Sinkender Milchpreis: Bauern vor dem Ende

Von Ulrike Sommerer
Symbolfoto: Tobias Köpplinger Foto: red

Es brennt auf den Höfen. Feuer ist das nicht, natürlich. Wenn Manfred Gilch von einem Brand auf den Bauernhöfen spricht, meint er es symbolisch. Und doch umschreibt es das, was in der Landwirtschaft passiert, am besten. Gilch ist Landesvorsitzender im Bundesverband der Milchviehhalter (BdM). Seit Jahren schon klagt der Verband über den sinkenden Milchpreis. Inzwischen spitzt sich die Situation dramatisch zu. Viele Bauern stehen vor dem Ende.

 
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Es ist eine einfache Rechnung: Wenn man für einen Liter Milch teilweise nur noch 19 Cent bekommt, für die Produktion eines Liter Milchs aber zwischen 40 und 50 Cent aufwenden muss, kann das nicht funktionieren. „Lange halten wir nicht mehr durch“, sagen Ute und Peter Schwenk. Die beiden haben in Haselhof einen Milchviehbetrieb. Ihre Tochter will den Betrieb gerne weiterführen. Doch soll man ihr das raten? Die Bauern arbeiten gerade für Nichts, sagt Kornelia Hartmann vom BdM. „Es kann nicht sein, dass ich jeden Tag aufstehe und für Minus arbeite.“ Wohl alle Milchbauern sind derzeit in der Situation von Familie Schwenk und Kornelia Hartmann. Lange durchhalten wird man nicht mehr. Doch so schnell dürfte sich, glaubt man den Prognosen und sieht man sich die Entwicklung des Weltmarktes an, am Milchpreis nichts mehr ändern. Zumindest nicht nach oben.

Der Grund: Es gibt zu viel Milch. Seit das Milchkontingent nicht mehr existiert, das zumindest regulierend auf die Milchmenge einwirkte, werde in Europa deutlich mehr Milch produziert, als der Markt braucht. Und da das Angebot die Nachfrage regelt, sinkt der Milchpreis und sinkt und sinkt.

Wer hat Schuld? Die Bauern? Die zu viel Milch produzieren, um zumindest über die Menge etwas Geld zu erwirtschaften? Die Molkereien? Die sagen, die Preise würden von vier Discountern diktiert werden? Die Discounter? Die Milchprodukte zu Billigpreisen verramschen wollen? Der Verbraucher? Der zu diesen Billigpreisen einkauft?

Überall diskutieren Landwirte und Politiker, ringen um Lösungen. Vertreter des Bauernverbandes sprechen in Bayreuth mit dem bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Und abends diskutieren Mitglieder des BdMs. Der BdM hat einen Lösungsvorschlag, wie die Milchbauern aus dieser für sie katastrophalen Lage heraus kommen können. Die Milchmenge müsse reduziert werden – und zwar europaweit. Es nütze nichts, wenn ein einzelner Bauer oder auch alle deutschen Bauern die Produktion senken. Dies müsse europaweit passieren. Deshalb gelte es jetzt, Druck auf Politiker auszuüben, um eine solche (politische) Mengenregelung auf dem Milchmarkt zu erreichen. Gehandelt werden müsse schnell. „Wir fahren gerade mit Vollgas gegen die Wand“, sagt Gilch.

Minister schließt Rückkehr zur Quote aus

Minister Brunner sagt dagegen deutlich: Eine Rückkehr zur Milchquote wird es nicht mehr geben. Er hat andere Ideen, damit Milchbauern mehr für ihr Produkt bekommen. Eine Idee ist, das Milchpreisrisiko über Versicherungen abzufangen. Denkbar sind für ihn zum Beispiel auch eigenverantwortliche Lösungen zwischen Molkereien und Bauern. Lösungen der Art, dass Bauern für zu viel gelieferte Milch nur noch wenige Cent bekommen, für die vertraglich vereinbarte Menge dagegen einen ordentlichen Preis.

Kritik an Politik und Bauernverband

Der BdM warnt vor solchen Lösungen, sie würden, sagt Gilch, zu einem Chaos auf dem Markt und einem noch größeren Preisdruck führen. Thomas Rösch aus Allersdorf wird deutlicher: Flickschusterei sei das, was Politik und Bauernverband derzeit versuchen, um dem Problem Herr zu werden. Die einzige Lösung ist aus Sicht des BdMs, die Menge zu reduzieren. „Wir ersaufen in Milch“, sagt Rösch. „Lidl und Aldi diktieren die Molkereien, weil zu viel Milch da ist“. Ein geringeres Angebot würde zu bessern Preisen führen. Bauern sollten finanzielle Anreize bekommen (aus einem eigenen Topf, unabhängig vom Milchpreis), wenn sie weniger Milch liefern, Überproduktion müsste bestraft werden.

Die Milch ist nur ein Thema, das auf den Höfen brennt. Auch die Preise für Schweine und Getreide fallen.

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