Stadtarchiv als dickster Batzen

Von Michael Weiser
Martina Ruppert an der Figurengruppe vorm Historischen Museum. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Sie war Vize-Chefin, rückt mit dem Ruhestand für Sylvia Habermann an die Spitze des Historischen Museums. Zunächst auf zwei Jahre ist Martina Ruppert kommissarische Leiterin des Hauses, das dringend modernisiert werden muss. Ihr allerdings liegt auch das Stadtarchiv am Herzen. Wir sprachen mit ihr über neue Reihen aus der Geschichte, die Notwendigkeit einer Inventur und die Probleme mit dem Stadtarchiv.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Heute geht mit 3-D-Technik viel. Man könnte die Exponate des Museums doch einfach scannen, ins Internet stellen und sich so viel Geld sparen. Warum braucht man ein Museum?

Ruppert:  Weil sonst das Atmosphärische fehlt, der Geruch, die Möglichkeit, das Objekt zu erfassen. All das, was man für sinnliche Erfahrungen benötigt, geht am Bildschirm verloren. Zur Information vorab und zur Orientierung kann man das Internet freilich verwenden, aber um sich eine Vorstellung zu schaffen, braucht man das Atmosphärische.

Erstmal inventarisieren

Wo wollen Sie im Museum selber neue Akzente setzen?

Ruppert: Bevor ich mir über die ganz konkrete Umgestaltung und eine Neukonzeption Gedanken mache, muss ich eine Bestandsaufnahme machen. Ich bin nun erstmal für zwei Jahre kommissarisch im Amt, grundsätzliche braucht so etwas aber Zeit. Was die Modernisierung betrifft: Da wird es sicher auch darum gehen, dass man mal schaut, was multimedial zu machen ist. Auch unsern Auftritt auf Social Media müssen wir überdenken. Heutzutage ist es möglich, dass man mit Smartphones Museumsbesuche und Besucherströme organisiert. Mal schauen, was sinnvoll ist. Aber: Ein Schritt nach dem anderen.

Sie waren die vergangenen Jahre schon im Museum, da könnten Sie wissen, was sich im Museum befindet. Warum dann eine Bestandsaufnahme?

Ruppert: Ich war ja nur für einen bestimmten Bereich tätig, die Museumspädagogik,  und hatte noch nicht Einblick in alles. Es  gibt Ecken, die habe ich noch nicht besichtigt.

Knapper Raum

Wie viele Möglichkeiten haben Sie innerhalb von zwei Jahren?

Ruppert: Grundsätzlich hat man schon Möglichkeiten, wenngleich die Zeit knapp bemessen ist. Was man tun kann, lässt sich auf jeden Fall besser sagen, wenn man gesichtet hat, was im Museum ist. Dann kann man überlegen, wo Schwerpunkte setzen kann. Im Oktober werden wir Vortragsreihe zum Thema Nationalsozialismus veranstalten, das ist schon initiiert. Ich werde versuchen, einen Schwerpunkt auf die jüngere Geschichte zu legen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten sind wir für diese Zeit aber auf zwei kleine Räume beschränkt. Es wäre aber Material ist da für zwei, drei weitere Räume. Unbefriedigend ist das. In der Zukunft wäre es schön, wenn wir erweitern könnten, um gerade diesen Bereich noch stärker in den Fokus zu bringen.

 Es gab in den vergangenen Jahren eine Reihe von Gedenkjahren, die am Historischen Museum so gut wie spurlos vorübergingen. Etwa 2014, hundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs…

Eine Reihe über Industriegeschichte

Ruppert: Wir hatten 2014 eine Reihe mit dem Titel „1914. Bayreuth am Beginn des Ersten Weltkriegs“.

Man hätte auch eine Ausstellung zu 500 Jahren Reformation erwartet. Immerhin war Markgraf Georg einer der ersten Fürsten, die sich zu Luther bekannten. Fehlt es an Mitteln, um Bayreuths Rolle in der Reformation zu beleuchten?

Ruppert: In dieser Übergangsphase dergleichen vorzubereiten, war schwierig. Da hatte ich auch keinen großen Einfluss. Das wurde maßgeblich von Frau Dr. Habermann ausgearbeitet. Ich habe aber zum Beispiel am Katalog für die Historismus-Ausstellung mitgearbeitet, und auch bei den "Geheimnisträgern" (spezielle Führung, Anm. der Red.) und bei Themenführungen. Das waren meine Aufgaben.

2018 könnte man an Kurt Eisner und 2019 die Räterepublik erinnern.

