Modellprojekt Hilfe vom Frauenhaus für ein selbstbestimmtes Leben

Anja Schäffner (links) und Bozena Schiepert setzen sich für Second Stage ein. Foto: Ute Eschenbacher

Nach der Flucht ins Frauenhaus eine eigene Wohnung zu finden, ist schwer. Das Modellprojekt Second Stage greift den Frauen dabei gezielt unter die Arme.

 
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Bayreuth - Unterstützung beim Übergang vom Frauenhaus in ein eigenverantwortliches Leben - das ist das Ziel von Second Stage. Der Wechsel in eine eigene Mietwohnung fällt alleinerziehende Frauen und ihren Kindern oft schwer. Das geförderte Modellprojekt des Bayerischen Sozialministeriums will ihnen gezielt dabei helfen.

Bezahlbaren Wohnraum finden

Sozialministerin Kerstin Schreyer wählte dafür 17 Standorte und Träger in ganz Bayern aus. Einer davon ist Bayreuth, neben Würzburg, Nürnberg, Selb oder Erding.

Die Vorhaben verteilen sich geografisch über den gesamten Freistaat. „Keine Frau soll nach einem Frauenhausaufenthalt gezwungen sein, zum gewalttätigen Partner zurückzukehren, nur, weil sie keinen bezahlbaren Anschlusswohnraum findet“, sagte Schreyer im November 2019 zu den Zielen von Second Stage.

In Bayreuth ist Anja Schäffner seit über eineinhalb Jahren für das Second-Stage-Konzept zuständig. Die Sozialpädagogin ist beim Caritasverband Bayreuth angestellt und arbeitet eng mit dem Frauenhaus zusammen.

Gewaltbedrohte Frauen und Kinder, die den hohen Schutz und die intensive Betreuung dort nicht mehr benötigen, kommen für Second Stage infrage. „Sie müssen stabil genug sein, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können“, sagt die Sozialpädagogin im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei der Wohnungsuche, dem Umzug und in der Nachbegleitung erhalten die Betroffenen Hilfe. „Derzeit bin ich für vier Frauen auf der Suche.“ Eine Frau konnte sie bislang erst in eine neue Wohnung vermitteln.

Sechs Monate lang Nachbetreuung

Deshalb wirbt sie auch bei Privatpersonen und privaten Vermietern um Unterstützung. Keine der Frauen werde allein gelassen. „Ich kümmere mich noch sechs weitere Monate um die Nachbetreuung.“ Zum Beispiel wenn es um Finanzfragen oder Behördengänge gehe. Wer einen Wohnberechtigungsschein nachweisen könne, habe Anspruch auf mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnraum. Aber eine günstige Sozialwohnung muss auch erst einmal gefunden werden.

Schäffner fragt zum Beispiel beim Bayreuther Bauverein, der Gewog oder der GBW an. Oder sie sucht über Ebay und Immowelt.

Doch das Angebot ist dünn gesät. Dazu komme, dass die künftige Mieterin oft noch keine Arbeit habe und Kinder mitbringe. „Das ist ein Teufelskreis: Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit.“ 80 Prozent ihrer Klientinnen beziehen Arbeitslosengeld II. Und oft sind es Großfamilien mit Migrationshintergrund, die sie zu vermitteln versucht.

Hoffnung auf Regelfinanzierung

„Was soll eine Frau mit vier oder fünf Kindern ohne Arbeit machen?“, fragt Caritas-Geschäftsführerin Bozena Schiepert. „Für uns ist das eine Dauerangelegenheit, für unsere Frauen aus dem Frauenhaus Wohnungen zu finden. Wir können nicht einfach sagen, es ist uns egal, was sie danach machen.“ Daher sei Second Stage eine wichtige Unterstützung. Bisher ist das Projekt von Dezember 2019 bis Dezember 2021 befristet. „Wir wünschen uns aber eine Regelfinanzierung.“

Noch eine andere Idee verfolgt der Caritas-Kreisverband für Stadt und Landkreis Bayreuth. „Wir haben ein Grundstück, auf dem wir Übergangswohnungen schaffen wollen“, sagt Schiepert. Sechs Mietwohnungen könnten in dem geplanten Neubau entstehen. „Wir brauchen aber Second Stage dazu, damit sich jemand um die Frauen kümmert. Das ist ein Riesenschritt für die Frauen.“ Denn diese könnten sich danach von einer „normalen“ Adresse aus weiterbewerben und nicht vom Frauenhaus aus. Schieperts Informationen nach versucht das Sozialministerium die Kommunen in Zukunft in das Projekt einzubinden. Die Verhandlungen laufen noch.

Auf der Flucht vor gewalttätigen Männern

Bis zum Jahresende kann Anja Schäffner zunächst weitermachen. „Wir sind immer auf der Suche nach ehrenamtlichen Helfern, die beim Umzug mit anpacken oder sich in der Kinderbetreuung einbringen“, sagt die Projektleiterin. Jüngst sei eine Frau mit fünf Kindern aus einem anderen Bundesland aufgenommen worden. Es gibt ein Portal, über das Frauenhäuser in ganz Deutschland freie Plätze melden. Manche gehen weit weg, damit der Gewalttäter sie nicht findet.

Nicht nur Lebenspartner und Ehemänner, auch andere männliche Familienmitglieder übten Gewalt gegen Frauen aus. Die Männer kontrollierten die Frauen und isolierten sie, damit sie vollkommen von ihnen abhängig seien, schildert die Sozialpädagogin. „Nachdem sie es ins Frauenhaus geschafft haben, fällt vielen Frauen der Übergang in Anschlusswohnungen schwer.“

In der Regel habe das Bayreuther Frauenhaus, das auch für den Landkreis Kulmbach da ist, nur Platz für zehn Frauen, sagt Schäffner. Auch Kindergartenplätze seien in Bayreuth schwer zu bekommen. „Die Anbindung an die Schulen klappt dagegen gut.“ Laut der gültigen Förderrichtlinie sollten die Frauen möglichst nur zehn Wochen im Frauenhaus bleiben.

Wobei sich die Dauer nach der individuellen Situation der Frauen richten soll. „Zehn Wochen sind utopisch“, sagt Schiepert. „Wie sollen die Frauen das schaffen in unserem Behördendschungel?“ Manche Frauen lebten über ein Jahr mit ihren Kindern im Frauenhaus. Zu einer Überbelegung solle es jedoch auch nicht kommen. Auch deshalb ist Second Stage so wichtig.


Info: Wer das Projekt unterstützen oder Wohnraum anbieten will, kann sich an die Caritas wenden. Telefon 0921/1501931. Mail: schaeffner@caritas-bayreuth.de

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