Sedlmeir: Schlagersänger mit Härte

Von Wolfgang Karl

Es gibt ihn, den harten Schlager. Wenn auch nachweisbar bislang nur in Konzerten von Sedlmeir. Am Donnerstag kommt er ins Bayreuther Glashaus, mit Gitarre und Drum-Computer, mit minimalistischem Aufbau und Texten irgendwo zwischen Schlager und Punk Rock, Ironie und Glücksversprechen. Der selbsternannte „Hard Rock Roboter“ sprach mit dem Kurier über den gelebten Traum, Schmierigkeit und Tristesse in Herbergen.

 
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"Dieses Schmierige, Staubsaugervetreterhafte": Sedlmeir würde Ironie ja vermeiden, sieht aber eigentlich nicht ein, warum er's sollte. Foto: red Foto: red

Herr Sedlmeir: In Ihrem Song „Hard Rock Roboter“ singen Sie vom Traum. Leben Sie ihn?

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Henning Sedlmeir: Ja!

Und wie sieht er aus, dieser Traum?

Sedlmeir: Der Traum ist, tun zu können, was man möchte. Für mich hat das Priorität vor einem geregelten Arbeitsleben.

Es fällt auf, dass viele Begriffe vorkommen, die aus den Achtzigern zu stammen scheinen. Ist das gewollt?

Sedlmeir: Ich bin in den 70ern und 80ern aufgewachsen. Es war die Zeit meiner musikalischen Prägung. Von daher ist es nicht unbedingt gewollt, dass das an diese Zeit erinnert, aber in Ordnung.

Wie kam es zu dem Begriff „Hard Schlager“ für Ihre Musik?

Sedlmeir: Nun, das ist eine eingängige Bezeichnung, die aufhorchen lässt. Die Begriffe Hard und Schlager widersprechen sich, zeichnet sich doch der Schlager selbst ja gern durch eine gewisse Softness aus. Dennoch ist es treffend, denn beide Elemente sind in meiner Musik. Ich habe früher Schlager gehört, zum Beispiel die ZDF-Hitparade. Da gibt es schon Perlen, die ich heut noch gerne mag.

"Große Worte für einfache Gefühle"

Zum Beispiel?

Sedlmeir: Udo Jürgens, oder Alexandra.

„Der Baum ist tot“ zitieren Sie ja auch im Lied „Schwarze Katze“.

Sedlmeir: Stimmt. Natürlich wurden dann auch Punk und Hard Rock ganz wichtig. Allerdings wollte ich nie ganz abbrechen mit dem Glanz, den der deutsche Schlager einmal hatte. Schlager hatte früher einen ganz eigenen Glamour. Da gab es große Worte für einfache Gefühle. Das mag ich sehr und möchte ich auch beibehalten.

Also verstehen Sie sich auch ganz ohne Ironie als Fortführer des ernsten Schlagers fernab von Helene Fischer? Udo Jürgens‘ „Ein ehrenwertes Haus“…

Sedlmeir: …ist ja eigentlich schon ein Chanson. Das finde ich auch ganz lustig: ich war vor einigen Jahren einmal in Stuttgart auf einem Chanson-Festival eingeladen. Der Betreiber des Ladens war ein Mitt-Sechziger mit langem Mantel und weißem Schal, der sich wohl erst kurz vorher über mich informiert hatte. Er war dann etwas verunsichert, was er dem Publikum sagen sollte und hat mich dann gefragt. Ich meinte: „Das ist eben sehr harter Chanson.“

"Es hat nicht diesen üblen Helene-Fischer-Beigeschmack"

Chanson ist ja ein Begriff, der in Deutschland eine eigene Bedeutung hat. Wenn wir „Chanson“ sagen, meinen wir oft „Liedermacherei auf Nicht-Englisch, die nicht wie Schlager klingt“.

Sedlmeir: Das stimmt. Es hat nicht diesen üblen Helene Fischer-Beigeschmack, ist ein unbefleckter Begriff. Die Idee zur Gattung „Hard Schlager“ kam mir in dieser Auseinandersetzung. Ich finde die Bezeichnung ein wenig frecher. Man eckt mehr an.

Wieviel Ironie ist in ihren Songs?

Sedlmeir: Am gelungensten ist ein Song, der gänzlich ohne Ironie auskommt. Aber manchmal macht es einfach Spaß, sie einzusetzen. Generell kann ich die Frage gar nicht beantworten. Ironie ist auch ein schönes Werkzeug, um Hässliches in Schönem abzubilden.

Dennoch wird gerne gerätselt: Meint Sedlmeir das jetzt ironisch oder nicht? Genießen Sie das?

Sedlmeir: Ja, es ist doch schön, die Leute im Unklaren zu lassen.

Sie waren schon in Bayreuth. Hegen Sie besondere Erinnerungen?

Sedlmeir: Ja, die gibt es. Ich habe begonnen, Tour-Anekdoten aufzuschreiben, und eine Bayreuther Geschichte ist auch dabei. Ich war das letzte Mal in einer recht rustikalen Absteige untergebracht. Also wollte ich – zu Wagners 200. Geburtstag – das Richard-Wagner-Museum besuchen, aber es war wegen Renovierung geschlossen. Ich bin dann ins Hotel zurück zum Abendessen. Da saß dann ein unauffälliger, schüchterner Typ in viel zu dickem Strickpullover am Tresen und hat mit seiner Gitarre den Leuten Bob Dylan und hymnenhaft-softe Metallica-Versionen vorgespielt. Keiner wollte ihn hören, und er hat gelitten und geschwitzt. Die Situation war so krass merkwürdig, dass ich der einzige war, der ihm aus Mitleid zwischen seinen Songs applaudiert hat. Das hat die Stimmung nur noch mehr bedrückt, denn die Leute haben dann mich immer sehr feindselig angeschaut.

Nicht sehr herzerwärmend...

Sedlmeir: Ich bin am Ende in meinem Zimmer gelegen, habe die Holzdecke angeschaut und mir ging immer wieder durch den Kopf: „Wagner, Wagner: Oi! Oi! Oi!“ Das habe ich dann in der Schoko-Fabrik in meinen Song „Whitesnake: Oi!“ eingebaut. Die Leute haben’s gefeiert. (Anm. der Red.: Angeblich ließ sich von diesem Konzert Bayreuths Stadtschreiber Volker Strübing zu einem fulminanten Slam-Beitrag inspirieren.)

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie einst als „der schmierigste Liedermacher Deutschlands“ bezeichnet wurden?

Sedlmeir: Keine Ahnung. Das ist auch eine extreme Aussage. Aber ich habe den Schreiber von der Intro nicht gefragt, wie er darauf käme, dass ich „Liedermacherei“ betreibe. Dass das schmierig ist, was ich mache: Damit bin ich einverstanden.

Was ist schmierig an Ihren Auftritten?

Sedlmeir: Dieses Falsche, Staubsaugervertreterhafte. Man gaukelt den Leuten vor: „Ihr müsst nur meine Show gucken, dann werdet ihr glücklich!“

INFO: Sedlmeir spielt am Donnerstag, 3. März, im  Glashaus Bayreuth, Einlass: 20 Uhr, Beginn: 21 Uhr.