Ruppert: In ein paar Tagen bin ich so weit, dass ich konkrete Dinge schon nennen kann. Diese Zeit wird auf jeden Fall in die Planungen einbezogen werden. Wie gesagt, es ist nötig, dass ich mich umschaue, es ist wirklich ein großes Museum, in dem es sehr viel zu sichten und zu ordnen gibt.  Inventarisieren muss ich, auch im Verwaltungsbau ist wahnsinnig viel zu tun, was man so erstmal gar nicht bedenkt. Für mich ein ist das ein neues Feld - gerade die Verwaltung.

Geschichte lebt

Was ist denn zum Beispiel beim Inventar zu machen?

Ruppert: Es ist noch sehr viel handschriftlich festgehalten, die klassischen Inventarbücher eben. Ich kann damit umgehen, aber es ist nicht befriedigend. Die digitale Inventarisierung müssen wir auf jeden Fall angehen. Was schon klar ist: Wir haben manche Bereiche der Bayreuther Geschichte, um die wir uns nur im Bereich von Sonderausstellungen kümmern können. Etwa im Bereich Industriegeschichte.

 Ein Kapitel, das Bayreuth bis heute prägt.

Ruppert: Ich würde gerne eine Reihe initiieren, mit dem Arbeitstitel „Bayreuther Familiengeschichten“. Anfangen würde ich gerne mit der Familie Bayerlein (Die Spinnerei F.C. Bayerlein war eines der großen Unternehmen in Bayreuth, Anm. der Red.) Da laufen erste Gespräche. Damit kann man Persönlichkeiten präsentieren und den einen oder anderen Bereich beleuchten, der anders kaum dargestellt werden kann. Es ist Interessant, wenn man die Leute anspricht, dann merkt man erst einmal, was da noch da ist. Da wollen wir in manchen Punkten die Bürger einbinden, damit man sich in Bayreuth stärker mit dem Museum identifiziert.

Was dem Haus nicht schaden würde.

Ruppert: Geschichte ist für mich nicht verstaubt, man kann immer auch Bezüge ins Heute herstellen. Ich glaube, dass Geschichte lebendig ist. Die Geschichten von damals prägen die Stadt von heute. Man wird immer wieder mit Geschichten und Geschichte konfrontiert, die man gar nicht bewusst wahrnimmt. Bei der Gewässer-Ausstellung zum Beispiel haben wir viel Feedback erhalten. Und das ist das eigentlich interessant: Wie Geschichte ins Heute rückt. Wir sind nicht historisch verstaubt, wir begreifen uns sozusagen als Museum der Gegenwart.  Ich glaube, dass da noch einiges schlummert.

Sie sind kurioserweise auch für das Stadtarchiv zuständig. Was könnten Sie uns über den Stand in dieser Frage sagen?

Ruppert: Das Stadtarchiv brennt mir auf den Nägeln, diese Aufgabe steht ganz oben auf der Liste. Wir brauchen möglichst schnell eine Entscheidung über einen entsprechenden Standort. Da laufen schon Gespräche,

Was wäre denn Ihr Wunschstandort?

Ruppert: Es  kommen verschiedene Standorte in Frage. Man muss sehen, was bei den Gesprächen herauskommt. Das Archiv in einem historischen Gebäude unterzubringen, hat natürlich seinen Reiz. Auf der anderen Seite ist es so, dass es auch Platz für eine Erweiterung bietet. Es muss ja für die nächsten Jahre und Jahrzehnte vorhalten. Ein Neubau hätte auch seinen Reiz. Man könnte ja auch ein architektonisches Highlight bauen, einen Kubus meinetwegen, der  an der richtigen Stelle der Stadt auch einen architektonischen Akzent bringt.

Erstmal das Archiv

Ein weiteres Problem: Die Leuschner-Gedenkstätte. Sie wird offenbar schwach besucht, dazu gibt es den Mangel, dass man mit der Konzentration auf einen in Bayreuth geborenen hessischen Innenminister viele andere widerständige Menschen gegen das NS-Regime sträflich vernachlässigt.

