So könnte der Urahn von Spinnen und Skorpionen ausgesehen haben
Goldener Ur-GliederfüßlerSo könnte der Urahn von Spinnen und Skorpionen ausgesehen haben
Markus Brauer/Alice Lanzke(dpa) 30.10.2024 - 15:56 Uhr
In glänzendem Katzengold konserviert, gibt ein 450 Millionen Jahre alter Gliederfüßer Einblicke in die Evolution heutiger Spinnen und Skorpione. Ein Tier ohne Augen, aber mit spezialisierten Gliedmaßen.
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Er hatte wahrscheinlich keine Augen und nahm seine Umgebung mit peitschenartigen Geißeln wahr: So beschreibt eine Forschungsgruppe im Fachblatt „Current Biology“ einen neu entdeckten, 450 Millionen Jahre alten Gliederfüßer. Über die lange Zeit blieben die Tiere in glänzendem Katzengold erhalten.
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Entdeckt im US-Bundesstaat New York
Die Lomankus edgecombei getaufte Art – benannt nach dem Arthropoden-Experten Greg Edgecombe vom Londoner Naturkundemuseum – ist ein entfernter Verwandter von heutigen Pfeilschwanzkrebsen, Skorpionen und Spinnen.
Die Fossilien der Art wurden in „Beecher’s Bed“ entdeckt, einer Fundstätte im heutigen US-Bundesstaat New York, die für ihre in Pyrit (Katzengold) konservierten Fossilien bekannt ist. Vor Millionen von Jahren war die Gegend von Wasser bedeckt.
Auch beim nun beschriebenen Gliederfüßer hat das Pyrit nach und nach die Weichgewebemerkmale ersetzt, bevor die Fossilien vollständig zerfielen. „Diese Fossilien haben nicht nur eine wunderschöne und auffällige goldene Farbe, sondern sind auch spektakulär erhalten. Sie sehen aus, als könnten sie sich einfach erheben und davon krabbeln, kommentiert Forschungsleiter Luke Parry von der Universität Oxford.
„Die Dichte des Pyrits kontrastiert mit der des Tonsteins, in dem sie vergraben waren“, ergänzt Co-Autor Derek Briggs von der US-amerikanischen Yale University. Details wurden auf der Grundlage von Computertomographie-Scans extrahiert, die 3D-Bilder der Fossilien lieferten.
Lomankus edgecombei gehört zu einer Gruppe namens Megacheira, einer mittlerweile ausgestorbenen Gruppe von Gliederfüßern, zu deren Kennzeichen eine große Gliedmaße an der Körpervorderseite gehörte, die vermutlich zum Fangen von Beute genutzt wurde. Schon lange wird diskutiert, wie sich aus jenen Gliedmaßen im Laufe der Evolution etwa die Fühler von Insekten und Krebstieren sowie die Scheren und Zähne von Spinnen und Skorpionen entwickelt haben.
„Heute gibt es mehr Arten von Gliederfüßern als jede andere Tiergruppe auf der Erde. Ein Teil des Schlüssels zu diesem Erfolg ist ihr äußerst anpassungsfähiger Kopf und seine Anhänge, die sich wie ein biologisches Schweizer Taschenmesser an verschiedene Herausforderungen angepasst haben“, fasst Parry zusammen.
Während andere Megacheira ihr großes erstes Glied zum Beutefang nutzten, sind diese Körperfortsätze bei Lomankus edgecombei dafür zu klein: Stattdessen befanden sich bei der Art am Ende der Gliedmaße drei flexible peitschenartige Geißeln.
Entsprechend vermuten die Autoren der Studie, dass Lomankus dieses vordere Glied eher zur Wahrnehmung der Umgebung als zum Beutefang nutzte, was darauf hindeute, dass er einen ganz anderen Lebensstil hatte als seine älteren Verwandten im Kambrium.
So scheine Lomankus im Gegensatz zu anderen Megacheira keine Augen gehabt zu haben. Stattdessen könnte er sich auf seine vorderen Gliedmaßen verlassen haben, um in den dunklen, sauerstoffarmen Meeressedimenten nach Nahrung zu suchen.
Wie die Forschungsgruppe schreibt, bietet die Entdeckung von Lomankus Hinweise darauf, was das Äquivalent des großen Fortsatzes der Megacheira bei lebenden Arten ist: Der Fortsatz ähnle der Antenne von Insekten und den Mundwerkzeugen von Spinnen und Skorpionen.
Hartnäckige und vielfältige Gruppe
Darüber hinaus deuten die Fossilien von Lomankus darauf hin, dass die Megacheira länger als bisher angenommen die Erde bevölkerten. Diese Gruppe war während des erdgeschichtlichen Zeitalters des Kambriums, also vor etwa 538 bis 485 Millionen Jahren, sehr vielfältig, galt aber im darauffolgenden Ordovizium (vor 485 bis 443 Millionen Jahren) als weitgehend ausgestorben.
Luke Parry betont: „Lomankus ist keine Sackgasse, sondern zeigt uns, dass sich die Megacheira auch lange nach dem Kambrium weiter diversifizierten und weiterentwickelten, wobei der ehemals furchterregende große Fortsatz nun eine völlig andere Funktion erfüllt.“