Wie stoppt man die Sowjets?

Sperren aus Beton: Wie der Soldat Willi Sachs im Kalten Krieg ein Denkmal errichteteVom Sperrenbauer zum Brückenbauer: Willi Sachs konstruierte die Anlagen, die den Warschauer Pakt  bremsen sollten und wickelte nach dem Mauerfall die NVA ab.

 
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Zwei Denkmäler hat Willi Sachs errichtet. Beide verdanken sie ihre Existenz einerseits dem Kalten Krieg, andererseits wurden sie erst durch sein Ende möglich. Klingt absurd, ist es aber nicht, nicht absurder als jener Konflikt jedenfalls, in dem deutsche Soldaten an vorderster Front standen, hüben wie drüben.

Das eine Denkmal ist ein offensichtliches. Es hat eine Inschrift, es stehen drei Stelen daneben. Es ist ein Gedenkstein, den Sachs im Juni dieses Jahres auf dem Gelände der früheren Markgrafenkaserne aufgestellt hat, zusammen mit einigen Gleichgesinnten, ehemaligen Soldaten wie er. Dieser Felsbrocken erinnert an die lange militärische Tradition Bayreuths. Fast 400 Jahre waren das. Und Sachs findet es wichtig, daran zu erinnern, schon weil seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges "dort 30000 junge Männer Dienst getan haben". Bis die Wiedervereinigung den Standort überflüssig machte.

Schmucklos am Bahngleis

Das andere Denkmal des Willi Sachs steht so offensichtlich und so schmucklos in der Gegend herum, dass man es vielleicht sieht, aber nicht wahrnimmt. Nicht als Denkmal zumindest. Aber genau das ist es, und zwar sogar mit dem Siegel  der Denkmalschützer: zwei Pfeiler aus je neun Betonsegmenten, zu beiden Seiten der Bahnstrecke nach Neuenmarkt, etwas mehr als zwei Kilometer südlich von Marktschorgast auf der so genannten Schiefen Ebene. Eine  so genannte Fallkörpersperre: Die neun Betonsegmente ruhen auf einem hohlen Betonquader, der für den Fall des Ernstfalls mit Sprengstoff gefüllt werden sollte. Dann also, wenn die Truppen des Warschauer Paktes anrückten. Und dann sollte eine Explosion die Basis der Pfeiler zertrümmern und die Betonteile auf die Gleise stürzen lassen, als Hindernis für die Angreifer.

Die nie kamen. Irgendwann war die innerdeutsche Grenze Geschichte, ebenso wie der Warschauer Pakt, Kriegsgerät wurde verschrottet, Kasernen abgerissen, und die Pfeiler standen immer noch, als Zeugen einer Zeit gespannten Abwartens. Zeugen, deren Seltenheitswert immer mehr zunahm. So lange standen sie, bis die Denkmalschützer sie in ihre Obhut nahmen, mit einem Eintrag in die Liste der Denkmäler. Kriegsrelikte, die ihren Zweck nie erfüllen mussten.

Wallmeister in Zivil

Willi Sachs baute die Anlage als Wallmeister. So nannte man die ausgesuchten Pioniere, die auf Sperren spezialisiert waren: Sprengschächte in Straßen, die als Gullis getarnt waren, oder Sprengkammern in Brückenpfeilern. Einst gab es in Süddeutschland fast 2000 dieser Anlagen. Sie sollten den Feind nicht nur bremsen, sondern auch seinen Vorstoß kanalisieren: Auf der Suche nach einfacheren Routen sollte er der Nato in die Falle gehen. Gruselige Aussichten. An Spannung oder Angst aber will sich Sachs nicht erinnern. "Wir waren immer relativ ruhig", sagt der heute 76-Jährige. "Unsere Sachen funktionieren, das wussten wir. Wir hatten uns nichts vorzuwerfen." Manchmal war das System verblüffend simpel. Etwa bei den Steckschächten, in die sich T-Träger versenken ließen, die dann ein gutes Stück aus der Straßenoberfläche herausragten. "Die waren für Doppel-Träger vorgesehen, die fährt auch ein Panzer nicht so leicht um. Wir haben schon tolle Sachen gebaut."

Sein Soldatenleben mochte er. "Das Leben als Soldat hat mich richtig ausgefüllt, man hat einen Effekt gesehen, wir waren jeden Tag draußen", erzählt er. Alte Fotos zeigen Männer mit Kotelletten, mit längeren Haaren, als sie heute üblich sind. Gestresst wirken die Männeren nicht. "Im Außendienst trugen wir keine Uniform", sagt Sachs. Er und sein Trupp fuhren in einem grauen Bus, trugen draußen meist Zivil. Um die Menschen nicht auf die militärischen Einrichtungen aufmerksam zu machen, die buchstäblich unter ihren Füßen ruhten. "Viele Leute wussten ja nicht, was das ist."

Friedliches Finale

Die Betonquader des Willi Sachs fielen nie, dafür die Berliner Mauer, am 9. November 1989, und ihr folgte der Warschauer Pakt. Sachs ging in die letzte Phase seiner aktiven Soldatenlaufbahn - und wickelte den Gegner von gestern ab: die Nationale Volksarmee löste sich auf, beraten und begleitet von Soldaten wie Sachs, die sich auch mit den Sowjets abstimmten. Offen sei die andere Seite gewesen, die Zusammenarbeit sei hervorragend gelaufen. Auch für Stabsfeldwebel Sachs gab es Lob seitens der Vorgesetzten: Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl habe Sachs gezeigt, somit "hat er zum Abbau von Vorurteilen und zum besseren Veständnis der Menschen in Deutschland Ost und Deutschland West beigetragen". Vom Sperren- zum Brückenbauer: auch eine Karriere, die erst der 9. November 1989 möglich gemacht hat.

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