Ruppert: Da gibt es natürlich Leute, die man noch einbeziehen muss. Das ist richtig. Und wenn es die Räumlichkeiten es hergeben, kann man daran gern im Historischen Museum erinnern. Aber da sind wir bei den Schwierigkeiten, die  wird schon angesprochen haben. Das ist ein wichtiger Punkt. Aber erstmal müssen wir uns um das Archiv kümmern. Das muss dringend raus, in ein geeignetes Gebäude. Das ist ein großer Batzen. Eigentlich gehört das Archiv in den Verwaltungsbereich. Wenn es irgendwo angegliedert sein sollte, dann bei der Stadtverwaltung. Aber jetzt ist erst einmal wichtig, dass es wieder in den Fokus der Leute kommt. Jetzt hat man die Möglichkeit, etwas zu bewegen, weil die Frage allgemein auf den Nägeln brennt. Es ist wichtig, die Akten zu sichern und das kulturelle Erbe der Stadt schnellstmöglich und möglichst gut unterbringen. Und sich dann aber auch gleich über eine neue Struktur Gedanken zu machen. Aber da tut sich was. Ich sehe das positiv. Ich sehe da eine große Chance. Wenn man den Standort wechselt, kann man grundsätzlich auch an andere Dinge herangehen und neu strukturieren. Wie viele laufende Meter Akten liegen denn nun noch im Rathaus? Da muss man weit in die Zukunft denken. Und da gibt es auch Fachleute, die sich auskennen, und die man hinzuziehen sollte.

Platz für Reissingers Modelle

Wo können Sie sich vorstellen, die Modelle von Hans C. Reissinger für die nationalsozialistische Gauhauptstadt Bayreuth zu zeigen?

Ruppert: Im Museum selber nicht. Um die Modelle so zu präsentieren, dass sie den Effekt erzielen, den Betrachter mit ihrer Monumentalität noch im Maßstab 1:20 förmlich zu erschlagen, benötigt man Platz. Allein der Turm bräuchte schon drei Meter dreißig Raumhöhe. Das darf  nicht gequetscht ausschauen, will man das Erdrückende dieser Proportionen so wirken lassen, dass man auf  einen Großteil der Erklärungen verzichten kann. Wir haben wirklich viele Modelle, ich weiß gar nicht, ob es so viele Modelle noch in anderen Städten gibt. Faszinierend wäre es, wenn man einen heutigen Stadtplan nimmt und darauf einzeichnet, wo überall die Gaugebäude zu errichten gewesen wären. Da kann man multimedial viel machen, indem man Orte der Stadt zeigt und dann da das Modell reinprojiziert. So was bleibt dann auch beim Betrachter hängen.

Forum Phoinix ist ad Acta gelegt

Und was halten Sie von der Adresse Kämmereigasse 91/2? Das Haus, in dem derzeit zwei Kulturclubs wirken, war für eine Erweiterung Ihres Museums im Gespräch.

Ruppert: Ja, aber das hat sich eigentlich erledigt. Weil da die Räumlichkeiten den Platz einfach nicht hergeben. Da hat man andere Konzeptionen, die sinnvoller sind. Das Haus ist ja als Wohnhaus konzipiert, da ist es schwierig, etwas  wie ein Museum drin unterzubringen. Das ist ad Acta gelegt,

 Wohin könnten Sie sich mit dem Museum dann entwickeln?

Ruppert: Man könnte sich etwas für den Museumshof einfallen lassen und ihn mit dem Haus an der Kämmereigasse verbinden, dass sich da Schnittstellen ergeben. Das wäre ein Konzept, wie man die Ecke auch außerhalb des Bürgerfestes bespielen kann, ohne den musealen Betrieb zu stören.

Das Nachbarhaus an der Kämmereigasse hatte man ja auch schon ins Visier genommen.

Ruppert: Ja, solche Pläne gibt es. Aber die müssen erst geprüft werden.

Wie geht es dem Bernd-Meyer-Archiv mit seinem riesigen Schatz an Fotos?

Ruppert: Das ist immer noch an der Richard-Wagner-Straße untergebracht. Da ist  Frau Dr.  Habermann drüber, die sichtet das Ganze. Das läuft.

Programm zur Opernhaus-Eröffnung

Ein wichtiges Datum für Ihr Haus mit seinem großen Wilhelmine-Bestand könnte die Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses im April 2018 sein.

Ruppert: Da wird auf jeden Fall etwas in unserem Haus passieren. Bin auch offen für  Kooperationen. Bei den Residenztagen im Neuen Schloss werden wir dabei sein, wir sind ganz gut vernetzt und offen für Gespräche.

 Was macht Ihnen eher Schwierigkeiten? Die personellen oder die finanziellen Beschränkungen?

Ruppert: Ich leite das Haus, das am schlechtesten dasteht, die halbe Stelle, die ich zuvor innegehabt hatte, wurde eingespart. Und jetzt haben wir nur noch eine wissenschaftlich arbeitende Kraft – mich. Das ist schon ein Wort. Man muss schauen, dass man den Mittelweg findet. Dass man das Haus am Laufen hält und dazu Sonderausstellungen macht. Aber: Ich kann heilfroh sein, dass ich ein Team habe, das so eingespielt ist. Und ich bin nicht jemand, der sich verschrecken lässt.