 bis 300 über 80-Jährige, sagt das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Seltsame Wut

Neben der Angst vor der Strahlung kommt in Donndorf eine seltsame Wut auf denjenigen, auf dessen Späneturm die Sender stehen: Hartmut Haenlein, Schreiner. Er ist verwundert über die Anfrage des Kuriers. „Nicht ein einziger war bisher Manns genug, mal zu mir zu kommen und darüber zu reden", sagt er. Sein Vater war es, der mit den Mobilfunkbetreibern die Verträge über 25 Jahre abschloss. Haenlein bekommt gutes Geld dafür, über Summen will er nicht reden. Der 51-Jährige hat selbst vier Kinder. „Sie glauben doch nicht, dass ich so naiv bin, mir was Gefährliches aufs Dach zu setzen?", sagt er.

Die Gemeinde Eckersdorf hat von Haenlein zu jedem Sender ein Gutachten verlangt, das bestätigt, dass alle Richtlinien eingehalten werden. Angesichts der Tatsache, dass auf dem Eckersdorfer Rathaus ebenfalls ein Mobilfunkmast steht, fast Ironie für den Schreiner. Ergebnis der Gutachten: alles in Ordnung. Info: In Eckersdorf sind zwischen 2002 und 2009 durchschnittlich 14,9 Männer und 11 Frauen pro Jahr an Krebs erkrankt. Der Bayernschnitt liegt bei 16 Männern und 13,8 Frauen pro Jahr.